Medusa. Jan Müller-Wonnenberg

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Medusa - Jan Müller-Wonnenberg


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So ein Buch würde ich auch nicht gerne lesen wollen. Es geht hauptsächlich, um meine Krankheitsgeschichte, mein Umgang damit und der Dinge die ich lernen konnte.

      Dieses Buch also, will kein Ratgeber sein oder hat nicht den Anspruch allgemeingültig und unumstößlich daher zukommen, sondern es dient in erster Linie der Beschreibung meines Lebens und der Personen die darin vorkommen oder vorkamen. Vielleicht kann beim Lesen dieses Buches auch die ein oder andere Bewältigungsstrategie – ob jetzt positiv oder negativ – dargestellt werden und im besten Fall Anregungen geboten werden. Natürlich ist es immer negativ für einen selbst, wenn man Vergleiche zieht. Aber es ist beim Menschen oft zu beobachten. Es ist eine einfache Denkstruktur, doch eine Nachvollziehbare die unter Umständen sogar ganz natürlich ist. Dieses Werk ist also ein Angebot ein jeden lesenden Menschen der sich für Biografien begeistern kann. Sie will nicht, dass sie sich schlechter fühlen oder meinem Bericht übermäßig Bedeutung für sich selbst beimessen. Über das Thema muss mehr und ausführlicher geredet werden, was ich zurzeit etwas vermisse. In diesem Buch werden dreizehn Jahre meines Lebens dargestellt, wie sie wirklich passiert sind. Dies ist manchmal angenehm, erfreulich, lustig aber auch erschreckend, furchtbar, abstoßend. Aber es ist genauso passiert. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt dieses Buches: Echtheit und bedingungslose Ehrlichkeit. Das mag radikal klingen und wirken, aber es ist das was mir geholfen hat. Die Wahrheit trifft, aber eine Lüge verschmerzt mehr. Darum will ich an dieser Stelle erst einmal einen kurzen Einblick in die Zeit vor der Erkrankung werfen, da sie den Kontrast zu Zeit danach erhöht. Somit wird deutlich – oder besonders deutlich – was verloren gegangen ist. Ein bisschen Wehmut möge mir der geneigte Leser nachsehen.

      Ein besonderer Aspekt wird insbesondere auf meine Frau und meine Tochter gelegt, denn diese zwei Menschen verbringen – in Wohl und Weh – die meiste Zeit mit mir. Sie ertragen mich, sie helfen mir, ihre Gegenwart ist eine Bereicherung für mich und ich weiß, dass ich für sie eine enorme Bürde darstelle. Sie würden dies nie so sagen, aber ungeschönt ist es genauso. Meine Fähigkeiten nicht zu bewegen haben über die Zeit abgenommen und bedingen eine immense Erschwernis. Dennoch würde ich für Sie durch das Feuer gehen und eine Lanze brechen. Das tue ich freilich nicht nur, weil ich ein guter Mensch bin und ihnen etwas zurückgeben möchte, sondern weil ich ein streitbarer Mensch sein kann. Seit der Erkrankung hat dieser Umstand an besonderer Bedeutung gewonnen und ich möchte insbesondere darauf eingehen wie wichtig es sein kann sich nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Dies schreibe ich, da es mir sehr wichtig ist seine Interessen als behinderter Mensch vehementer durchsetzen zu müssen. Dies alles wird stets getragen von den Gedanken der Selbstbestimmung. Und so ist für mich die Selbstbestimmung ein elementarer Bestandteil meiner selbst, denn Selbstbestimmung meint ja eigene Entscheidungen treffen zu können und zu wollen, auch wenn die Umgebung oder eine andere soziale Struktur Gegenteiliges von einem verlangt. Und so habe ich mir meine Behinderung und die Behinderung anderer Menschen auf die Fahne geschrieben. Denn wenn man – und ich komme im Lauf dieses Buches noch ganz genau darauf ein – im Rollstuhl sitzt sind manche Mitmenschen dazu verleitet Entscheidungen für denjenigen der nicht mehr laufen kann treffen zu müssen, ohne diesen zu fragen. Ganz besonders wird dies deutlich, wenn selbige Menschen über die Person im Rollstuhl in der dritten Person mit denen reden die noch laufen können. Hier sehe ich Aufklärungsbedarf. Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat nennen, das mir sehr gefallen hat: „Derjenige, der noch laufen kann ist eindeutig in der besseren Position.“

      Wenn Sie wissen was passiert ist, bzw. ich Ihnen erzählt habe – und dieser Zeitraum wird wie bereits angekündigt dreizehn Jahre dauern – werde ich Aussagen meiner Frau und meiner Tochter wiedergeben. Mir ist es extrem wichtig, da die Sicht von jenen Menschen die mit einem chronisch Kranken zusammenleben der genaueren Betrachtung bedarf. Oftmals schaut man nur auf denen chronisch kranken Menschen an sich, ohne jedoch auf das nächste soziale Umfeld zu achten. Ich betrachte dies als ausschlaggebend. Auch für dieser Abschnitt den Bericht bzw. der Erfahrungsbericht über dreizehn Jahre auflockern und hier eine Pause setzen. Denn ich möchte danach auf speziell wichtige Themen wie beispielsweise Suizidgedanken, finanzielle Schwierigkeiten und Lösungen – die nicht jedem sofort einfallen – eingehen. Dies zu erwähnen und darauf genauer einzugehen ist mir sowohl aus professioneller Sicht, als auch ganz persönlich ein Anliegen, denn ich meine dass der betroffene Leser, ein selbst erkrankter Mensch, davon profitieren kann. Das Credo meiner Frau und meiner selbst ist und war immer schon trotz aller Widrigkeiten nicht aufzugeben. Was einfach klingt ist jedoch nicht so einfach, aber ich bin überzeugt hier können positive Denkanstöße gesetzt werden. Dies als gelungene Inspiration weiterzugeben würde uns beide sehr freuen.

