Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace
Читать онлайн книгу.Sie Ihre Posten und Spione aus dem Haus zurück.«
»Alle Beobachtungen stimmen mit dieser Angabe überein«, sagte Dick. »Marshalt wird in andauernder Betäubung gehalten und überall hingeschleppt, wohin es Malpas beliebt.«
»Mir kam es aber nicht wie ein wirkliches Gesicht vor«, erwiderte Audrey mit einem leisen Schauder.
»Sie glauben, daß es eine Maske war? Ich weiß nicht recht. Jedenfalls ist es eine sehr merkwürdige Geschichte!«
Als Shannon das Hotel verließ, erkundigte er sich nach dem Herrn von Nr. 270, aber man wußte im Büro weiter nichts von ihm, als daß er sich als »Henry Johnson aus Südafrika« eingeschrieben hatte und noch nicht aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war.
Am nächsten Morgen fiel ihm Stormers Bemerkung über den von den Anwälten eingesetzten Hausverwalter ein, und er machte sich sofort auf den Weg zu dem Marshaltschen Haus. Ein Mädchen, das er bereits kannte, öffnete ihm und führte ihn ins Wohnzimmer.
»Hier sind wohl große Veränderungen vorgegangen?« fragte Dick. »Wie ich höre, haben Sie jetzt einen Hausverwalter bekommen?«
»So kann man ihn wohl nicht nennen«, erwiderte sie zögernd. »Der Herr war ein Freund von Mr. Marshalt und heißt Stanford.«
»Was?! Doch nicht Bill Stanford?« rief Dick überrascht.
»Doch, Mr. William Stanford. Er ist oben im Arbeitszimmer.«
»Nun, dann werde ich einmal zu ihm hinaufgehen«, entgegnete Dick lachend. »Mr. Stanford und ich sind alte Bekannte.«
Bill saß mit einer riesigen Zigarre im Mund am Kamin und las in einer Sportzeitung.
»Guten Morgen«, sagte er gleichmütig. »Ich habe Sie schon erwartet, Captain. Sie glauben gar nicht, wie erstaunt ich war, als die Anwälte nach mir schickten!«
»Sie kannten ihn wohl von Südafrika her?«
»Ja. Aber hier bewegten wir uns doch in ganz verschiedenen Gesellschaftskreisen. Marshalt hat die Bestimmung aber selbst hinterlassen. ›Falls ich aus irgendeinem Grund verschwinden sollte‹, und so weiter, steht in dem Papier. Die Sache ist ja auch ganz einträglich, aber nicht sehr behaglich. Nachmittags darf ich ein paar Stunden ausgehen, aber nachts wird es hier derart ungemütlich, daß mir die Geschichte auf die Nerven geht. Und gestern abend war ja nebenan ein fürchterlicher Spektakel.«
Dick setzte sich.
»Ja, es ging allerlei drüben vor«, erwiderte er. »Hat sich die Tätigkeit der Gespenster auch bis hierher erstreckt?«
Stanford fröstelte leicht.
»Bitte, sprechen Sie nicht von Gespenstern, Captain! Ich sage Ihnen, gestern abend glaubte ich wahrhaftig, ich sähe – aber das ist zu albern!«
»Marshalt?«
»Nein, den anderen – Malpas.«
»Wo denn?«
»In der Tür der Vorratskammer. Nur eine Sekunde lang.«
»Und was taten Sie da?«
Bill lachte verlegen.
»Ich lief nach oben und schloß mich ein.«
Shannon stand auf.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich mir die Vorratskammer einmal ansehen.«
»Aber gern!« Stanford öffnete ein Schubfach und nahm einen großen Schlüsselbund heraus. »Der alte Tonger verwahrte die Gewehre und Patronen seines Herrn und sonst allerlei Gerümpel dort.«
Der Raum lag am Ende des von der Halle abzweigenden Ganges und hatte ein stark vergittertes, kleines Fenster und einen verdeckten Herd. Außer Waffen, Sätteln, alten Kisten, einer Bank mit einem Gaskocher, einem verrosteten Schraubstock, einigen Werkzeugen und Putzlappen war nichts zu sehen als –
»Was ist in diesen Kisten?«
»Ich weiß es nicht – habe noch nicht nachgesehen«, sagte Stanford.
