Auf fremden Pfaden. Karl May

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Auf fremden Pfaden - Karl May


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er diese gefährlichen Instrumente auch zu gebrauchen verstehe, hatte ich noch nicht in Erfahrung bringen können.

      Ich selbst ritt einen guten Engländer, für ihn aber hatte ich nur eines jener massigen Brabanter Ungetüme auftreiben können, wie sie die Kanonen Napoleons des Ersten von Schlachtfeld zu Schlachtfeld schleppten. Es hatte wahrhaft elefantenmäßige Formen und einen Gang, welcher es allerdings höchst notwendig machte, daß der auf dem breiten Rücken hockende Quimbo sich nur in den dringendsten Fällen der Zügel bediente und es lieber vorzog, sich mit beiden Händen an die Mähne des Tieres festzukrallen.

      Jetzt ritt er zu meiner Linken und machte in seinem Kauderwelsch die größten Anstrengungen, mich über die politischen Verhältnisse des Landes aufzuklären.

      »Hab' Mynheer schon 'sehn Sikukuni, der groß' König von Kaffern?«

      »Nein. Hast du ihn gesehen?«

      »Quimbo hab' nicht' sehn Sikukuni; Quimbo bin gut Holland, bin gut Basuto, bin schlecht Zulu. Aber Quimbo hab' 'hört von Sikukuni, Quimbo will nicht sehn Sikukuni.«

      »So fürchtest du dich vor ihm?«

      Der brave Kaffer riß den Mund auf, daß ich ihm beinahe bis hinunter in den Magen blicken konnte, und drehte mir ein Paar Augen, als wolle er mich mit seinem Blick wie mit Dynamit in die Luft sprengen.

      »Was hab' Mynheer' sagt? Quimbo bin furchtbar vor Sikukuni? Mynheer kenn nicht Quimbo; Quimbo bin Mut, Quimbo bin Kraft, Quimbo freß Sikukuni. Aber Sikukuni hab' viel Zulu, und Zulu hab' viel Irua und hab' viel Flint'. England geb' Zulu Flint' und Pulv', daß Zulu mach' tot Holland. Aber Quimbo hab' nicht Flint' und Pulv'; er kann nicht schieß' Zulu.«

      »Aber wir reiten ja jetzt nach dem Quathlambagebirge und werden dann in das Land der Zulus kommen! Wenn du nun erschossen wirst!«

      »Mynheer hab' Flint' und Pulv'; Mynheer werd' schieß tot Sikukuni und Zulu; Quimbo hab' lieb Mynheer; Mynheer geb' Quimbo Tabak, und Quimbo geb' Mynheer dafür Seele und Leib!«

      Diese Liebeserklärung war von einer so inbrünstigen Gestikulation begleitet, daß der zärtliche Kaffer das Gleichgewicht verlor und kaum noch Zeit fand, die Mähne des Pferdes wieder zu erfassen, um sich auf dessen Rücken zurückzuzerren.

      »Ist Sikukuni wirklich so bös?« fragte ich.

      »Sikukuni hab' tot schlag' weiß' Mann, weiß' Frau, weiß' Kind und hab' tot schlag' Basuto; Sikukuni trink' Blut und tanz', wenn schlag' tot viel weiß' Mann, Frau und Kind. Sikukuni hab' schlag' tot Boer am Blau-Kranz-Spruit; ist Sikukuni gut?«

      Der Kaffer hatte recht. Ich mußte an die fürchterliche Metzelei am Blesboks-Fluß denken, wo Sikukuni über sechshundert Holländer und Hottentotten treulos hingeschlachtet hatte, und an die Grausamkeit, mit weicher er bei Feierlichkeiten seine Gefangenen oder, in Ermangelung solcher, ganze Scharen seiner eigenen Leute auf die qualvollste Weise abwürgen ließ. Hatte doch sein Verwandter, der friedliebende und den Holländern freundlich gesinnte Somi, sich einem solchen Tode nur durch die schleunigste Flucht entziehen können und dabei erfahren, daß sein Weib mit dem einzigen Kinde, welches er besaß und die er vorausgesandt hatte, in der Kalahari elend verschmachtet waren. Sikukunis Befehle rochen nach Blut, seine Fußstapfen rauchten von Blut, und nach blutiger Rache schrien die unzähligen Opfer, welche seiner Mordlust gefallen waren. Die eiserne Strenge, mit welcher er regierte, hielt seine Scharen zusammen, aber man wußte es wohl, daß sie sich nach einem andern Führer sehnten und es im stillen bedauerten, den Aufenthalt Somis nicht erfahren zu können.

