Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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mit unsichtbarer Seife wüsche.

      »Gestatten Sie – Mr. Milburgh«, stellte Lyne etwas verlegen vor.

      Wenn Milburgh die letzten Worte seines Chefs gehört hatte, verriet er doch in keiner seiner Bewegungen etwas davon. Er lächelte nicht nur oberflächlich, sondern man sah vollkommene Zufriedenheit in seinen wenig ausdrucksvollen Zügen. Tarling schaute ihn schnell an und zog seine eigenen Schlüsse. Der Mann war ein geborener Lakai, hatte ein plumpes Gesicht, einen kahlen Kopf und nach vorn gebeugte Schultern, als ob er in jedem Augenblick bereit sei, eine Verbeugung zu machen und demütig Rede und Antwort zu stehen.

      »Schließen Sie die Tür, Milburgh, und nehmen Sie Platz. Dies ist Mr. Tarling – ein Detektiv.«

      »Sehr interessant, Mr. Lyne.«

      Milburgh verneigte sich ehrerbietig vor Tarling. Der Detektiv beobachtete ihn genau, aber Mr. Milburgh errötete weder, noch wurde er blaß, auch seine Gesichtsmuskeln zuckten nicht. Tarling nahm keins der Anzeichen wahr, durch die sich ihm gegenüber Verbrecher schon so oft verraten hatten.

      »Ein gefährlicher Mensch«, dachte er.

      Er warf einen Blick zu Ling Chu hinüber, um zu erkennen, welchen Eindruck Milburgh auf ihn gemacht hatte. Jeder andere Beobachter hätte nichts Besonderes an dem Gesichtsausdruck und der Haltung des Chinesen entdecken können. Aber Tarling sah, daß seine Lippen fast unmerklich zuckten und seine Nasenflügel sich ein wenig hoben. Das waren untrügliche Anzeichen dafür, daß Ling Chu ein Verbrechen witterte.

      »Mr. Tarling ist Detektiv«, wiederholte Lyne. »Ich hörte sehr viel von ihm, als ich in China war. – Sie wissen doch, daß ich mich auf meiner Weltreise drei Monate in diesem Land aufhielt?« fragte er Tarling, der nur kurz nickte.

      »Ja, ich weiß es, Sie wohnten im Bund-Hotel und verkehrten damals viel in dem Eingeborenenviertel. Sie machten auch eine unangenehme Erfahrung, als Sie einmal Opium rauchten.«

      Lyne wurde rot, dann lachte er.

      »Sie wissen ja viel mehr von mir als ich von Ihnen, Tarling!«

      Man konnte an seinem Ton hören, daß ihm die letzte Bemerkung unangenehm gewesen war. Er wandte sich wieder an seinen Angestellten.

      »Ich habe allen Grund zu der Annahme, daß in meinem Geschäft Gelder entwendet werden, und zwar von einem Angestellten in der Hauptkasse.«

      »Das ist ganz unmöglich!« rief Mr. Milburgh entsetzt. »Ganz unmöglich! Wer sollte das getan haben? Aber ich bewundere Ihren Scharfsinn, Mr. Lyne, daß Sie das herausgefunden haben. Ich habe ja schon immer gesagt, daß Sie alles genau beobachten, selbst das, was wir alten Geschäftsleute übersehen, selbst wenn es sich vor unseren Augen abspielt!«

      Mr. Lyne lächelte geschmeichelt.

      »Es wird Sie interessieren, Mr. Tarling, daß ich hierin selbst einige Kenntnisse, ja ich möchte sogar sagen, daß ich Beziehungen zur Verbrecherwelt habe. Sie wissen vielleicht, daß ich so einen unglücklichen Menschen in gewisser Weise betreue. Ich habe in den letzten vier Jahren alles mögliche versucht, um ihn zu bessern. In einigen Tagen kommt er wieder einmal aus dem Gefängnis. Ich habe diese ganze Mühe auf mich genommen«, sagte er bescheiden, »weil ich fühle, daß es die Pflicht gerade der Leute ist, die sich in glücklicher Vermögenslage befinden, anderen zu helfen, die nicht dieselben günstigen Bedingungen in dem harten Kampf ums Dasein haben.«

      Auf Tarling machten diese Worte keinen Eindruck.

      »Wissen Sie, wer Sie dauernd bestohlen hat?« fragte er kurz.

      »Ich habe allen Grund anzunehmen, daß es ein junges Mädchen ist. Ich war gezwungen, sie heute ohne Kündigung zu entlassen, und ich möchte Sie bitten, sie zu überwachen.«

      Der Detektiv nickte.

      »Das ist eine verhältnismäßig einfache Sache.« Ein schwaches Lächeln huschte über seine Züge. »Haben Sie denn in Ihrem großen Geschäft nicht einen Privatdetektiv angestellt, der sich dieser Sache widmen könnte? Ich kümmere mich wirklich nicht um so kleine Diebstähle. Als ich hierherkam, dachte ich, daß es sich um eine größere Aufgabe handelte.« Er sprach nicht weiter, da es unmöglich war, in Gegenwart Milburghs mehr zu sagen.

