Reich ins Heim. Hans Pürstner

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Reich ins Heim - Hans Pürstner


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Jetzt, da er sie nach längerer Zeit wiedergesehen hatte, fiel es ihm wieder schwer, die schöne Zeit zu vergessen und die alte Wehmut war wiedergekehrt. Beim ersten Mal dauerte es Wochen, bevor er aufhörte, bei jeder Gelegenheit an sie zu denken. Seine Arbeit litt darunter und mehr als einmal rüffelte ihn sein Vorgesetzter deswegen.

      „Na, haben Sie Ihr Liebchen noch immer nicht vergessen, Worthington?“, hatte er ihn spöttisch gefragt.

      Insgeheim spürte er wohl, wie sehr Worthington trauerte.

      “Das Beste ist, ich gehe wieder zurück nach England und heirate Ann!”, dachte dieser und nahm sich vor, das bald in die Tat umzusetzen.

      Seine jetzige Wohnung war auch kein Vergleich zu seinem Zimmer bei Ingrid, eher eine Abstellkammer, in einer baufälligen Frühstückspension am Lendplatz.

      Gleich gegenüber war ein kleiner Marktplatz, an dem am Samstag Bauern aus der Umgebung ihre Stände aufbauten und Produkte vom eigenen Hof verkauften. In nächster Nähe, im Volksgarten, ließen sich auch immer wieder fliegende Händler nieder. Und jeder, der irgendetwas anzubieten hatte, versuchte eben, den allgemeinen Mangel auszunutzen, und für seine Ware einen möglichst hohen Preis zu erzielen.

      Den Behörden war dies natürlich ein Dorn im Auge, und deshalb waren Beamte der Wirtschaftspolizei ständig unterwegs, um das illegale Treiben zu verhindern. Aber die Menschen waren mittlerweile gewitzt und kaum hatte sich der Schwarzmarkt wegen einer Kontrolle aufgelöst, bildete er sich an anderer Stelle erneut.

      Bei einem Spaziergang kam Worthington auch mal wieder beim Markt vorbei als ihm jemand leise zuraunte:

      “Na mein Herr, brauchen sie Zigaretten?

      Er, der es als Angehöriger der Besatzungsmacht ja nicht nötig hatte, Zigaretten für teures Geld schwarz zu kaufen, wollte schon dankend ablehnen, als er das Gesicht des fliegenden Händlers erkannte. Es war sein lästiger Verfolger, der ihm schon lange auf die Nerven ging, zumal er sich gar keinen Reim darauf machen konnte, warum ihn eigentlich jemand beschattete.

      Auch sein Gegenüber merkte erst jetzt, wen er da eben angesprochen hatte und packte schnell seine Sachen zusammen, um abzuhauen.

      Doch Worthington war schneller.

      “Halt, Freundchen, nicht so schnell, kommen Sie erst mal mit zur Polizei!”

      Er zeigte ihm seinen Ausweis, auch wenn die Überwachung des Schwarzmarktes gar nicht zu seinen Aufgaben gehörte, aber ein Ausweis der Engländer zeigte immer Wirkung. Alle anderen suchten fluchtartig das Weite, nur dem Zigarettenhändler blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, der feste Griff nach seinem Arm ließ sich nicht abschütteln.

      Auf dem Wachzimmer in der Keplerstrasse lieferte er ihn schließlich ab und gab auch zu Protokoll, dass er den Mann zum wiederholten Male beim Schwarzhandel erwischt habe. Die Beamten übernahmen alles Weitere und dankten Worthington für seine Mitarbeit.

      Beim Verlassen der Wachstube blickte er Sulic noch mal schadenfroh ins Gesicht, was der Mann mit einer Schimpfkanonade quittierte.

      “Dafür werden Sie noch büßen, Worthington, das wird ihnen noch leidtun!”

      Wieso kennt der eigentlich meinen Namen, was hat das bloß alles zu bedeuten? dachte Worthington konsterniert und ging wieder in sein Luxusdomizil, um sich ein paar Stunden aufs Ohr zu legen. Als er sich so umsah in seinem kargen Zimmer, wurde seine Sehnsucht noch größer, endlich wieder nach Hause fahren zu können und eine Familie zu gründen.

      Gesagt, getan, gleich am nächsten Morgen suchte er das Office vom Major auf und bat ihn um die sofortige Freistellung.

      “Aber Worthington, was ist denn in sie gefahren, warum wollen sie denn Hals über Kopf alles aufgeben?” fragte ihn der Major ganz entsetzt.

      “Sie sind doch ein wichtiger Mann für uns, wo soll ich jetzt so schnell Ersatz für Sie kriegen?”

      Doch nach dessen Versuch, seine Gründe darzulegen, gab er es schnell wieder auf, diesen umzustimmen.

