Gefängnistagebuch 1944. Ханс Фаллада

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Gefängnistagebuch 1944 - Ханс Фаллада


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und auf der Nase liegen wird. Recht hatte er ja eigentlich, denn ich würde gleich fallen, aus all meinen schönen Osterfestträumen zum mindesten, aber auf der Nase würde ich deswegen doch nicht liegen! »Der bin ich!« sprach ich, faßte die Hand meines kleinen Sohnes fester und fand diesen ganzen Aufwand angesichts meines friedfertigen Charakters reichlich theatralisch. »Dann kommen Sie mit!« wurde mir barsch gesagt. »Und denken Sie an keinen Fluchtversuch, wir schießen sofort.«

      »Ich darf vielleicht erst unseren Teddy holen?« fragte ich freundlich, und schweigend duldeten es die beiden Finsteren, daß wir den Teddy von seinem Maulwurfshaufen fortnahmen. So marschierten wir durch den aufsteigenden Garten der Villa zu: mein Sohn und ich, zwischen uns den Teddy, und die beiden Braunhemden mit gezückten Pistolen. Ich fand, ich verdarb ihnen ihren theatralischen Aufzug gewaltig, aber sie merkten nicht das Geringste davon, noch nie haben Menschen so wenig Sinn für Humor gehabt wie Herr Hitler und sein gesamter Anhang bis in die fernsten Ausläufer. Ihnen war alles blutiger Ernst, und das ist es ja dann auch bis in den letzten Sinn des Wortes geworden.

      Im Übrigen machte ich mir über diesen Morgenbesuch nicht viel Gedanken. Das war wahrscheinlich wieder einmal eine der jetzt so beliebten Nachsuchen nach Waffen oder kommunistischen Schriften – sie sollten gerne bei mir suchen, ich war sicher, sie würden nichts bei mir finden. (Ich unschuldsvoller Engel ahnte damals noch nicht, daß man sich auch mitbringen kann, was man finden will, ein durchaus sicheres Mittel, Mißliebige unter allen Umständen zu erledigen. Aber bei mir ging es an jenem Tage nicht um solche Dinge. Die Politik war ferne, und die Geldinteressen überwogen, aber das sollte ich noch zu seiner Zeit erfahren!)

      Ich fand das stille Haus am Dorfende in der lebhaftesten Bewegung. Es wimmelte nur so von SA-Leuten, zwanzig, fünfundzwanzig von diesen Herren hatten mich zum mindesten beehrt, unter ihnen auch ein großer Mann mit irgendwelchen Abzeichen in Gold. War es ein Standartenführer? Ein Rottenführer? Ein Scharführer? Ich ahne es nicht, bis heute habe ich mein Hirn noch nicht mit der Erkundung all dieser Uniformspielereien, in denen sich das neue Deutschland seit 1933 ausgetobt hat, belastet. Ich möchte ohne Abzeichen und Ehrenauszeichnungen sterben; wenn ich sehr alt werden sollte, können sie mich am Brandenburger Tor in Berlin ausstellen und anschlagen: »Dies ist der einzige Deutsche, der nie einen Orden oder Ehrenzeichen erhalten hat, der nie einen Rang oder Titel erworben, der nie einen Preis erhielt und nie einem Verein angehörte.« In diesem Punkte bin ich bestimmt sehr undeutsch.

      Also ein höherer SA-Führer war auch aktiv, was aber meinem Herzen wohl tat, es war auch ein braver Landjäger dabei, in der vertrauten grünen Uniform und mit einem Tschako. Es war nämlich damals kürzlich eine Verordnung des Herrn Göring herausgekommen, daß Haussuchungen und Verhaftungen von nun an nicht mehr von Gliederungen der Partei allein vorgenommen werden durften, sondern daß stets ein Beamter der Polizei dabei sein mußte. Die Übergriffe und Brutalitäten nämlich, die sich die Herren von der Partei Gegnern gegenüber erlaubt hatten, waren wie Gestank zum Himmel emporgestiegen, und zu jener ersten Zeit waren sogar manche Parteinasen noch empfindlich gegen allzu argen Gestank. Diese Empfindlichkeit gab sich allerdings rasch. Die Herrschaften sahen bald ein, daß sie sich dem deutschen Volk gegenüber einfach alles erlauben konnten, es war eben schon gar zu geduldig!

      Der Anblick eines Gendarmen gab mir also – in Erinnerung jener Verordnung – ein gewisses Gefühl der Sicherheit: es würde doch wenigstens einigermaßen »legal« zugehen. (Binnen jetzt und zwei Stunden würde ich erfahren, wie es mit dieser »Legalität« aussah.) Der Gendarm sagte zu mir ganz höflich: »Wir müssen eine Haussuchung bei Ihnen abhalten, Herr Fallada, es liegt eine Anzeige gegen Sie vor. Geben Sie mir Ihre Schlüssel!«

      »Bitte sehr!« antwortete ich und gab sie ihm. Ich war beruhigt über den höflichen Ton, hütete mich aber, nach dem Inhalt der Anzeige zu fragen. »Wer viel fragt, bekommt viel Antwort« oder gar keine, und das gilt besonders in dem Umgang mit Gerichtspersonen und allem, was mit ihnen zusammenhängt.

      Wir gingen in das Haus hinein, ein stattlicher Aufmarsch, mein kleiner Sohn, der mucksmäuschenstill mit großen blauen Augen allen Vorgängen gefolgt war, und der Teddy noch immer an meiner Hand.

