Reich ins Heim. Hans Pürstner
Читать онлайн книгу.war, nur schwer verstehen konnte.
Auf dem Dorset Coast Path wanderten sie dann eine Weile an den bizarren Klippen entlang, bis sie an eine kleine Bucht kamen, in der sie eine kleine Rast einlegten.
Mrs.Tucker hatte ihnen für das Picknick einige Roastbeefsandwiches garniert mit Branston Pickles eingepackt und eine Thermoskanne mit heißem Tee mitgegeben.
So viel wusste Susanne in der Zwischenzeit, nämlich dass ein Engländer nur äußerst ungern auf seine geliebte Tasse Tee verzichtet. Bei der Ankunft mit der Fähre hatte man sich am Anleger noch über einen total vergammelten Hippie amüsiert, der am Boden herumlungerte, aber dabei eine grazile Tasse mit Goldrand in der Hand hielt und ihren Inhalt hingebungsvoll schlürfte.
Auch Albert liebte seine Cup of tea, während Susanne ihrem großen Braunen, wie man in Graz den mit der Espressomaschine gebrauten Milchkaffee nennt, nachtrauerte.
Obwohl schon Ende Oktober, war das Klima dank des Golfstroms angenehm mild, in Bournemouth waren ja sogar Palmen in den großen Parks gepflanzt, und so blieben die Beiden nach dem Verzehr des Picknicks am Strand liegen und genossen die spätherbstliche Sonne.
Das Rauschen der Brandung tat ein Übriges und bald waren sie so eng aneinander gerückt, dass alles weitere fast von alleine ablief. Albert strich ihr zärtlich durchs Haar, küsste sie erst in den Nacken und dann schon etwas forscher auf den Mund und die Umarmung wäre wohl noch heftiger ausgefallen, wären nicht unterdessen einige andere Spaziergänger näher gekommen. Susanne strich sich schnell ihre nun etwas ramponierte Kleidung glatt und bürstete sich die zerzausten Haare zurecht, während die Urlauber an ihnen vorbeigingen.
Dies hatte sie etwas abrupt auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht und etwas verlegen gingen sie schweigend zum Auto um zurück nach Bournemouth zu fahren.
Im Zimmer von Susanne, in das sie sich heimlich hochgeschlichen hatten wie zwei verliebte Teenager, setzten beide fort, was zuvor so jäh unterbrochen worden war.
Am nächsten Morgen stahl er sich still und heimlich die Treppe runter und kehrte alleine in sein Haus zurück.
Die Leere des Hauses machten Albert unruhig, irgendwie fehlten ihm seine Frau und die beiden Töchter, und daher konnte er die Ungestörtheit, die er sich sonst so oft gewünscht hatte, gar nicht richtig genießen.
So beschloss er, ein Buch zu lesen, Der kleine Prinz von Saint Exuperie, das er vor seiner Reise angefangen hatte.
Da es nirgends zu finden war, kramte er in der Schublade der Nachtkommode von Ann herum, fand auch das kleine Buch, das seine Frau offensichtlich auch gerade zu lesen begonnen hatte. Es steckte nämlich als Lesezeichen ein Briefumschlag auf Seite 47.
Die Zahl 47 weckte in ihm sofort Assoziationen zu seiner Dienstzeit im Jahr 1947 in Graz.
Noch erstaunter war er, dass auf dem Kuvert über der in feinsäuberlicher Schrift geschriebenen Adresse
To Mrs. Ann Worthington,
857 Christchurch Road, Boscombe, Bournemouth, Großbritannien, eine Briefmarke aus Österreich klebte und der Poststempel unzweifelhaft klar machte, dass der Brief aus Graz gekommen war. Und zwar abgeschickt schon vor einigen Wochen, somit aus der Zeit, in der er noch in Graz gewesen war. Da der Brief nicht von ihm stammte, zermarterte er sich den Kopf, wer ihn wohl geschrieben hätte und was da dringestanden haben könnte.
Nach diesem mysteriösen Fund erschien ihm auch das Verhalten von Ann in einem anderen Licht. Bisher hatte er dem keine besondere Bedeutung beigemessen, dass sie sich ihm gegenüber irgendwie anders verhielt als früher.
Das Kosewort Love, mit dem sie sonst jeden an ihn gerichteten Satz beendete, ließ sie immer häufiger weg.
Und auch die obligatorischen Überredungsversuche, sie auf der Fahrt zu ihrer Mutter zu begleiten, waren diesmal überraschenderweise ausgeblieben.
