Seefahrt Aspekte. Wolfgang Schwerdt
Читать онлайн книгу.die sich sowohl auf regionale Besonderheiten, als auch auf die Vermischung unterschiedlicher Bootsbautraditionen zurückführen lassen. Unterschiede gab es daher auch in der Verbindungstechnik der Planken, die wiederum andere konstruktive Besonderheiten wie Einsatz und Anordnung von Querhölzern, Spanten bzw. Halbspanten, Schalen- oder Gerüstbauweise und anderes mehr nach sich zogen.
Als Fundorte für Schiffe mit der Verbindung der Planken in mediterraner Nut- und Federtechnik seien hier Velsen, London, Oberstimm, Vechten oder Zwammer-dam genannt. Prähme mit aneinandergenähten Planken fand man beispielsweise bei Cervia, Comacchio, Ljubljana, Nin, Pomposa, Borgo, Caprile. Und Schiffe vom Typ Zwammerdam mit gedübelten und genagelten Planken wurden bei Valkenburg, De Meern, Xanten, Abbeville, Avenches, Bevaix, Druten, Kapel- Avezaath, Köln, Mainz, Pommeroeul oder Woerden ausgegraben.
Eine Besonderheit scheint auf den ersten Blick der bei einigen der oben aufgeführten, vor allem im gallo-romanischen Bereich ergrabenen Funde, vorhandene Mosaikboden zu sein. Hier wurden für den flachen Boden keine regelmäßig geschnittenen Planken mit geraden Kanten, sondern unregelmäßig geschnittene Hölzer verwendet. Die ursprüngliche Vermutung, solche puzzleartigen Plankenanordnungen könnten auf Materialknappheit zurückzuführen sein, war aber durch die teils erheblichen Ausmaße der „Mosaikplanken“ nicht aufrecht zu erhalten.
Der Aufbau einer Schiffshaut durch unregelmäßig geschnittene Planken lässt sich aber andererseits bis in die Zeit der ersten Plankenschiffe überhaupt zurückverfolgen. Bereits die Ägypter hatten im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung „Mosaikschiffe“ gebaut. Die waren aber nicht genagelt, sondern genäht und Experimente haben ergeben, dass gerade genähte Planken durch ihre unregelmäßige, ineinandergreifende Form besonders gut gegen Verschieben und damit Leckagen gesichert sind. Inzwischen sind die Archäologen der Auffassung, dass der Mosaikboden bei den gallo-römischen Prähmen, die ja bereits genagelt und nicht mehr genäht waren, ein Relikt aus den Zeiten der genähten Plankenboote darstellt, die im nordwesteuropäischen Raum in jener Zeit noch gar nicht lange zurück lagen.
Die Bautradition der „Flusslastesel“ der römischen Eisenzeit reichte übrigens bis weit in das Mittelalter hinein, wie unter anderem der Krefelder Fund eines karolingischen Lastkahns zeigt.
Haltern und die römische Flotte
Die Versorgung und damit Stationierung der römischen Legionen in Germanien war ohne die Transport- und Kriegsschiffe auf Rhein, Weser, Lippe oder Lahn nicht vorstellbar.
Wie die Legionäre zu ihrem Proviant kamen zeigte das Römermuseum in Haltern in Zusammenhang mit der Sonderausstellung IMPERIUM. Zu diesem Zweck wurde – wie im vorherigen Kapitel beschrieben - extra das Wrack eines römischen Lastschiffes, das nahe dem römischen Militärlager Zwammerdam in der niederländischen Provinz Utrecht gefunden wurde, nach Haltern überführt.
Dieser Prahm repräsentiert nur einen von inzwischen mehreren ausgegrabenen römisch-germanischen Lastkähnen, die seit der Zeit der rechtsrheinischen römischen Aktivitäten - die beinahe zur Eingliederung des Gebietes zwischen Rhein und Elbe als römische Provinz geführt hätten - in römischen Diensten standen.
So plump die flachen Kähne auch wirken mögen, mit ihrer Länge zwischen 7 und mehr als 35 Metern waren sie in der Lage große Mengen an Versorgungsgütern bis in die entlegensten Winkel der besetzten Gebiete zu transportieren. Zwischen 15 und 50 Tonnen Ladung transportierten die Arbeitstiere der Flüsse meist aus den gallischen Gebieten zu den römischen Lagern, Kastellen und Niederlassungen. Denn die im rechtsrheinischen Germanien gelegenen Höfe produzierten kaum Überschüsse. Die Römer waren gar nicht in der Lage, ihre Legionen aus dem Land selbst zu versorgen.