      »Ihnen mag die Sache klein erscheinen, aber mir ist sie sehr wichtig«, entgegnete Mr. Lyne ernst. »Hier ist ein Mädchen, das in hohem Ansehen bei allen Mitangestellten steht und infolgedessen einen großen Einfluß auf deren moralische Ansichten hat. Sie hat wahrscheinlich dauernd die Bücher gefälscht und die Firma um Geld betrogen und hat dabei immer Wohlwollen und Achtung von allen Seiten genossen. Offenbar ist sie noch viel gefährlicher als irgendein anderer armer Verbrecher, der einer augenblicklichen Versuchung erliegt. Meiner Meinung nach wäre es nötig, mit ihr einmal ein Exempel zu statuieren, aber ich muß Ihnen offen gestehen, Mr. Tarling, daß ich nicht genügend Beweise in der Hand habe, um sie zu überführen. Sonst hätte ich mich nicht an Sie gewandt.«

      »Ach, ich soll erst das Material zusammenstellen?« fragte Mr. Tarling neugierig.

      »Wer ist denn die Dame, um die es sich handelt?« fragte Milburgh.

      »Miss Rider«, antwortete Mr. Lyne düster.

      »Miss Rider!« Milburgh machte ein äußerst erstauntes Gesicht.

      »Miss Rider – ach nein, das ist doch ganz unmöglich!«

      »Warum soll das unmöglich sein?« fragte Lyne scharf.

      »Na ja, verzeihen Sie – ich meinte nur«, stammelte der Geschäftsführer. »Das sieht ihr doch gar nicht ähnlich. Sie ist solch ein nettes Mädchen –«

      Thornton Lyne sah ihn argwöhnisch von der Seite an.

      »Haben Sie irgendeinen besonderen Grund, Miss Rider in Schutz zu nehmen?« fragte er kühl.

      »Nein, Mr. Lyne, ganz und gar nicht. Ich bitte Sie, nichts dergleichen anzunehmen«, sagte Mr. Milburgh etwas aufgeregt, »es kommt mir nur so – ungewöhnlich vor.«

      »Alles ist ungewöhnlich, was sich nicht mit dem gewohnten Lauf der Dinge vereinigen läßt«, fuhr ihn Lyne an. »Es wäre zum Beispiel nicht sehr merkwürdig, wenn Sie des Diebstahls angeklagt würden, Milburgh. Wäre es nicht sonderbar, wenn wir entdeckten, daß Sie im Jahr fünftausend Pfund ausgeben, während Ihr Gehalt nur neunhundert Pfund beträgt?«

      Nur eine Sekunde lang verlor Milburgh seine Selbstbeherrschung. Die Hand, mit der er sich über die Stirn fuhr, zitterte. Tarling, der ununterbrochen sein Gesicht beobachtete, sah, welche große Anstrengungen er machte, um seine Haltung nicht zu verlieren.

      »Ja, Mr. Lyne, das wäre allerdings sehr merkwürdig«, sagte Milburgh jetzt mit fester Stimme.

      Lyne redete sich immer mehr in Wut, und wenn seine scharfen Worte auch an Milburgh gerichtet waren, meinte er in Gedanken doch das stolze, hochfahrende Mädchen mit den zornigen Augen, das ihn in seinem eigenen Büro so verächtlich behandelt hatte.

      »Es wäre doch merkwürdig, wenn Sie zu Gefängnis verurteilt würden, weil ich entdeckt hätte, daß Sie die Firma seit Jahren betrügen«, fuhr er erregt fort. »Ich bin überzeugt, daß alle Angestellten dasselbe sagen würden wie Sie – ›sehr merkwürdig‹!«

      »Das möchte ich auch sagen«, erklärte Milburgh mit seinem alten gewohnten Lächeln. »Das würde merkwürdig klingen und merkwürdig sein, und niemand wäre mehr überrascht als das unglückliche Opfer.« Dann lachte er aus vollem Halse.

      »Vielleicht auch nicht«, sagte Lyne kühl. »Ich möchte hier nur kurz in Ihrer Gegenwart ein paar Worte wiederholen, bitte, passen Sie genau auf. Sie haben sich schon seit einem Monat bei mir darüber beklagt« – Lyne betonte jedes Wort –, »daß kleine Beträge in der Kasse fehlten.«

      Es war äußerst kühn, das zu behaupten, es war in gewisser Weise waghalsig. Der Erfolg seines schnell entworfenen Planes hing nicht nur von Milburghs Schuld, sondern ebenso von Milburghs Neigung ab, seine Schuld auch einzugestehen. Wenn sein Geschäftsführer nichts gegen die


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