mit Machen. Hermann Brünjes
Читать онлайн книгу.schließt immer auch ein »Nein« mit ein. Unser Umgang mit dem Glauben beweist das Gegenteil. Christsein funktioniert auch ohne Loslassen – oder?
Ich bin vom Gegenteil überzeug: Dem Ruf Jesu zu folgen, bedeutet immer und immer wieder neu auch ein »Nein« zu jenem, was uns davon abhält und uns hindert, konsequent Christ zu sein.
Allerdings geht es jetzt keineswegs um ein Prinzip. Dies mag manchmal so erscheinen. Aus Prinzip muss man alles lassen, was vorher war: Den Beruf, die Familie, die Gewohnheiten, die schönen Dinge des Lebens, die Sicherheiten ... dies wäre sozusagen ein mönchischer Weg. Alles Irdische wird aufgegeben, um Jesus konsequent nachzufolgen.
In den Berufungsgeschichten entdecke ich etwas anderes. Die Gerufenen verlassen zwar alles, um ganz praktisch und damals ja auch physisch mit Jesus zu gehen – aber ganz spezielle Bindungen werden jeweils hervorgehoben.
Simon und Andreas verließen ihre Netze (Mk. 1,18). Auch sie haben sich von ihrer Familie getrennt, um ganz und gar für Jesus da zu sein. Erwähnt wird jedoch nicht ihre Familie, sondern der Beruf. Ihn und ihre Netze und Boote um Jesu Willen hinter sich zu lassen, war ganz offensichtlich ihre besondere und spezielle Herausforderung.
Die Söhne des Zebedäus haben ebenfalls ihre Boote und Netze verlassen. Für sie jedoch war eher das Verlassen ihres Vaters und ihrer Familie mit der gesamten Hofgemeinschaft (Mk. 1,20) die eigentliche Herausforderung.
Es werden also jeweils verschiedene Dinge losgelassen und es geht nicht um einen Generalverzicht aus Prinzip.
Gut wird dies auch in der Geschichte vom »Reichen Jüngling« (Mt. 19,16-22) deutlich. Dieser Mann sucht das Leben in seiner Fülle – aber er ist nicht bereit, seinen Reichtum herzugeben. Sein »wunder Punkt« ist das Geld und sein Besitz. Dies um Jesu willen aufzugeben, ist er nicht willens.
Ich fasse zusammen: Nicht im Prinzip des Loslassens, sondern in der Hinkehr zu Christus liegt das Heil, das Leben. Aber gerade diese Hinkehr bedeutet immer auch die Abkehr von jenem, was mich an der Nachfolge Jesu hindert. Was dies ist, kann man nicht pauschal beantworten, sondern das werden Sie selbst für sich herausfinden müssen. Nein, das wissen Sie jetzt vermutlich bereits sozusagen intuitiv. Jetzt wird es deshalb sehr konkret und bleibt nicht mehr eine bloße Theorie.
✪Stimmt meine Vermutung? Sie wissen oder ahnen bereits, was Sie eigentlich aufgeben müssten ...? Wenn ja, dann sagen Sie Gott im Gebet, was konkret Ihnen einfällt. Und ziehen Sie die Konsequenzen.
Simon, Andreas und manch andere geben ihren Beruf auf. Johannes, Jakobus und unzählige nach ihnen kappen die Abhängigkeit von ihrem Vater und ihrer Familie. Jemand wirft seinen Fernseher aus dem Fenster, ein anderer verkauft sein tolles Auto oder macht keine Flugreisen mehr. Jemand schichtet sein Geld um und investiert es sinnvoll in Hilfsprogramme oder soziale Projekte. Wieder jemand anders gibt eine Beziehung auf oder einen Freundeskreis und widmet sich fortan einem missionarischen Dienst ...
Ihnen allen ist nicht gemeinsam, worum es sich handelt und was sie aufgeben, lassen oder sogar bekämpfen. Gemeinsam ist ihnen, dass ihnen ihr Glaube und der Gehorsam Gott gegenüber wichtiger sind als alles andere.
4. Verweigerung mit Konsequenzen
Wenn jemand sehr wohl weiß, dass jetzt sein »Kairos« ist und er oder sie tun sollten, was dran ist – aber sie tun es nicht, verweigern sich oder kommen nicht zu einer Entscheidung? Was dann? Wenn ich genau weiß, was zu tun und zu machen ist – und setze es nicht um? Wenn Jesus ruft und ich antworte nicht oder sage einfach »Nein!« Was dann?