      »Nein; Sikukuni ist nicht gut; aber die Strafe wird ihn ereilen, und er wird nicht lange mehr Häuptling der Zulus sein.«

      »Sikukuni schlägt – – oh, oh, Mynheer,« unterbrach er sich, »Quimbo seh' Mann dort an Berg; Mann reit' auch auf Pferd wie Quimbo und Mynheer!«

      Er deutete mit der einen Hand vorwärts, wo allerdings in einiger Entfernung vor uns ein Reiter sichtbar war, welcher in einem stumpfen Winkel mit uns auf die Berge zugehalten hatte, so daß er uns bisher entgangen war.

      »Ein Boer oder ein Engländer,« meinte ich. »Vorwärts, Quimbo; wir müssen ihn einholen!«

      Ich ließ meinem Fuchse die Sporen fühlen, und sofort setzte er sich in Trab. Der Brabanter versuchte, es ihm gleichzuthun, warf aber den fetten Rücken so herüber und hinüber, daß der Kaffer in die größte Bedrängnis kam, Schiffbruch zu leiden.

      »Oh, oh, Mynheer!« brüllte er; »Pferd lauf' viel schnell; Quimbo verlier' Arm, Quimbo verlier' Bein; Quimbo verlier' Quimbo und Pferd! Wo werd sein Quimbo, wenn Mynheer such' Quimbo!«

      Die kleine Reitlektion konnte ihm nur Nutzen bringen; daher verminderte ich die Schnelligkeit des Rittes nicht im mindesten, wogegen auch er in gleichem Fortissimo fortbrüllte, Grund genug, mich nicht zu verwundern, daß der fremde Reitersmann auf uns aufmerksam wurde, noch lange bevor wir ihn erreichten. Er wandte sich um und erwartete uns.

      Auch er ritt einen Engländer, doch war es augenscheinlich, daß dieser eine bei weitem größere Last zu tragen hatte, als der meinige, denn der Mann war von außerordentlich breiter, gewichtiger Figur und einem Gliederbau, von welchem man ganz bedeutende Kraftäußerungen erwarten konnte. Das breite Gesicht hatte trotz seiner Gutmütigkeit einen höchst selbstbewußten Ausdruck, und das scharfe Auge, welches wißbegierig auf mir ruhte, konnte wohl bedeutend finsterer blicken als jetzt, wo er die Hand zum Gruße erhob, um mir auf den meinigen zu danken.

      »Woher?« klang es kurz, aber nicht unfreundlich.

      »Seit gestern früh da drüben von Willem Larssen her.«

      »Willem Larssen? Ein guter Neederlandsmann! Und wohin, Mynheer?«

      »Ein wenig über die Randberge hinüber.«

      »Was wollt Ihr dort?«

      Der Mann fragte mehr, als eigentlich die Höflichkeit gestatten sollte, doch zeigte seine Miene dabei einen gewissen Ausdruck des Wohlwollens, welcher mich ruhig antworten ließ:

      »Will das Land kennen lernen, Mynheer, weiter nichts.«

      Da legte er die Hand bedächtig an das Kinn, sein Auge schien sich zu verfinstern, und strenger klang die Frage:

      »Das Land wollt Ihr kennen lernen, Mynheer? So, so! Es giebt jetzt gar viele Leute, welche das Land da unten kennen lernen wollen, und doch werden sie nichts kennen lernen, als dieses da!«

      Er schlug dabei mit der Faust auf den Kolben seines Roer, welches er über den Rücken hangen hatte. Er war ein Niederländer; das verstand sich ganz von selbst.

      »Das meine ich auch, Mynheer,« antwortete ich. »Es ist fürwahr kein gutes Geschäft, Mann gegen Mann zu hetzen, um, wenn sie sich töten, die doppelte Erbschaft einzustreichen!«

      Sofort wurde beides, sein Auge und sein Ton, wieder milder.

      »So seid Ihr kein Engländer, den man Sir zu nennen hat?«

      »Nein; ich bin ein Deutscher, da aus dem Sachsen her, und denke, daß wir mit den Holländern von den gleichen germanischen Eltern abstammen.«

      »Recht so! Es giebt eine ganze Zahl Deutscher hier zu Lande, und sie alle halten es mit uns. Seid mir also willkommen!«

      Er reichte mir die Rechte zum kräftigen Handschlage entgegen und warf dann mit lächelnder Miene einen Blick auf meinen Begleiter.

      »Euer Diener?«

      »Diener, Führer und Dolmetscher, Mynheer; ein Wunder- und Prachtkerl, wie Ihr dergleichen lange suchen könnt.«

      »Wird sich jetzt im Hintertreffen halten können, Mynheer, denn wenn Ihr es mir erlaubt, werde ich einmal Euer Führer sein. Ihr haltet doch auf den Bezuidenhout-Paß zu?«

      »Allerdings.«

      »Das ist auch mein Weg, und wenn es Euch recht ist, so bleiben wir für jetzt zusammen. Ich heiße Kees Uys.«

      Ich blickte ihn höchst überrascht an, denn diese Bekanntschaft war eine sehr ehrenvolle für mich. Das also war der Sohn des berühmten


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