Reich ins Heim. Hans Pürstner
Читать онлайн книгу.fragte er seinen Kollegen. „Der hat mir erzählt, dass er nach dem Krieg für die britische Militärverwaltung in Graz gearbeitet haben soll.“
Computer waren damals bei der Grazer Polizei noch kaum in Verwendung, deshalb war man auf das gute Gedächtnis von Leuten wie Baier angewiesen, die mit geübtem Griff in die Kartei meistens das Gewünschte hervorzauberten.
Der musste jedoch die Frage verneinen, glaubte aber den Namen schon mal im Zusammenhang mit einem alten Fall gelesen zu haben.
“Ich versprech dir, Schwammerl, ich werd mich drum kümmern. Ich ruf dich an, sobald ich was weiß!”
An seinen Schreibtisch zurückgekehrt, fand Pilz dort den Bericht des technischen Sachverständigen DI Wallauch vor.
Die spezielle Ausführung des Sprengstoffanschlages auf die Schlossbergbahn würde darauf schließen lassen, dass der Täter einst Angehöriger der deutschen Wehrmacht war, vermutlich bei den Pionieren. Diese Auskunft riss Pilz auch nicht gerade vom Hocker, von der Sorte würde es wohl noch Tausende geben, und die alle zu überprüfen wäre wohl ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.
Trotzdem beauftragte er Inspektor Vasic, einen seiner fähigsten Mitarbeiter damit, sich um diese Sache zu kümmern.
“Sie kennen doch jemand beim Landesmilitärkommando, der früher bei der Waffen SS war. Fragen Sie ihn doch mal, ob er uns nicht ein paar Informationen geben könnte!”
Vasic´s Vorfahren kamen aus Slowenien, nichts desto trotz sprach er den breitesten südsteirischen Dialekt, den Pilz je gehört hatte. Ganz im Gegensatz zu ihm selbst war Ivo Vasic einer von der schlankeren Sorte. Manchmal hatte man fast das Gefühl, er wäre eben erst aus einem Kriegsgefangenenlager zurückgekehrt, so schlotterten seine Hosen um die dünnen Beine. Wenn sie mal beide zusammen unterwegs waren, so konnte man fast meinen, Dick und Doof vor sich zu haben. Doch von doof war bei ihnen keine Spur, so mancher Ganove hatte sich schon gewundert, wie schnell er von ihnen überführt worden war.
Am nächsten Morgen läutete gleich das Telefon, Kollege Baier aus dem Archiv war am Apparat:
“ Servus Schwammerl, ich hab doch gleich den richtigen Riecher gehabt. Dieser Worthington war mal in einen Fall als Zeuge verwickelt, es ging um einen Schwarzmarkthändler und Waffen Schieber, er hieß Alfons Sulic. Der Mann wurde hauptsächlich auf Grund der Aussage von Albert Worthington zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Das waren noch Zeiten damals. Heute würde ihn bei so einer Sache jeder Pflichtverteidiger heraus hauen und wenn schon zu keinem Freispruch, dann maximal zu einer bedingten Strafe verhelfen!”
“Dieser Worthington war 1947 einige Zeit als Verbindungsmann und Dolmetscher zu den lokalen Behörden für die britische Besatzungsmacht tätig. Übrigens kam dieser Sulic eh schon nach zwei Monaten wieder aus dem Häf´n raus. Es heißt, dass sich eine hochrangige Person für ihn eingesetzt hatte. Der ganze Verwaltungsapparat war damals von ehemaligen Nazis durchsetzt, die sich gegenseitig behilflich waren, wo immer sie konnten. War wohl ein alter Kamerad oder so, der Sulic.”
“Und wie hieß diese hochrangige Person denn eigentlich?” fragte Pilz.
“Davon steht nichts in den Akten, das tut mir leid!”, bedauerte Kollege Baier.
Inzwischen war Inspektor Vasic ins Büro zurückgekehrt. “Ich hab mich mit meinem Spezi beim Kommando unterhalten, er meint, wir sollten mal mit einem Herrn Friedel sprechen.
Der war während des Kriegs bei einem Pionierkommando, das die heikelsten Aufträge bekam. Die Mitglieder des Trupps waren glühende Verehrer des Führers. Bis heute sollen sie sich in einem geheimen Kameradschaftsklub treffen und von alten Zeiten schwärmen.”
“Herr Friedel wohnt übrigens in einer Mansardenwohnung in der Prankergasse 8!“
“Na gut, ich werd morgen mit ihm reden, schaden kann´s ja eh nicht!”