Shannon zog einen Schiebedeckel auf.
»Revolvermunition«, murmelte er, »und ein Paket ist kürzlich erst herausgenommen worden, denn das darunterliegende ist frei von Staub. Stanford, warum glauben Sie, daß es Malpas gewesen sein könnte?«
»Ich weiß es nicht – nach den Beschreibungen nehme ich das an. Gesehen habe ich ihn ja nie.«
Dick ging noch einmal mit ihm nach oben und untersuchte die Tür, die zu Marshalts Privaträumen führte.
»Sie funktioniert doch noch?« fragte er.
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Stanford mürrisch.
»Was machen denn Eltons?« erkundigte sich Dick, als er hinunterging, um das Haus zu verlassen.
»Keine Ahnung. Dicke Freunde sind wir nie gewesen.«
Stanford schloß die Haustür hinter ihm, kehrte dann ins Arbeitszimmer zurück, verschloß die Eingangstür und öffnete eine andere, die nach dem kleinen Eßzimmer führte.
»Du hast gute Ohren, Martin«, sagte er.
Elton ging aufs Fenster zu und folgte Shannon mit den Augen, bis er nicht mehr zu sehen war.
»Immer wieder kommt der mir in den Weg!« erwiderte er ohne Erregung. »Ja, ich erkannte seine Stimme sofort, als ich euch sprechen hörte. Wie lange bleibst du noch hier? Ich habe etwas vor –«
»Tut mir leid, Martin, aber ich muß jetzt hier ehrliches Spiel treiben. Ich war ein Freund Lacys.«
»Und Malpas – kennst du den auch?«
Stanfords Augen wurden klein.
»Ja, ich kenne ihn«, flüsterte er, »und wenn es zu mausen gibt, dann weiß ich, wo ich mausen werde!«
26
Willitt war höchst verwundert, als er morgens ins Büro kam und es heftig klingeln hörte. Er fand seinen Chef in jämmerlichem Zustand auf einem Sofa.
»Ich sterbe –« murmelte Stormer – »bringen Sie mir starken Kaffee und eine Kiste voll Phenacetin. O, mein Kopf! Ich habe eine Beule, so groß wie ein Hühnerei! Und bei Hühnern fällt mir ein: schaffen Sie mir die kleine Bedford her ...«
»Ist Ihnen über Nacht etwas zugestoßen?«
»Sehen Sie mir das nicht an? Aber niemand außer Ihnen darf es wissen. Wenn jemand nach mir fragt, bin ich in Amerika ...«
Willitt beeilte sich, alles Gewünschte herbeizuschaffen.
»Und nun telephonieren Sie nach einem Barbier, und holen Sie mir aus dem nächsten Laden einen Kragen!« Sein Gesicht verzog sich schmerzlich, als er sich aufrichtete und nach der Kaffeetasse griff.
»Sie brennen natürlich darauf, mich auszufragen«, fuhr er dann fort. »Nun, ich hatte einen Kampf mit einem Gespenst und zog den kürzeren.«
»Wer war es denn?«
»Das weiß ich nicht. Ich wachte von einem Schrei auf, ging hinaus, um zu sehen, was los wäre, und entdeckte zwei, drei oder auch sechs Leute, die den Flur entlangliefen. Von ebenso vielen wurde ich über den Kopf gehauen und kam erst wieder zu mir, als mir der Hoteldetektiv den Kragen aufmachte. Vergessen Sie ja nicht die kleine Bedford. Sie hat eine Anstellung bei dem Hühnerblatt, und ich glaube nicht, daß es ihr dort gefallen wird. Gehen Sie zu ihr und bieten Sie ihr einen guten Posten mit beliebig hohem Gehalt an. Verstehen Sie?«
»Jawohl.«
»Fassen Sie das Mädel ab, wenn sie zum Essen geht. Sie soll dann Torrington alias Brown beobachten. Und kommen Sie mir nicht unverrichteter Sache zurück, Willitt! Ich bin derartig kaputt, daß ich sehr grob werden würde.« –
Audrey begann ihre Arbeit in der Redaktion mit einer gewissen Befriedigung, die aber nicht lange vorhielt. Sie entzweite sich bald mit Mr. Hepps, als er darauf bestand,