Es waren aber nicht nur Lebensmittel wie Getreide, von dem eine Legion, wie sie unter dem Kommando von Varus vor rund 2000 Jahren in Haltern stationiert war, täglich rund 5 Tonnen benötigte, über die Flüsse herbeigeschafft wurden. Auch Baumaterialien oder Handelsgüter fanden auf den flachbodigen Prähmen ihren Weg zu den Legionen Roms im tiefsten Germanien. Und dass ein derart reger Warenverkehr auch militärisch abgesichert werden musste, versteht sich von selbst. Aber nicht nur zum Schutz der schweren Lastkähne, sondern natürlich auch zur militärischen Kontrolle des Landes unterhielt Rom eine Flotte von speziellen Flusskriegsschiffen, den Patrouillenbooten vom Typ der Wrackfunde bei Oberstimm nahe Ingolstadt. Als für das Ausstellungsprojekt angefertigter originalgetreuer experimenteller Nachbau war ein solches Schiff 2009 an den verschiedensten Orten der Bundesrepublik als Werbeträger für die Ausstellung IMPERIUM KONKLIKT MYTHOS zu sehen.
Schiffe wie die Victoria - so wurde der Nachbau getauft - hatten mit Sicherheit auch Haltern als Stützpunkt, wie die Überreste von Schiffshäusern, die bei archäologischen Untersuchungen gefunden wurden, belegen. Die Tatsache, dass Haltern ohnehin als zentrales Verwaltungszentrum für die geplante Eingliederung des rechtsrheinischen Germanien in das römische Reich fungierte und die Möglichkeit, die Lippe sogar noch mit größeren Kriegsschiffen wie den schweren Liburnen zu befahren, macht Haltern auch als einen zentralen Flottenstützpunkt sehr wahrscheinlich. Die Flottenbasen der „Classis Germanica“, die auf Rhein, Main, Lippe, Lahn, Weser oder Elbe operierte, und dabei auch die Feldzüge des Drusus unterstützte, waren aber die großen römischen Rheinstützpunkte Xanten und Mainz. Denn von hier aus konnte man zu Schiff über Lippe, Lahn und Main nicht nur direkt in das rechtsrheinische Germanien vorstoßen, sondern auch über die Nordsee auf die Weser Ems und Elbe vordringen. Ohne diese Möglichkeit übrigens hätte der römische Stützpunkt bei Hedemünden (Region Göttingen/Kassel) möglicher-weise ernsthafte Versorgungsprobleme bekommen.
Nach der Varusschlacht wurde Haltern als römischer Stützpunkt im rechtsrheinischen Germanien aufgegeben. Die Classis Germanica allerdings existierte in unterschiedlicher Organisationsform und Aufgabenstellung noch bis ins 5. Jahrhundert.
Der Karlsgraben
Ein paar unscheinbare Wälle und ein Wassergraben zeugen noch heute von großartigen Ingenieursleistungen im Westeuropa des 8 Jahrhunderts.
Als Karl der Große im Jahr 793 die Herstellung einer Verbindung zwischen den Flusssystemen Rhein-Main und Donau, den Fossa Carolina in Auftrag gab, schien dies auf den ersten Blick nur militärischen Sinn zu machen. Denn die einheimische Handelsschifffahrt existierte nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches und seiner Städte an Rhein Main und Donau kaum mehr. Auch wenn sich die militärische Begründung für das aufwändige Projekt unter Historikern noch bis ins Ende der 1980er Jahre hielt, so wurde sie inzwischen aufgrund neuer Erkenntnisse doch weitgehend aufgegeben. Ebenso übrigens wie die Meinung, das Projekt sei aufgrund der geologischen Bedingungen gescheitert und nicht zu Ende geführt worden.
Während sich die Archäologen bei der Beurteilung des Karlsgrabens zunächst auf die Untersuchung der mehr oder weniger sichtbaren Überreste des Bauwerks und auf zeitgenössische Dokumente konzentriert hatten, fanden erst seit etwa 1992 genauere, auch topografische Untersuchungen am Bodendenk-mal und in seiner Umgebung statt. Dabei kamen überraschende Ergebnisse zu Tage.
Zunächst einmal war der Kanal mit rund 3000 Metern doppelt so lang gewesen, wie ursprünglich angenommen. Und die karolingischen Baumeister hatten tat-sächlich die Stelle mit der absolut günstigsten Geländesituation ausgewählt, um die Wasserscheide zwischen der Altmühl und der Rezat - und damit den großen Flusssystemen Rhein Main und Donau - zu überwinden. Zudem war die Rezat offensichtlich umgeleitet worden, um die Fahrrinne des Karlsgrabens mit Wasser zu versorgen.
Künstliche Verbindungen zwischen Flüssen waren damals keine durchgehenden Kanäle mit Schleu-sen. Vielmehr überwand man die Höhenunterschiede durch eine Kette von kleinen treppenartig angeordneten Stauseen zwischen denen die Schiffe auf flach geneigten Schlepprampen hochgezogen wurden. Um diese Seen mit ausreichend Wasser zu versorgen, hatten die Baumeister Karls des Großen die Rezat etwas oberhalb des künstlichen Scheitelpunktes der Fahrrinne aufgestaut. Ein 400 bis 500 Meter langer Damm mit einer geschätzten Basisbreite von 60 bis 70 Metern war in der Lage, mindestens 50.000 Kubikmeter Wasser zurückzuhalten. Damit konnte jederzeit Niedrigwasser sowohl der Altmühl im Südwesten als auch der Rezat im