      “Gegen die Stimme der Liebe kann man halt nicht angehen!” seufzte der Major und gab die Order an sein Büro, die Entlassungsformalitäten in die Wege zu leiten.

      “Ein paar Wochen werden Sie es schon noch aushalten müssen, Worthington, dann können Sie zu ihrem Frauchen.”

      8.Kapitel

       1971, Südengland

      “ Hello, Darling, I am so glad to be back home again!” sagte Worthington, glücklich wieder zu Hause zu sein, während er seine Frau Ann stürmisch umarmte. Sogar die jüngere seiner beiden Töchter, Beverly, war mit zum Bahnhof von Bournemouth gekommen, um ihren Vater abzuholen. Niemand hätte es sich träumen lassen, dass seine kurze Geschäftsreise nach Graz eine so aufregende Sache werden würde, und statt drei Tagen wie ursprünglich geplant, waren inzwischen mehr als drei Wochen vergangen.

      ”Dein Boss, Mister Crocker, hat mich heute Morgen angerufen, er freut sich sehr über deine Rückkehr!”, meinte seine Frau, und drückte ihm einen innigen Kuss auf die Lippen. Beverly hielt sich nicht lange mit Fragen über seinen Gesundheitszustand auf, sondern wollte unbedingt wissen, ob er ihr etwas von der Reise mitgebracht habe.

      Verschmitzt lächelnd vertröstete ihr Vater sie auf später, nicht ohne ihr schon einen kleinen Tipp zu geben, was es sein könnte. Es war nicht leicht gewesen, etwas Passendes für zwei Teenager zu finden, zumal die neueste Mode in England der in Österreich weit voraus war. Deshalb hatte Worthington seinen Töchtern, die im Winter gerne zum Schiurlaub nach Frankreich fuhren, jeweils eine Carrera Skibrille gekauft, die konnten sie auf jeden Fall gut gebrauchen, außerdem waren sie in Graz doch etwas billiger gewesen, als wenn er sie in Bournemouth gekauft hätte.

      Zuhause in dem kleinen Häuschen im Stadtteil Boscombe angekommen, das die Worthington’s bewohnten, verschwand seine Frau gleich in der Küche, um den Teekessel aufzusetzen. Sie konnte sich schließlich gut vorstellen, wie sehr ihr Mann die alte Tradition des “Afternoon Tea” vermisst haben dürfte. Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen, begeistert schlürfte er seinen Tee und schlang gleich zwei der leckeren Butter Scones hinunter, die sie ihm noch am Vormittag frisch gebacken hatte.

      Inzwischen trudelte auch Allison, seine ältere Tochter ein, die wegen der Schule nicht rechtzeitig am Bahnhof sein konnte und ihren Vater nun umso herzlicher umarmte.

      “ Hello Daddy, was hast du mir mitgebracht?“ rief sie ihm an Stelle einer Begrüßung zu.

      Das war nun auch endlich der richtige Moment für Albert, seine Geschenke und Souvenirs zu überreichen. Die Mädchen freuten sich ehrlich über die Skibrillen und auch Ann schien zufrieden zu sein mit der Lodenjacke. Ein typisch österreichisches Kleidungsstück, sogar die Größe passte, wie seine Frau anerkennend bemerkte.

      Am nächsten Tag besuchte er als erstes seinen Hausarzt, Dr. Rockingham, der ihm dringend davon abriet, sofort wieder zur Arbeit zu gehen, und ihn nach kurzer Diskussion, für eine weitere Woche dienstunfähig schrieb.

      Anschließend rief er seinen Boss an, um diesen von seiner Rückkehr zu informieren, doch nach einem verschämten Hinweis auf seinen fortdauernden Krankenstand fiel dessen Wiedersehensfreude nicht mehr ganz so enthusiastisch aus.

      Statt die Krankmeldung per Post an die Firma zu schicken, beschloss Worthington, gleich selbst hinzufahren. Er bestieg einen Doppeldecker Bus, und löste beim Schaffner eine Fahrkarte nach Christchurch, der nächsten Ortschaft östlich von Bournemouth, in dem sich der Sitz der Firma C&S befand. C&S stand für Crocker and Seal, einem alten Traditionsunternehmen, das Motoren und andere Teile für Motorräder herstellte. Sie hatte besonders bei den Motorradfahrern einen exzellenten Ruf, die sich dem Rennsport verschrieben hatten, speziell die Speedway Fahrer schworen auf C&S.

      Worthington war ursprünglich zum Automechaniker ausgebildet worden und hatte dabei mit seinem Vorarbeiter und Ausbilder des öfteren Speedway Rennen besucht, bei denen dieser am Wochenende einige Rennfahrer oder vielmehr deren Maschinen betreute.


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