Bittere Wahrheit…. Inge Elsing-Fitzinger

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Bittere Wahrheit… - Inge Elsing-Fitzinger


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mächtig ins Zeug gelegt. Hätte ich dir gar nicht zugetraut, du alter Schwerenöter!“

      Alain lächelte. „Was sollte ich mit diesem jungen Mädchen? Ich hatte ja nicht die geringste Absicht, meine Marie zu betrügen. Wenn sie es auch vielleicht seit Monaten oder Jahren selbst tat. Ich blieb ein unverbesserlicher Träumer.

      „Das ist aber sehr nett von ihnen. Sie sind der erste freundliche Mensch, der mir seit langem begegnet ist.“ Ihr Mona Lisa- Lächeln rührte mich. Bewegungslos saß sie da, abwartend. Die Scheibenwischer säuberten in monotonem Rhythmus die große Windschutzscheibe. Wir schwiegen uns einträchtig an, bis ich vor der Einfahrt meines Hauses hielt.

      „Darf ich wirklich mitkommen?“, fragte sie noch einmal zögernd. Ich nickte. Ungestüm hüpfte sie aus dem Wagen, schwang die Tasche über die Schulter. Sie wirkte richtig erleichtert. Das erste Mal lachte sie entspannt und glücklich. Auch ich fühlte mich sonderbar froh.

      Unschuldsvoll, benahm sie sich dennoch sicher, überraschend beherrscht, wie Marie einst, als ich sie kennen lernte. Ich war beeindruckt. Sie stellte ihre Tasche im Vorzimmer ab, hängte den Mantel auf und eilte zielstrebig in die Küche.

      „Ich werde uns Kaffee kochen, den können wir beide sicher gut gebrauchen.“ Kurz darauf hörte ich sie herumwerken. Scheinbar fand sie mühelos alles Nötige. Eine Rolle Zwieback stand auf der Anrichte. Preiselbeermarmelade. Wer war das Mädchen?

      Während ich noch leicht aufgewühlt, dennoch sehr zufrieden nicht alleine zu sein, eine Schallplatte auflegte, kam sie mit duftendem Kaffee ins Wohnzimmer spaziert. Alles schien selbstverständlich. Dann saßen wir einander still gegenüber. Sie schenkte Kaffee ein, gab etwas Sahne dazu, drei Stück Zucker, obwohl ich keinen Ton gesagt hatte. Lächelnd reichte sie mir die Tasse. Immer wieder strahlten mich ihre Bernsteinaugen an. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, sie von irgendwoher zu kennen.

      „Kommst du überhaupt von dieser Erde?“, fragte ich scherzend. Einen Augenblick lang wurde sie ganz ernst. Dann zwinkerte sie mir unter ihren langen Wimpern zu, und deutete mit zarten Fingern auf den ungeschminkten Mund.

      „Was du für Fragen stellst? Tut man das!“

      Auch eine Antwort. Sie duzte mich plötzlich, und ich fand auch das charmant. Seelenruhig ließ sie sich mein Anstarren gefallen, wurde weder verlegen noch zierte sie sich. Sie war beglückend natürlich, strahlte eine tiefe, innere Schönheit aus, die mich überwältigte. Ihre kurzen, dunklen Haare standen verstrubbelt nach allen Seiten ab. Selbst das wirkte anziehend. Selten war es mir gegönnt so behaglich mit jemandem beisammen zu sitzen.“

      Alain hatte sein Glas nachgeschenkt. Mit Tränen umflortem Blick schaute er in die Vergangenheit, träumte von einer nie wiederkehrenden Zweisamkeit mit seiner einst so geliebten Frau.

      „Ein kräftiges Posaunensolo hallte durch den Raum. Fanfaren des jüngsten Gerichtes dröhnten aus den Lautsprechern. Isabelle saß reglos, mit halb geschlossenen Augen da. Wir lauschten der herrlichen Musik. Verklärt. Überirdisch. Plötzlich schrillte das Telefon.

      „Du bist mir ja ein feiner Kavalier. Lässt mich einfach hier sitzen!“ Maries hektische Stimme, maßlos frustriert, beleidigend. Ich hielt den Hörer weit ab vom Ohr, ließ das wohlbekannte Geschnatter über mich ergehen. Ihren Redeschwall zu unterbrechen wäre ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen.

      „Du hast mich verlassen Alain, ist dir das klar!“ Du warst fort, lange bevor ich dich heute verlassen habe, dachte ich resigniert. Weiß Gott, was sie alles in die Muschel brüllte. Sie klagte, zeterte, zischte zynisch – schließlich legte sie geräuschvoll auf.

      Mehrere Stunden waren vergangen. Ich holte eine zweite Flasche Bojaulais aus dem Keller. Wir hörten bereits die dritte Symphonie. Keine Spur von Langeweile auf den Zügen meines Gastes. Mit großer Begeisterung fieberte sie immer neuen Passagen entgegen, war begeistert.

