Reich ins Heim. Hans Pürstner

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Reich ins Heim - Hans Pürstner


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Sache sprach sich schnell rum und blieb nicht ohne Folgen für Worthingtons Beliebtheit am Arbeitsplatz, kannten doch die meisten Kollegen seine Frau und die zwei süßen Töchter. Er war aber zu feige, um seiner Frau alles zu beichten und beschwor Susanne, ihm noch etwas Zeit zu lassen.

      “Es ist nicht so leicht, meiner Frau beizubringen, dass ich mich in dich verliebt habe, versteh das doch bitte!”

      “Ach, du wolltest doch bloß eine kleine Liebelei ohne Risiko, aber jetzt wo ich ein Kind bekomme, kriegst du es mit der Angst zu tun!” schrie Susanne erregt und rannte heulend aus dem Raum.

      *

      Mittlerweile waren einige Wochen ins Land gegangen, man sah sich ab und zu in der Firma, begrüßte sich förmlich wie unter Kollegen, nicht mehr. Er war immer noch hinundhergerissen zwischen seinen Gefühlen für Susanne und der Verantwortung für seine Familie.

      Auch die beiden Mädchen litten unter der Veränderung, die mit ihrem Vater vor sich gegangen war, und Ann sprach nur noch das Nötigste mit ihm. Wegen jeder Kleinigkeit brach ein Streit aus und die Mädchen, die ja für all diese Sachen nichts konnten, standen zwischen den Stühlen und mussten alles ausbaden.

      “Wenn dir etwas nicht passt, dann geh doch zu deinem Flittchen!”, war die Standardantwort auf jeden noch so kleinen Einwand von ihm.

      Bisher war man fast jedes Wochenende mit dem Auto ins Grüne gefahren oder hatte sich abends einen Film im Kino angesehen, nun ging jeder seiner Wege. Allison war immerhin schon alt genug, ihre Freizeit ohne Eltern zu nutzen, sie verdrückte sich meistens mit Norman, ihrem Freund. Aber Beverly litt wie ein Hund unter der Krise ihrer Eltern, immer wieder startete sie rührende Versuche, die beiden wieder zu versöhnen oder zumindest dazu zu bringen, sich wieder mal vernünftig miteinander zu unterhalten.

      Eines Tages Worthington war so sehr mit einem neuen Projekt beschäftigt, dass er erst gar nicht den Versuch machte, Susanne zu sehen rief ihn sein Boss ins Büro.

      “Hello Albert, How are you?”

      “ Ich mische mich ja ungern in das Privatleben meiner Mitarbeiter, und gerade Sie sind mein Bester, aber wissen Sie vielleicht, was mit Miss Waller los ist? Sie ist jetzt schon seit drei Tagen nicht ins Büro gekommen. Sie hat zwar angerufen und sich krankgemeldet, aber ein ärztliches Attest ist bisher noch nicht gekommen.”

      Worthington wurde etwas verlegen wegen der kaum verhüllten Anspielung auf sein Verhältnis zu Susanne Waller und stammelte nur:

      “Nach Dienstschluss fahre ich gleich mal bei ihr vorbei und sehe, was da los ist.”

      Mrs. Tucker sah ihn mit sorgenvollem Gesicht an, nachdem sie auf sein Klingeln die Tür geöffnet hatte.

      “Ich weiß nicht, was mit der Young Lady los ist, sie wird von Tag zu Tag bedrückter! Dass es Liebeskummer ist, daran hab ich keine Zweifel, wer hat den nicht als junger Mensch. Aber sie will partout nicht darüber sprechen.”

      “Ist sie denn nicht auf ihrem Zimmer?”

      “Nein, sie hat vorhin den Brief gelesen, den ich ihr gab, ich glaube, er kam aus Austria. Danach war sie völlig außer sich, schnappte sich das Fahrrad, das sie sich letzte Woche gekauft hat und fuhr weg. Jetzt mache ich mir doch Sorgen, wo sie doch schon über eine Stunde weg ist.”

      “Hat sie denn nicht gesagt, wo sie hin will?” fragte Worthington, mittlerweile ernstlich besorgt.

      “Nein, aber die letzten Tage ist sie öfters zu den Cliffs gefahren, sie sagte mir, das entspanne sie so wunderbar, wenn ihr die würzige Seeluft um die Ohren weht und sie mit geschlossenen Augen dem Rauschen des Meeres zuhört.”

      Sofort setzte er sich ins Auto und fuhr zum East Cliff über dem Strand von Boscombe. Als er am direkt über den Klippen liegenden Parkplatz ankam, standen da schon jede Menge Autos aus allen Teilen Englands.

      Immer schon fand er es etwas seltsam, dass viele seiner Landsleute, die sich am Wochenende in ihr Auto schwingen, hierher an den Parkplatz fahren, alle Türen öffnen und dann die mitgebrachten Sandwichs verzehren. Dazu trinken sie natürlich den unvermeidlichen Tee, in diesem Fall aus einer Thermoskanne. Nach ein paar Stunden fahren sie dann wieder nach Hause, ohne überhaupt am Strand, geschweige denn im Meer gewesen zu sein, und erzählen stolz “Wir waren an der See!”

      Er stieg aus dem Wagen und ging auf die kleine Kabinen bahn zu, die es den Besuchern ermöglicht, den Strand zu erreichen, ohne den steilen Fußweg nach unten antreten zu müssen. Irgendwie musste er dabei unwillkürlich an Graz und die Schlossbergbahn denken, mit der ihn so unangenehme Erinnerungen verbanden.

      Von der Straße, die am Fuß der Klippen am Strand entlang führte, hörte man Sirenengeheul von Krankenwagen und Polizei.

      Sofort beschlich ihn ein ungutes Gefühl und er verzichtete auf die Bahn, wo er noch einige Minuten hätte warten müssen und rannte, nein stolperte mehr die steile Treppe nach unten. Völlig außer Atem am Strand angelangt, stürzte er auf die Stelle zu, an der einige Personen in Uniform um einen von einer Plane verhüllten Körper herumstanden. Er drängte sich durch einige neugierige Schaulustige und wollte unter die Plane gucken. Ein Police Officer hielt ihn ziemlich rüde davon ab. ”Hier haben sie nichts zu suchen, Sir, wer sind sie überhaupt?”

      “Mein Name ist Worthington, ich suche ein vermisstes junges Mädchen, sie ist eine Freundin von mir!”

      “Nach den Papieren, die wir bei der jungen Miss gefunden haben, heißt sie Susanne Waller und kommt aus Austria” sagte der Officer, worauf Worthington blass im Gesicht wurde und wie in Trance davonschlich.

      ”Ich bin schuld, ich allein”, stammelte er immer wieder. Ein Mann ohne Uniform, anscheinend ein ziviler Polizist, folgte ihm, von seinen Selbstvorwürfen neugierig geworden.

      ”Woran sind Sie schuld, Sir?” fragte der Polizist.

      Worthington versuchte, die Fassung wieder zu finden und meinte nur: “Das hat rein private Gründe, die gehen niemanden etwas an!”

      Der Kriminalbeamte ließ jedoch nicht locker und bestand darauf, dass er ihm zum Polizeirevier folgen solle, um ein Protokoll aufzunehmen.

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