      Einen Augenblick sah im Erdgeschoß Frau Sponar aus einer Tür hinaus, die Augen dieser bösen Frau glühten, ich hatte ein ungemütliches Gefühl, als sie mich so ansah. Und mit diesem Gefühl hatte ich, ohne es noch zu wissen, recht: sie glaubte, mich zum letzten Mal in ihrem Leben zu sehen. Wir stiegen die Treppe hinauf, und in der Küche sah ich meine Frau wirtschaften, sie war ein wenig bleich, aber das Geschirr, mit dem sie wirtschaftete, klirrte nicht. Ich schickte ihr den Jungen hinein, der Gendarm sagte: »Es ist Ihnen verboten, mit Ihrer Frau oder sonst irgend jemandem vorläufig in Verbindung zu treten.« Ich neigte den Kopf. »Und nun zeigen Sie uns zuerst, wo Sie Ihre Briefschaften aufbewahren!« Ich tat es.

      Ich bin immer stolz auf die Ordnung gewesen, in der ich meine Privat-Angelegenheiten gehalten habe, meine doppelte Buchführung würde keinem bilanzsicheren Buchhalter zu Schande gereichen, und meine Korrespondenz ist schön übersichtlich alphabetisch nach Empfängern in Ordnern gesammelt. Ich schloß den Schrank mit ihr auf. Die erste Mappe, die sie herausnahmen, war nicht die mit dem A, sondern die mit dem S. ›Aha!‹ dachte ich. ›Dieser Besuch in der Morgenstunde hängt mit Herrn von Salomon zusammen! Wer weiß, was dieser Abenteurer mit dem so kommunistischen Bruder wieder ausgefressen hat, und mich bringt er dadurch auch ins Gedränge!‹

      Aber sie fanden nicht einen Brief von oder an Herrn von Salomon, der war nur eine Plauderbekanntschaft.

      Aber das entmutigte sie nicht, wenn es sie im ersten Augenblick auch enttäuschte. Sie gingen Mappe für Mappe durch, und als sie damit fertig waren, nahmen sie meine Bücher vor. Jedes Buch wurde gründlich durchgeschüttelt, sehr zum Schaden der Bucheinbände. Da ich damals noch nicht sehr viele aber doch schon eine ganze Reihe von Büchern hatte, dauerte das eine ganze Weile. Ab und zu liefen sie zu ihrem goldgeschmückten Führer und zeigten ihm ein Buch, das ihnen besonders auffiel, etwa das Erinnerungsbuch von Max Hölz: »Vom weißen Kreuz zur roten Fahne« oder Marx’ »Kapital« oder das Heft »Radikaler Geist«. Aber der Führer schüttelte den Kopf: solche Kleinigkeiten interessierten ihn nicht, es ging ihm um Größeres. Mit Recht nahm ich das für ein schlechtes Zeichen – dieser verdammte Herr von Salomon, sicher hatte er wieder irgendeinen kleinen Putsch in Vorbereitung, war überwacht gewesen und so sein Besuch bei mir entdeckt worden. Nun, immerhin, bei mir würden sie nichts finden! Übrigens beteiligte sich der Gendarm nicht an dieser Haussuchung, er sah nur, ziemlich gelangweilt, zu und ließ die Braunhemden allein toben. Als einziges Ergebnis der einstündigen Untersuchung legten sie mir schließlich einen Zettel vor, den sie in meiner Arbeitsmappe zum »Blechnapf« gefunden hatten. Auf dem Zettel stand neben einer kleinen Zeichnung das Wort »Maschinengewehr«.

      »Was haben Sie mit einem Maschinengewehr zu tun?« wurde ich gefragt. »Und was soll diese Zeichnung bedeuten?« Alle hatten sich um mich versammelt und hörten gespannt zu. Auf ihren Gesichtern lag Schadenfreude und Neugier, sie glaubten schon, sie hätten mich. »Meine Herren«, sagte ich lächelnd, »ich arbeite, wie Sie aus der Manuskriptmappe da sehen können, an einem Roman über das Schicksal der Strafgefangenen. Dafür habe ich manches Material über das Leben in den Gefängnissen gesammelt. Dazu gehört auch dieses ›Maschinengewehr‹. Dieses Maschinengewehr ist gar kein Maschinengewehr, sondern es sind, wie Sie aus der Zeichnung sehen können, acht Gefangene, die einen neunten, der sich etwa durch Klauerei mißliebig gemacht hat, in eine Decke gehüllt haben und nun auf eine besondere Art verprügeln wollen. So etwas nennt man im Kittchen Maschinengewehr …« Ich sah sie strahlend an. Aber ich begegnete in ihren Gesichtern nur offenem Unglauben, und ihr Führer fuhr mich wütend an: »Das sind ja alles faule Ausreden! Mit solchen Lügen können Sie uns doch nicht dumm machen! Gestehen Sie auf der Stelle, wo Sie das Maschinengewehr vergraben haben, oder ich ziehe andere Saiten auf. Ich fange mit Ihnen das Schwerste an, Mann!« Er sah mich drohend an. Mir fiel schwer auf ’s Herz, daß ich kein Beweismittel mehr besaß, wenn diese Herren nicht glauben wollten. Ich war ganz in ihre Hand gegeben, meine Unschuld interessierte sie nicht, da sie mich für schuldig halten wollten. In diesem Augenblick der Not kam nun Hilfe von da, wo ich sie am wenigsten erwartet hätte: von einem derben, schlägerhaft aussehenden Mann im brauen Hemd. »Doch«, rief er. »Das stimmt. Wir haben selber mal einen im Schlafsaal so vertrimmt, da sagten wir auch


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