Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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lehnte sich hinaus und schaute auf den Hof hinunter. Dabei bemerkte er auch, daß die Eingangstür Nr.9 mit Patentschlössern versehen war, und daß ein furchtloser Mann von der Rettungsleiter aus das Flurfenster von Nr.9 erreichen konnte.

      »Ich möchte mir so gern eine von diesen nach hinten gelegenen Wohnungen ansehen, aber das geht wohl nicht?« fragte er bekümmert.

      »Nein. Ich habe zwar einen Hauptschlüssel, aber den darf ich nur bei Feuer oder Unfällen benützen.«

      »Einen Hauptschlüssel?« wiederholte Mr. Smith verwundert. »Was ist denn das?«

      Mit sichtlicher Genugtuung griff der Mann in die Tasche.

      »Hier sehen Sie einen«, sagte er stolz.

      Slick nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn interessiert.

      »Wie merkwürdig!« rief er. »Sieht doch genau aus wie jeder andere Schlüssel? Wie funktioniert er denn?«

      »Das kann ich Ihnen nicht erklären«, erwiderte der Portier ernst und steckte den Schlüssel wieder ein. Im selben Augenblick klingelte es am Aufzug.

      »Entschuldigen Sie –« begann er, aber Slick hielt ihn am Arm fest.

      »Können Sie nochmal zurückkommen?« fragte er drängend. »Ich möchte Ihre Ansicht über diese Wohnungen hören.«

      »Ich bin gleich wieder hier.«

      Als er zurückkehrte, stand Slick mit nachdenklicher Miene an derselben Stelle, wo er ihn verlassen hatte.

      »Ja, wie ich Ihnen schon sagte, dieser Hauptschlüssel–« Er hielt plötzlich erschrocken inne. »Ich habe ihn verloren!« rief er. »Haben Sie nicht gesehen, daß ich ihn einsteckte?«

      »Doch Sie haben ihn genommen... aber da liegt er ja!«

      Slick deutete auf den Teppich.

      »Gott sei Dank!« Der Portier atmete erleichtert auf. »Sie sollten mal oben aufs Dach gehen, da hat man eine wunderschöne Aussicht. Soll ich Sie hinauffahren?«

      »Nein, ich gehe jetzt lieber«, meinte Slick Smith, als der Mann wieder durch die Fahrstuhlglocke nach unten gerufen wurde.

      Sobald der Lift verschwunden war, eilte Slick auf die jetzt nur angelehnte Tür zu. Ein leiser Stoß genügte, um sie zu öffnen, denn während der kurzen Abwesenheit des Portiers hatte er sie aufgeschlossen, den Griff zurückgebunden und sie wieder zugezogen. Nun schob er den Sicherheitsriegel vor und eilte von einem Raum in den anderen. Im Schlafzimmer raffte er allerlei Gegenstände zusammen und ließ sie in seinen geräumigen Taschen verschwinden. Dann schlüpfte er in die Küche, untersuchte die Vorräte in der Speisekammer, roch an der Butter, prüfte den Inhalt einer Dose Kondensmilch und fühlte an das Brot, um festzustellen, wie alt es wäre. Nachdem er sich orientiert hatte, schlich er auf den Vorplatz zurück und lauschte. Eben ertönte wieder das Summen des Fahrstuhls. Slick bückte sich, hob den Deckel des Briefkastens und sah den Lift nach oben gleiten. Im nächsten Moment war er draußen und stand unten in der Halle, als der Portier wieder mit dem Fahrstuhl herunterkam.

      »Vielleicht miete ich die Wohnung doch«, sagte er. »Aber zu diesem Zweck muß ich mich ja wohl an jemand anders wenden als an Sie?«

      »Ja. Vielen Dank.« Der Mann steckte das fürstliche Trinkgeld ein, während Slick das Gebäude verließ und ein Mietauto heranwinkte.

      Am Nachmittag desselben Tages hielt sich Martin Elton fast eine Stunde lang in seiner Bank auf, prüfte den Inhalt seines diebessicheren Safes, zerriß allerlei Papiere und steckte vier einzelne, dicht beschriebene Briefbogen in seine Brusttasche. Sobald er wieder nach Hause kam, rief er Stanford an und bat ihn, sofort zu ihm zu kommen.

      Stanford erklärte sich erst nach längeren Ausflüchten und Einwendungen dazu bereit und war in übler Laune, als er kurz vor fünf in der Curzon Street erschien.

