100% Down Under. Wolf Stein

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100% Down Under - Wolf Stein


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Position. Dann hieß es: Abwarten! Nach einer Viertelstunde paddelten wir die Fangkörbe ab, zogen sie hoch und kontrollierten sie auf Beute. Aber nichts, kein einziger Yabbie hatte angebissen. Das sollte auch so bleiben. Ohne Fangerfolg traten wir die Rückfahrt an. Nichtsdestotrotz war es ein Abenteuer und wir hatten wieder etwas gelernt.

      Zum Abschied schenkte Bill Anne eine Tasse mit dem Wappen von Charters Towers. Wir drückten uns, knipsten ein Foto und schon waren wir weg. Bill Hunter fand wieder seinen Seelenfrieden. Zwei Tage lang hatten wir uns an seine Fersen gehängt, das reichte.

      Von jetzt an konnten wir uns vor Kängurus nicht mehr retten. Leider sahen wir fast mehr tote als lebendige Tiere. An den Rändern des Flinders Highway, der uns weiter nach Westen brachte, steigerte sich die Zahl der überfahrenen Hüpfer von Kilometer zu Kilometer. Den Grund dafür lernten wir schnell kennen: die Road Trains! Man hatte Anne und mir bereits von den riesigen australischen Straßenzügen erzählt. Auch die Warnschilder am Highway ließen nichts Gutes ahnen: Achtung! Road Trains! Maximale Länge 50 Meter! Vorsicht beim Überholen!

      Junge, Junge! Das nenne ich einen langen LKW! Wer sich mit dem anlegt, zieht hundertprozentig den Kürzeren - wie die Kängurus. Die Beuteltiere können mit asphaltierten Straßen nicht viel anfangen. Durch die Sonnenspiegelung denken sie: »Oh Wasser, da muss ich hin!«, und springen auf die Straße. Die meisten Unfälle passieren jedoch, wenn es dunkel ist. Kängurus sind nachtaktiv. Deshalb hatte man uns geraten, nach Sonnenuntergang niemals weiterzufahren. Ein Zusammenstoß mit einem ausgewachsenen Männchen kann Kleinholz aus einem PKW und dessen Insassen machen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Fluchtweg eines Kängurus absolut unberechenbar ist. Die Tiere stehen da, gucken hoch und springen manchmal früher, manchmal später in irgendeine nicht vorhersehbare Richtung - nach hinten, nach vorne, zur Seite oder eben direkt vor das Auto. Den Road Trains ist das egal. Bei bis zu fünf Anhängern im Schlepptau ist plötzliches Abbremsen riskant und die Strecke bis zum Stillstand lang. Der äußerst stabile Rammbock am Fahrerhaus putzt deshalb alles weg, was ihm in den Weg kommt. Stabile Gitter vor der Frontscheibe schützen den Fahrer zudem vor den eventuell herumfliegenden Überbleibseln eines Zusammenstoßes.

      Die erste Begegnung mit solch einem Monster ließ nicht lange auf sich warten. Es hätte keine bessere Stelle für ein Zusammentreffen mit einem Road Train geben können. Wir befanden uns auf dem Flinders Highway. Dieser wird auf einigen Abschnitten sehr schmal. Für ein Auto und einen LKW nebeneinander gibt es dann nicht mehr genügend Platz. An den Asphalt grenzen breite Streifen des berühmten roten australischen Sandes. Obgleich das Wort Staub in diesem Fall besser passt. Wir fuhren selbstverständlich direkt in der Mitte des Highways, was normal kein Problem darstellt, da es unendlich geradeaus geht. Am Tag kamen uns so wenige Autos entgegen, dass wir sie an einer Hand abzählen konnten. Plötzlich zeichnete sich weit vor uns ein merkwürdiger Schatten auf dem spiegelnden Asphalt ab. Wir dachten erst, es handele sich um eine Fata Morgana. Je näher und schneller das unbekannte Ding angerast kam, desto klarer wurde uns: »Ahhhh! Hilfe, ein Road Train!!!«

      Panik machte sich breit. Anne sah mich an, ich sah Anne an.

      »Das war‘s mit uns und unserem Falcon!« dachte ich.

      Der Straßenzug wurde größer und größer, breiter und breiter, länger und länger und machte nicht die geringsten Anstalten, auch nur einen Zentimeter nach rechts zu fahren. An den Linksverkehr in Down Under hatte ich mich schnell gewöhnt, doch das, was hier auf uns zukam, beschrieb ein anderes Kapitel. Es nutzte nichts, kurz vor dem Zusammenstoß riss ich das Lenkrad um und wir rauschten geradewegs in den roten Staub. Der Himmel verdunkelte sich. Es wurde Nacht im Auto. Als sich die Wolken legten, sahen wir uns erneut an und lachten laut los. Von nun an stoppte ich immer rechtzeitig oder fuhr langsam am Rand entlang, wenn uns einer der Kängurukiller entgegenkam.

