100% Down Under. Wolf Stein

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100% Down Under - Wolf Stein


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zu Fuß und mittels Bus durchzuschlagen, doch das war uns bald zu nervig. Wir mussten ewig auf die Ankunft der Busse warten. Deshalb holten wir uns ein kleines Elektroauto, mit dem wir die gesamte Insel erkundeten. Auch Anne zog es ans Steuer. Sie wollte ein bisschen Fahrpraxis erhaschen. Sie besaß zwar einen Führerschein, verfügte aber weder über ein eigenes Auto noch über allzu große Erfahrung hinter dem Lenkrad. So kurvte sie auf abgelegenen Straßen bei bestem Wetter freudig umher. Ging es jedoch wieder auf die Hauptstraße, übernahm ich das Steuer.

      Im Hostel verbrachten wir kaum Zeit. Dafür gab es auch keinen Grund. Angeblich sollte man auf der Insel Koalabären sehen können. Wir entdeckten keinen einzigen. Bevor unser kurzer Inselaufenthalt ein Ende nahm, brachten wir den Tropical-Topless-Flitzer unversehrt zurück und setzten am späten Nachmittag nach Townsville über.

      Ich versuchte erneut, Bill zu erreichen. Erneut hatte ich kein Glück. Davon ließ ich mich nicht entmutigen.

      »Der wird schon da sein, wenn wir kommen«, meinte ich.

      Wir schliefen im Falcon ganz oben auf dem Castle Hill. Das durfte man offiziell nicht. Wir taten es trotzdem. Viele andere auch. Sahen wir aus dem Heckfenster unseres Fords, hatten wir direkte Sicht auf die hell erleuchtete Stadt. Ein Schlafplatz mit Ausblick.

      Nun ließen Anne und ich das Meer hinter uns. Aber nicht ohne zwei nigelnagelneue Stubby Holder, die wir uns vor Überquerung der Stadtgrenze in einem Supermarkt besorgten. Damit war unsere Outbackausrüstung perfekt. Je weiter wir uns von der Küste entfernten, desto trockener wurde die Landschaft. Wir fuhren durch bis Charters Towers.

      »Sieht aus wie ne alte Westernstadt«, sagte Anne.

      Im historisch anmutenden Informationsgebäude fragten wir die Dame hinter dem Schalter, wo die Wheelers Road sei. Diese mussten wir finden, um zu Bill zu gelangen. Nach gründlicher Suche und dem Wälzen mehrerer Stadtkarten hatten wir die richtige Richtung. Die lag etwas außerhalb am Stadtrand von Charters Towers - eine staubige Piste, die in die endlose Prärie zu führen schien. Riesige abgezäunte Grundstücke erstreckten sich zur linken und zur rechten Seite. Auf den meisten gab es nicht viel mehr als ein paar Bäume, vereinzelte Kühe oder Schafe zu sehen. Die Strecke zog sich hin. Von der Bill Hunter Road gab es keine Spur. Wir waren am Verzweifeln. Hatte Bill uns angeflunkert? Gab es gar keine Straße mit seinem Namen? Ich kontrollierte nochmals den roten Zettel mit der Adresse.

      »Hm, hier steht nur Wheelers Road und wenn ich mich richtig erinnere, sagte Bill damals zu mir, dann rechts in die Bill Hunter Road.«

      Es nutzte nichts, ehe wir weiter ins Ungewisse fahren würden, entschieden wir, umzukehren und am nächstbesten Haus zu klingeln. Dieses stand erst wieder kurz vor Charters Towers - was für eine Fahrerei. Wir waren bedient. Leicht genervte Stimmung verbreitete sich im Auto. Vor einem Haus, aus dem laute Musik dröhnte, hielten wir an. Ein respekteinflößender Hund bewachte das Grundstück. Ich hupte mehrmals. Die Musik übertönte alles. Nach einigen Minuten blinzelte endlich jemand hinter dem Fenster hervor und kam raus.

      »Hi, I’m Wolf, this is Anne«, sagte ich dem kräftigen Typen.

      »Wir suchen nach Bill Hunter. Wohnt der hier irgendwo?«

      »Na klar, der alte Bill …«, antwortete der Muskelprotz, »... ich bin über sieben Ecken mit ihm verwandt. Ihr müsst die Wheelers Road hoch fahren, bis eine große Senke kommt. Und dann rechts rein in die Dunroamin Road. Die führt euch direkt zur Bill Hunter Road.«

      »Moment«, sagte ich zu mir selbst, »Dunroamin Road hast du doch schon mal gehört!«

      Hatte Bill das nicht mit auf den roten Zettel geschrieben? Ich drehte das Papier um. Und da stand es. Nein, wie kann man nur so blöd sein? Ich hätte mir einfach nur die Rückseite ansehen müssen und die Suche wäre wesentlich erfolgreicher verlaufen. Ich schlug mir vor den Kopf. Warum war ich nicht eher auf die Idee gekommen, das wegweisende Dokument zu wenden. Nun war ich natürlich der Buhmann.

      »Mann, bist du doof!« kam von der Beifahrerseite.