Bis jetzt dachte er immer, das hätte irgendwie mit seinem Unglück in Graz zu tun, und die Mischung aus Erleichterung über den letztendlich glücklichen Ausgang mit der Sorge über möglicherweise noch kommende Probleme würden das veränderte Verhalten von Ann erklären.
Doch nach dem Fund des leeren Briefkuverts war das nun alles etwas Anderes.
Selbst an seinem Arbeitsplatz schien irgendetwas im Busch zu sein. Sein Boss Mister Crocker grüßte ihn etwas weniger freundlich als gewohnt und auch seine Sekretärin Miss Betty, mit der er sonst gerne herumschäkerte schien ihm etwas zu verheimlichen.
9.Kapitel
So vergingen einige Wochen, Ann war inzwischen längst wieder zu Hause, aber ihr eigenartiges Verhalten ihm gegenüber änderte sich nicht.
Bisher hatte er es ja vermieden, jemand gezielt darauf anzusprechen, aber irgendwann hielt er die Ungewissheit nicht mehr länger aus und fragte Miss Betty:
“Habe ich jemand von euch beleidigt, oder was ist sonst passiert, dass plötzlich alle so reserviert mir gegenüber sind?”
“ Mr. Crocker hat einen Brief aus Austria bekommen“ erzählte sie bedrückt, „und auch ein paar Andeutungen gemacht, dass Sie in Zukunft nicht mehr mit der Firma KRU verhandeln sollen und er aufgefordert wurde, einen Kollegen damit zu betrauen. Ich weiß leider auch nicht mehr darüber!” meinte Miss Betty mit bedauerndem Achselzucken.
Sofort stürmte er in das Büro seines Chefs.
“Würden Sie bitte vorher anklopfen, Mister Worthington blaffte Crocker wütend. Früher war er doch immer der Dear Albert gewesen, dachte er, aber entschuldigte sich sofort.
” Ich habe von Gerüchten über meine Ablösung als Exportbeauftragter gehört, Sir, können Sie mir das bitte erklären?”
“ Nun regen Sie sich nicht gleich auf, Dear Albert“
Na, es geht ja doch noch! sinnierte Albert, während sein Boss fortfuhr:
„Ich habe da einen etwas mysteriösen Brief aus Graz bekommen, daraufhin gleich bei Herrn Heller angerufen.
Aber der hat nur etwas verlegen herumgestottert, und etwas von einem wichtigen Kunden erzählt, der behauptete, Sie wären in kriminelle Machenschaften verstrickt. Und das wäre auch der Auslöser für Ihren Unfall gewesen.”
Worthington beschloss, am Abend von zu Hause bei Herrn Heller anzurufen und ihn um Aufklärung zu bitten.
Dort angekommen, wurde er gleich von Ann begrüßt, sie erzählte ihm spitz
”Dein Schützling Susanne Waller hat vorhin angerufen, du sollst dich dringend bei ihr melden!”
Schnell brachte er den Anruf hinter sich, er konnte ja nicht gut in vertrautem Ton mit Susanne sprechen, wenn seine Frau mithörte.
“Es war nichts Besonderes, sie wollte bloß ein schwieriges Wort übersetzt haben“, sagte er beschwichtigend, ob wohl ihm der giftige Blick seiner Frau zeigte, dass sie sich damit keineswegs zufrieden gab.
Da Susanne am Telefon nur in Rätseln gesprochen hatte, nahm er sich vor, sie gleich morgen in der Firma in ihrem Büro zu besuchen.
Am nächsten Morgen passte sie ihn gleich am Eingang ab
“Ich bekomme ein Baby!”, sagte sie, sobald sie sicher war, dass niemand mithörte. In ihrem Gesicht konnte man die Zweifel ablesen, wie Albert diese Nachricht wohl aufnehmen werde.”
Das ist ja wunderbar!”, antwortete Albert, die Miene in seinem Gesicht schien allerdings etwas ganz anderes zu sagen. In seinem Kopf lief schon mal der ganze Film ab, was wohl passieren würde, wenn er diese Nachricht seiner Frau schonend beibrächte. Denn an der Tatsache, dass er der Vater sei, daran schien er gar nicht erst zu zweifeln.
Während er Susanne noch umarmt hielt, arbeitete sein Hirn fieberhaft daran, den genauen Ablauf seiner intimen Stunden mit ihr zu rekapitulieren. Sie waren doch immer geschützt gewesen, nur beim ersten Mal nicht, dem Abend nach dem Strandausflug. Da in den siebziger Jahren beinahe jede