      „Gehen wir gemeinsam essen? Hast du Lust?“

      „Ja gerne“, rief sie erfreut. Gleich darauf etwas zögerlich: „Aber wird man es nicht anstößig finden, wenn du mit einer fremden Frau in der Öffentlichkeit aufkreuzt?“

      „Marie war selten dabei, wenn du dich erinnerst Francois, die hatte stets andere Verpflichtungen“. Boshaft und gekränkt skandierte er jede einzelne Silbe.

      „Hast du Bedenken? Sollen wir uns etwas bringen lassen?“

      „Mais non! Ich würde gerne ausgehen.“ Erschocken blickte sie an sich herunter.

      „In diesem Aufzug werde ich aber keine allzu gute Figur machen. Du müsstest dich richtig genieren mit mir!“

      „Das ist nun wirklich kein Thema. In Maries Kleiderschrank findest du bestimmt das passende Kleid, auf der Frisierkommode und im Bad den Rest. Alles was eine Frau begehrenswert und noch hübscher macht. Irrsinnige Gedanken brausten durch mein aufgewühltes Innenleben.

      Du hast bestimmt schon von Menschen gehört, die nur kurz mal um die Ecke gingen, um Zigaretten zu kaufen, und niemals wieder kamen. Im Augenblick dachte ich ehrlich daran, mich diesen Aussteigern anzuschließen. Ich hatte mein altes Leben so richtig satt. Ich sehnte mich nach einem neuen, das ich augenblicklich beginnen wollte, in der nächsten Minute. Noch war es keine fixe Idee, aber ungemein bedenkenswert. Wo waren meine Leitsterne geblieben? Meine Anständigkeit, mein Pflichtbewusstsein? Welch hohe Ideale hatte ich in der Jugend. Was wollte ich doch alles erreichen. Mit meiner ganzen Kraft, meiner Intelligenz wollte ich Bernard nacheifern, ihn nie enttäuschen. Hirnrissig, sich in solche Fantasien zu flüchten. Bernard, ein sechzigjähriger Mann, immer noch mit dem gleichen unbesiegbaren Charme ausgezeichnet, der ein Gutteil seines Berufserfolges war. Bernard, der mir blind vertraute, auf mich baute. Plötzlich schämte ich mich. Rasch stürzte ich ein Glas Rotwein in mich hinein. Unsinn, solche Gedanken überhaupt zu spinnen.

      Ich wollte Isabelle ins RITZ führen. Wenn schon, dann perfekt.

      Übermütig eilte sie ohne besondere Erklärungen ins Ankleidezimmer meiner Frau. Nach überraschend kurzer Zeit stand sie wieder vor mir. Sie hatte ein schlichtes Kleid aus schwarz-silbernem Lamee gewählt, das ihre reizende Figur perfekt zur Geltung brachte. Ich wusste gar nicht, dass Marie solch dezente Garderobe besaß. Etwas Rouge. Zarte Lidschatten. Die Wimpern brauchte sie erst gar nicht zu tuschen. Noch nie hatte ich so lange und dichte Naturwimpern gesehen. Sogar ihr strubbeliges Haar war auf wundersame Weise in eine akzeptable Form gelegt. Hinreißend präsentierte sie sich mir, drehte und wirbelte auf hochhakigen Nappaschlüpfern um die eigene Achse. Ich war sprachlos.

      „Komm schon, Alain, ich bin am Verhungern!“

      Es war vor etwa drei Monaten.

      Stundenlang saßen Bernard und Alain schon beisammen. Ein Wochenende, das ausführlichen, geschäftlichen Gesprächen gewidmet wurde, welches Marie, wie meist in letzter Zeit, ihren ausschweifenden Vergnügungen widmete. Keine Telefonate, keine lästigen Zwischenmeldungen, keine Hiobsbotschaften. Es wurden einige Gläser erlesenen Whiskys geschlürft, der nur Bernards besten Freunden vorbehalten blieb. Alains Kopf umnebelte sich. Alles um ihn herum begann sich zu drehen. Das Zimmer, die Papierbögen auf dem Tisch, die Blumenstöcke, die Bilder. Langsam, dann immer schneller. Reichlich verwirrend rauschten Bernards komplizierte Gedankenflüge an ihm vorüber. Er ließ sich bewusst voll laufen, in letzter Zeit immer häufiger.

      Heimlich hoffte der väterliche Freund, der Junge würde ihm sein Herz ausschütten. Vieles in seiner Ehe war nicht in Ordnung, das spürte er. Sein untrüglicher Instinkt täuschte ihn nicht. Doch bisher schwieg sein geliebter Schützling beharrlich. Der strahlende Sonnenhimmel hatte sich verzogen. Dicke Wolken versetzten den Raum in diffuses Dämmerlicht.

      „Die ideale Spiegelung meines verpfuschten Innenlebens“, lallte Alain kaum verständlich. Schwere Tropfen klatschten an die riesigen Fenster. Dröhnen an den Scheiben. Dröhnen in seinem Kopf. Diesen trostlosen Zustand verspürte er immer öfter, und immer seltener konnte er dagegen ankämpfen. Hatte er genug Alkohol intus, entschlummerte er meist schlagartig. Keine quälenden Gedanken mehr, die ihn im Wachzustand zermürbend folterten.


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