      Wichtig erscheint mir, gerade an dieser Stelle, dass niemandem über den Mund gefahren wird. Denn Patentlösungen gibt es auch in diesem Bereich keine. Manche Menschen meinen, dass vor allem dem betroffenen Menschen einen Gefallen damit tun ihm oder ihr sagen zu müssen wie etwas zu funktionieren hat. Sei es im finanziellen Bereich, im Bereich der Weltanschauung, im Bereich der Krankheitsbewältigung bzw. Annahme oder in anderen sehr persönlichen Bereichen. Dies mag dem „Ratschlag gebenden“ ein gutes Gefühl vermitteln und er mag sich damit besser fühlen, da er etwas bewirkt zu haben scheint. Doch aus meiner ganz persönlichen Erfahrung ist das gar nichts. Mich hat es stets sehr wütend gemacht, da ich immer den Eindruck hatte, dass man nur sein Gewissen beruhigen wollte ohne mit wirklich sinnvollen Lösungen aufzuwarten. Ich fühlte mich stets schlechter, während das Gegenüber davon zu profitieren schien. Und ganz offen gesagt, fand und finde ich dies sehr niederträchtig. Zumindest aber nicht aufrichtig. Dies umfasst Aspekte wie die richtige Wohnung, Einbettung meiner Misere in ein marodes Glaubensgebäude und Verbesserungsvorschläge, beispielsweise mehr Sport machen, fester beten oder das Essverhalten radikal ändern. Jene Menschen sehen stets ihre eigene Lebenswelt und übertragen diese auf die eines Betroffenen. Und wenn ich daran denke, macht mich dies noch wütender. Wie gesagt: Patentlösungen und Rezepte werde ich in diesem Buch nicht anbringen. Es liegt in der Entscheidung eines jeden Menschen was er annimmt und woraus er Vorteile ziehen kann.

      Zumal es bei dieser Erkrankung nach dem momentanen Stand der Erkenntnis keine Heilung gibt. Mit dieser Sache leben zu lernen, erscheint mir das wichtigere Ziel. Ändern kann man den Sachverhalt so oder so nicht und daher sollte sich ein jeder auf das konzentrieren was ihm selbst gut tut. Dies mag in der Tat für den ein oder anderen festeres Beten sein, eine radikale Umstellung der Ernährungsgewohnheiten bedingen oder aber die bedingungslose Erhöhung des eigenen Bewegungsbedarfes beinhalten. Die Entscheidung jedoch wann, wie oder was ich verändere, obliegt mir. Letzteres hat wenig mit der Erkrankung zu tun, sondern vielmehr mit meiner eigenen Einstellung zum Leben. Es ist faszinierend zu bemerken, dass ich der das Glück hatte in einer freiheitlichen Welt aufwachsen zu dürfen, auch dieser Freiheit leben will und daher sehr allergisch darauf reagiere wenn jemand diese beschränken möchte. Das ist freilich nicht besonders ungewöhnlich oder genial. Viele Menschen müssen diese bevormunden der Art auch erdulden, wenn sie nicht erkrankt sind – was auch immer – sondern lediglich ihr Leben leben. Von daher kann ich nur an all jene appellieren, die meinen zu wissen wie das Leben zu funktionieren hat, noch einmal nachzudenken bevor man spricht.

      Vor der Erkrankung

      Vor dem einschneidenden Erlebnis, gab es im Grunde nichts Ungewöhnliches zu erzählen. Meine Gedanken und Handlungen waren damals nicht von irgendeiner Unfähigkeit beeinflusst oder überschattet. Es war für mich ein relativ normales Leben, das sich lediglich an den Zielen orientierte. Rückblickend betrachtet ist dies ein leichter und problemarmer Zustand, den ich immer wieder noch heute sehr vermisse. Und so widmete ich mich den Dingen, die für Menschen meide meinen interessant sein können bzw. ausschlaggebend sind. Dazu gehört zweifelsohne die eigene Selbstständigkeit. Damals wie gesagt nicht überschattet von Unfähigkeit oder der Notwendigkeit Hilfe zu bedürfen. Und so war damals meine Prämisse von zuhause auszuziehen.

      Von zuhause auszuziehen und unser eigenes Leben zu leben gehört vermutlich zu den grundlegenden Bedürfnissen des Menschen. Das ist nichts Außergewöhnliches, so denke ich. Alle Lebewesen Verlass mir irgendwann ihre schützende Umgebung, um nach Eigenständigkeit zu streben. Dennoch ist es für einen jeden ganz persönlich, etwas Bedeutungsvolles; denn es bedeutet es Eigenverantwortung und Selbstständigkeit. Denn in erster Linie will man sich von seinen Eltern lösen und abgrenzen. Ich


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