      »Zum Teufel, was fällt dir denn ein, daß du mich herbeorderst, als ob ich ein Kuli wäre!« fuhr er Martin wütend an.

      Elton lag auf einer Couch und blickte von seinem Buch auf.

      »Mach die Tür zu und schrei nicht so!« erwiderte er gelassen. »Die Sache ist ernst, sonst hätte ich dich nicht herbestellt.« Er stand auf, nahm sich eine Zigarre und bot auch Stanford eine an, die dieser mißmutig nahm. »Audrey ist jetzt bei Stormer angestellt, und das Kind ist schlau.«

      »Was geht mich das an! Wenn du mich nur deshalb-«

      »Ich sage dir, daß sie schlau ist. Und daß sie uns nach jener Diamantengeschichte nicht gerade freundlich gesinnt ist, kannst du dir wohl denken. Nun weiß ich zufällig, daß Stormer für fast alle Botschaften in London arbeitet –«

      Stanford lachte höhnisch.

      »Meinetwegen kann sie Beweise sammeln, soviel sie will!« sagte er. »Mir soll's recht sein. Ist das alles?«

      »Nicht ganz. Besinnst du dich noch auf den kleinen Feldzugsplan für die Sache mit der Königin von Griechenland, den du wie gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten schriftlich ausgearbeitet hast?«

      »Gewiß, aber der ist doch vernichtet.«

      »Leider nicht«, fuhr Martin kaltblütig fort. »Es war eine so geniale Arbeit, daß ich sie dummerweise aufbewahrte. Audrey war vorgestern hier. Sie kam, während Dora und ich ausgegangen waren, und ging zu Doras Zimmer hinauf, um ihr Haar überzukämmen. Dora bewahrt die Schlüssel zu meinem Depositenfach in ihrem Schreibtisch auf.«

      Stanford starrte ihn an.

      »Nun - und?«

      »Als ich heute nach der Bank ging, um Geld herauszunehmen, waren all meine Papiere verschwunden.«

      Stanford wurde bleich.

      »Du meinst, daß mein Plan auch verschwunden ist?«

      »Ja, das meine ich.« Er hob abwehrend die Hand. »Geh bitte nicht gleich in die Luft. Ich gebe zu, daß es verrückt von mir war, ihn aufzuheben. Natürlich hätte ich ihn sofort vernichten müssen – besonders weil du darin sogar Namen genannt hattest, wenn ich mich recht erinnere. Für mich ist die Geschichte ebenso fatal wie für dich – vielleicht noch unangenehmer, da Dora und ich etwas bei ihr auf dem Kerbholz hatten, du dagegen nicht.«

      »Du hast mich reingelegt, du Schweinehund! Wie kann man nur so wahnsinnig sein, so etwas aufzuheben?«

      »Warum hast du Namen hineingeschrieben? Natürlich mache ich mir Vorwürfe, aber wenn die Sache vor Gericht kommt, so ist deine eigene Schlauheit daran schuld.«

      Stanford zuckte die Schultern. Trotz seiner scheinbaren Stärke und Großmäuligkeit war er im Grund ein Schwächling, wie Martin sehr wohl wußte.

      »Was soll ich denn jetzt tun?« fragte er verbissen.

      Elton begann nun, Mittel und Wege mit ihm zu besprechen ...

      Torrington hatte Audrey für den Abend entlassen.

      »Ich habe noch eine wichtige Besprechung«, sagte er. »Sie können also ins Theater gehen oder sich sonst nach Belieben die Zeit vertreiben.«

      Audrey freute sich darüber, denn Dora hatte sie eingeladen, bei ihr zu essen.

      »Ich gehe nachher noch aus und muß deshalb früh essen«, hatte Dora am Telephon geäußert. »Du brauchst dich also nicht schön zu machen.«

      Sie öffnete ihrer Schwester selbst die Tür.

      »Meine Köchin ist eben auf und davon gegangen«, erklärte sie und küßte Audrey. »Und mein Mädchen wollte so gern ihre kranke Mutter besuchen. Ich hatte nicht das Herz, ihr die Bitte abzuschlagen. Du mußt also Nachsicht haben. Martin ist zum Glück in den Klub gegangen. Er kommt erst nachher, um mich abzuholen.«

      Der Tisch war sehr hübsch für zwei Personen gedeckt, und auch das Essen ließ nichts zu wünschen übrig, denn trotz all ihrer Fehler war Dora eine vorzügliche Hausfrau.

      »Wir


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