      Die kleine Stadt Hughenden lag zirka dreihundert Kilometer von Charters Towers entfernt. Hier besuchte ich mit Anne einen Sportladen und kaufte mir eine Angel. Damit hoffte ich, in Zukunft Fisch vom Feinsten auf unsere Teller zu bringen. Die neu erworbene Rute kam auch gleich am nächsten Tag zum Einsatz. Nachdem uns bereits ein apokalyptisch feuerroter Sonnenuntergang zur Porcupine Gorge begleitet hatte, begrüßte uns der nächste Morgen ebenfalls mit allem, was die Sonne zu bieten hat. Wir schnappten unsere Wasserflaschen und wanderten los in die Stachelschwein-Schlucht, was Porcupine Gorge bedeutet. Ich lief die meiste Zeit mit freiem Oberkörper, kurzer Hose und Sandalen durch die Gegend. Schließlich waren wir in der Natur. Auf dem Weg hinunter trafen wir einen Mann, der bestens ausgerüstet schien, mit allem Pipapo - einem großem Hut, zwei Wasserflaschen, dicken Schuhen, Schuhüberzieher, damit kein Dreck von hinten in die Hacken fallen konnte, Kompass, Wanderstock und was weiß ich noch alles. Dafür sah er aus wie eine frisch gepinselte weiße Wand. Nicht ein Hauch von Farbpigmenten auf seiner Haut. Wir dagegen waren nahtlos braungebrannt - nicht überall, aber fast überall. Der fremde Wanderer ermahnte mich, dass man so in Australien nicht rumlaufe. Ich sei verrückt. Die Sonne kann tödlich sein. Ehe ich mich versehe, hätte ich Schultern aus Leder. Überhaupt trage man zum Schutz einen Hut. Meine Füße würden ebenfalls verbrennen. Ich bräuchte dringend richtige Schuhe ...

      Ich sage es mal so: Übertreiben kann man es auch. Jemand, der sein Leben scheinbar mehrheitlich im Keller verbracht hatte, brauchte mir Naturburschen doch nicht vorzuschreiben, wie ich durch den australischen Busch zu wandern habe! Ich kann sehr gut selbst einschätzen, wie lange mein Körper die Sonne aushält. Während der ganzen Zeit in Australien hatte ich keinen Sonnenbrand. Na gut, ich will ehrlich sein, einmal hat es mich erwischt, aber da bin ich am Strand unter widrigen Umständen eingeschlafen. Mehr dazu später.

      Anne schien die Standpauke zu gefallen. Welche Gedanken wohl gerade durch ihren Kopf geisterten?

      »Mach dir um mich keine Sorgen«, antwortete ich dem Wandersmann und wir marschierten weiter.

      Unten angekommen, bot sich uns eine breite Schlucht mit eigenartigen Steinformationen. Eine große pyramidenförmige Wand aus gelbrotem Fels schob sich am Ende des ausgetrockneten Flusslaufes in die Höhe. Wir liefen umher und nahmen alles genau unter die Lupe. Am Fuße der Pyramide hatte trotz der Trockenheit ein kleiner See überlebt. In ihm wimmelten hungrige Fische nur so vor sich hin.

      Mit großen Augen sagte ich: »Anne, ich hole sofort meine Angel.«

      Gesagt, getan! Der lange Aufstieg zum Auto dauerte etwas. Oben zog ich mir ein T-Shirt über, holte mein Angelzeug aus dem Wagen und schon ging es den ganzen Weg wieder hinab. Anne sonnte sich derweil auf einem Stein. Doch was wollte ich als Köder für die Fische benutzen? Diese Frage schien sich von selbst zu beantworten. Kurz bevor ich unten ankam, sprang vor mir eine Heuschrecke auf, flog fünf Meter und landete in einem Busch. Von Bill hatte ich den Tipp bekommen, zum Angeln nur Insekten, kleine Frösche oder sogar Früchte als Köder zu benutzen, das sei am besten. Was die Natur hergibt, fressen auch die Fische.

      »Mit Fröschen zu angeln, ist aber strengstens verboten, da sie unter Naturschutz stehen«, meinte Bill noch.

      Doch gegen Plagegeister wie Heuschrecken war nichts einzuwenden. Die Jagd begann. Ich schlich los, dem Insekt entgegen. Ich öffnete die Hand und war gerade am Ausholen, da flog das Biest zehn Meter weiter. Der nächste Versuch. Mist! Wieder zu spät. So konnte das nichts werden. Da kam mir eine Idee. Ich zog mein T-Shirt aus, hielt es zusammengeknüllt in der Hand, pirschte mich erneut an mein Opfer heran und zack, nach einem kurzen Flug entfaltete sich mein Stück Stoff direkt über der Heuschrecke. Die war bereits wieder drauf und dran loszufliegen, doch die Falle schnappte zu. Nun hatte ich also einen Köder. Mal sehen, was die Fische dazu sagen würden.

      Anne interessierten meine Versuche, ein leckeres Abendessen für uns an Land zu ziehen, reichlich wenig. Sie genoss ihre Ruhe. Ich hockte derweil an einem kleinen Steilhang über dem Wasserloch. Meine Beute konnte ich von hier oben wunderbar beobachten. Viele kleine, aber auch einige große Fische schwammen entspannt am Fels entlang. Ihr Futter hing am Haken. Ich ließ die Heuschrecke ins Wasser fallen. Von nun an konnte es sich nur noch um Sekunden handeln, bis ein großer Raubfisch aus seinem Versteck hervorschießen und den Leckerbissen mit einem Happs verschlingen würde. Aber Fehlanzeige! Die kleinen Fische stürzten gleich drauf los und fingen zu knabbern an. Das störte jedoch nicht mal die Heuschrecke selbst, da die winzigen Mäuler keinen großen Schaden anrichten konnten. Die


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