      So ein Ärger. Und das nur, weil ich nicht von A bis B denken konnte.

      Diesmal bogen wir also nach rechts in die Dunroamin Road ein und siehe da, es gab tatsächlich auch eine Bill Hunter Road.

      »Hoffentlich ist er da«, meinte Anne.

      Langsam rollten wir auf Bills Grund und Boden. Zuerst begrüßten uns seine beiden schwarzen Hunde. Vom Bellen aufgescheucht guckte Bill ungläubig hinter dem Haus hervor.

      »Wer kommt denn da so unangemeldet und will mir auf den Geist gehen?« dachte er bestimmt.

      Als er uns erkannte, verschwand das Fragezeichen in seinem Gesicht und machte einem freundlichen Lächeln Platz. Da waren wir nun also, zu Hause beim alten Bill Hunter!

      »Mensch, das ist ja ein Ding, dass ihr mich besucht. Ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr.«

      Er bat uns herein und zeigte uns seine Hütte. Bills Reich glich einer kleinen Farm, sehr ländlich, der nächste Nachbar so weit entfernt, dass wir ihn nur erahnen konnten. Er lebte allein. Seine Frau war schon seit Jahren tot. Bill wollte nur noch seine Ruhe. Und die hatte der alte Mann - zusammen mit den beiden Hunden, jeder Menge Federvieh, unzähligen Zierfischen, mit deren Zucht und Verkauf er sich über Wasser hielt, und mit den niedlichen Welpen.

      Ach ja, richtig, die gab es ja auch noch! Aber nanu - eins, zwei ...?

      »Waren das nicht drei Hundebabys?« fragten wir.

      »Ja schon, aber eins habe ich leider mit dem Jeep plattgefahren«, erwiderte Bill mit leichtem Schulterzucken. »Kann passieren.«

      Einfache Verhältnisse herrschten hier draußen. Alles schien darauf ausgerichtet, genug Wasser zum Überleben speichern zu können. Um das Haus herum gab es mehrere Dämme beziehungsweise Wasserlöcher, mit deren Hilfe Bill so viel wie möglich des kostbaren Gutes einzufangen versuchte. Die längste Zeit des Jahres regierte die Trockenheit. Regen fiel nur selten. Darum waren die Dämme die einzige Möglichkeit, das ganze Jahr über an Wasser zu gelangen. Für dessen Transport diente ein Provisorium aus Schläuchen. An gut verlegte Wasserleitungen war nicht zu denken.

      Wir merkten Bill an, dass er sich Mühe gab, ein guter Gastgeber zu sein, was ihm auch gelang. Damit keine Langeweile aufkommen konnte, zeigte er uns, wie man mit Pfeil und Bogen schießt. Bill Hunter machte seinem Namen alle Ehre. Hunter heißt auf Deutsch Jäger. Und Bill war sowohl ein professioneller Bogenschütze als auch Mitglied im hiesigen Jagdverein. Wir schossen auf falsche Hasen, die auf große runde Zielscheiben gemalt wurden. Ist gar nicht so einfach, mit einem Pfeil über zwanzig Meter weit zu schießen und ein grob gezeichnetes Langohr zu treffen. Einen ganzen Meter daneben zu zielen, das gelang uns ohne Schwierigkeiten. Doch Übung macht den Meister. Und schließlich durchbohrte eine von mir und auch eine von Anne abgefeuerte Pfeilspitze punktgenau die Zielscheibe. Beim Loslassen der gespannten Sehne mussten wir auf unseren linken Unterarm aufpassen. Hielt man den Bogen falsch, konnte es passieren, dass die nach vorn schießende Bogenbespannung die Haut striff. Das war sehr unangenehm und bescherte Anne einen blauen Fleck, der noch heute seinesgleichen sucht. Auch mein Unterarm brannte. Trotzdem hatten wir Spaß.

      Nach dem Abendbrot rief Bill zu einer Partie Dart auf. Dart hatte ich lange nicht gespielt. Wieder flogen die Pfeile, doch diesmal etwas kontrollierter. Anne sah dem Treiben zunächst nur zu, spielte letzten Endes aber mit. Der alte Hunter war bei weitem der Beste. Er gewann fast jede Runde. Vor dem Schlafengehen kürten wir ihn zum unangefochtenen Turniersieger.

      Helligkeit durchbrach das Fenster. In einem großen Gästebett hatten wir sehr gut geschlafen. Der Burdekin River stand auf dem Programm. Bill wollte mit uns Krebse fangen. Wir hievten sein Kanu auf den Transporter und fuhren zum Fluss. Die Fahrt ging mitten durchs Gelände und dauerte einige Zeit. Ab und zu hoppelten Kängurus über den Weg. Das war vielleicht eine Attraktion. Unsere ersten Kängurus in freier Wildbahn. Toll! Bill konnte unserer Freude nicht viel abgewinnen. Er sah Kängurus als eine Plage an.

      Der Burdekin River war wesentlich breiter, als ich dachte, ein beachtlicher Strom. Jetzt mussten wir nur noch das Boot startklar machen, die Fangkörbe verstauen und rauf aufs Wasser.

      Wir


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