So langsam kamen ja doch einige Informationen zusammen, dachte Pilz und um in Ruhe darüber nachzudenken, ging er zum Hauptplatz in sein Lieblingslokal, einem Würstelstand. Für so eine Imbissbude ließ er gerne jedes Luxusrestaurant links liegen.
Er bestellte sich wie immer ein Paar Käsekrainer, eine grobe Schweinswurst mit kleinen Käsestückchen, dazu Senf und frisch geriebenen Kren, wie in Österreich der Meerrettich genannt wird. Nicht zu vergessen eine Kaisersemmel, damit ließ sich auch der Rest Senf so schön auftunken.
Zum Runterspülen noch ein kühles Gösser Bier, ach, es gab für ihn einfach nichts Besseres!
Frisch gestärkt und voller Tatendrang kehrte er in die Dienststelle zurück, wo ihn kurze Zeit später ein Anruf vom Hofrat erreichte.
Der sagte nur lapidar: “Herr Oberinspektor Pilz, ich muss Sie hiermit davon unterrichten, dass die Ermittlungen im Fall Worthington eingestellt werden. Die Untersuchung des Anschlags auf die Schlossbergbahn wird uns ab sofort entzogen und an die Staatspolizei abgegeben. Das Ganze geschieht auf höhere Weisung, da kann ich leider gar nichts machen!” und legte auf.
“Höhere Weisung, wenn ich das schon höre”, murmelte Pilz vor sich hin, “Es hörte sich nicht so an, als ob er darüber traurig wäre! Jedes Mal wenn einer von den Großkopferten in etwas verwickelt ist gibt es eine höhere Weisung und schon wird alles vertuscht. Aber ich werd schon noch dahinter kommen!”
5.Kapitel
Rückblick: November1947
Graz, britische Besatzungszone
Das Kriegsende lag gerade mal zwei Jahre zurück, viele Gebäude waren noch zerstört von den vielen Bombenangriffen und die Bewohner der Stadt versuchten einfach, das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Der Schwarzhandel blühte, er war überhaupt die einzige Möglichkeit, das Notwendigste kaufen zu können, es sei denn, man gab sich mit dem wenigen zufrieden, was man mit den von den Behörden ausgegebenen Lebensmittelkarten legal erwerben konnte.
Die Steiermark hatte immerhin noch soweit Glück gehabt, dass man nicht unter die Hoheit der russischen Besatzungstruppen gekommen war, sondern von den Briten verwaltet wurde.
Obwohl von diesem zivilisierten Musterland der Demokratie frühzeitig lokale Persönlichkeiten die als Nazigegner die Zeit während des Krieges meist im KZ oder in Gefängnissen verbracht hatten in der städtischen Verwaltung eingesetzt worden waren, wollte man verständlicherweise die Kontrolle über die kommunale und politische Arbeit der Österreicher behalten und dafür brauchte man auch Engländer mit guten Deutschkenntnissen, die so naturgemäß leichter ihren Aufgaben nachkommen konnten.
Nach 3 Jahren Aufenthalt in Militärkrankenhäusern und Erholungsheimen, wo Worthington die Folgen seiner schweren Verwundung auskurierte, die er bei seinem letzten Kriegseinsatz erlitten hatte, war er nun nach Graz geschickt worden.
Es ist zwar immerhin die zweitgrößte Stadt von Österreich, hatte man ihm erzählt, doch im Vergleich zu englischen Großstädten doch eher nur ein beschauliches kleines Städtchen.
In der Mitte der Stadt, von weithin sichtbar, der Schlossberg, ein 200 Meter hoher, von Wald bedeckter Felsen.
So ein Orientierungspunkt ist schon praktisch dachte er.
Der Krieg, speziell seine eigene Luftwaffe, hatten erhebliche Spuren in der Stadt hinterlassen. Das Bahnhofsgebäude war zum großen Teil zerstört, doch der Zugbetrieb musste weiterlaufen und so improvisierten die Einwohner der Stadt so gut es eben ging.
Am Bahnsteig wurde er von einem uniformierten Angehörigen der Militärpolizei empfangen. Auf dem Weg durch den provisorischen Ausgang zum Bahnhofsvorplatz informierte ihn dieser über die Verhältnisse in seinen neuem Einsatzort und brachte ihn in einem klapprigen Geländefahrzeug zur Grazer Burg, in deren historischem Gebäude die britische Militärkommandantur für Graz und das Land Steiermark untergebracht war.
Bei der Fahrt durch die zerbombten Straßen kam in ihm doch so ein bisschen schlechtes Gewissen hoch, doch beim