Dann hat das Konsequenzen:
Konsequenzen für Jesus
Ja, Sie haben richtig gehört. Die Ablehnung seiner Anrede und seiner Einladung in die Gemeinschaft mit Gott hat zuerst und vor allem für ihn selbst Konsequenzen.
Jener besagte »reiche Jüngling« ging damals traurig davon (Mt. 19,22). Er war nicht bereit, sein Leben umzustellen. Und Jesus? Sagt er: »Blödmann, selbst schuld!« Oder: »Er wird schon sehen, was er davon hat.« Mit Sicherheit nicht. Ich bin gewiss, Jesus standen damals genauso wie dem Jungen die Tränen in den Augen. Wie später, als er seine geliebte Stadt Jerusalem anschaut (Lk. 19,41). Er weinte über sie.
Wann immer ich dem Ruf Gottes eine Absage erteile und ihn nicht in mein Leben umsetze, schmerzt es Gott. Die Geschichten von der Suche nach dem Verlorenen (Lk. 15) machen das besonders gut deutlich. Das verlorene Schaf hat, so lange es etwas zu Fressen gibt, vermutlich noch gar nicht gemerkt, dass es verloren ist. Aber der Schäfer hat es gemerkt, läuft über Stock und Stein und leidet am Verlorenen. Dem verlorenen Goldstück ist es sowieso egal, wo es gerade liegt. Es kommt, wie’s kommt. Aber der Frau ist es nicht egal. Dieses Goldstück ist Teil ihres Hochzeitsschmucks und sie weint bis sie es wiederhat. Und der Sohn? Klar, als er bei den Schweinen landet, passt ihm das nicht. Vorher jedoch pfeift er auf seinen Vater und genießt einfach nur sein Leben. Sein Vater jedoch leidet. Ihm ist ein Stück von sich selbst abhandengekommen. Genauso leidet der Vater übrigens auch an dem älteren Sohn, weil der sich nicht mitfreuen konnte, als sein Bruder zurückkam.
Was wir meistens ganz zu Recht grundsätzlich auf die Beziehung zu Jesus Christus anwenden, möchte ich gerne auf jede einzelne Entscheidung im Umgang mit Jesu Herausforderungen erweitern. Immer dann, wenn ich »Nein« sage, tut es ihm nicht nur Leid, sondern richtig weh. Meine Absagen, meine Gleichgültigkeit, meine Trägheit, meine Sturheit gegenüber seinen Herausforderungen bereiten ihm Schmerzen. Sie zeigen ihm, dass er mir nicht wichtig ist, jedenfalls nicht so wichtig wie vieles andere. Sie zeigen ihm, dass er nicht die Nummer eins ist für mich, sondern irgendwo unter ferner liefen kommt. Und das schmerzt ihn. Wieder ein Schlag ins liebende Gesicht Gottes, wieder ein »kreuzige« und »weg mit ihm!« Mag sein, dass Sie dies überzogen finden – aber ich glaube wirklich, dass Gott mit Ihnen und mir eine ganze Menge auszuhalten hat. Und aushält.
Das ist ja das Wunder des Evangeliums. Jesus hält durch. Und wenn er dafür sterben muss. Er gibt mich nicht auf. Immer wieder geht er das Risiko ein, ein »Nein« zu bekommen. Er hört nicht auf zu rufen, zu werben, einzuladen und Freiräume des »Kairos« zu schaffen.
Ich weiß, vielleicht ist es auch einmal zu spät. Dies ist ja in der Zeitkategorie »Kairos« enthalten. Aber so lange Jesus redet und Momente und Situationen sich ereignen, die mich herausfordern, ist es noch nicht zu spät – jedenfalls nicht für jene, die solche Momente erleben.
Konsequenzen für Verweigerer
Der reiche Jüngling weinte. Er hat es also gespürt: Sein Geld und sein Besitz haben ihn voll im Griff wie eine Droge. Er schafft es nicht, davon loszukommen und das macht ihn traurig. Dabei hat er wahrscheinlich noch nicht einmal die Dimension seines Problems begriffen. Er hat sich ja nicht nur gegen einen Rabbi entschieden. Er hat sich gegen den entschieden, der ihm wirklich das Leben geben kann, ja der das Leben selber ist. Er hat sich gegen den Sieger über den Tod entschieden und seinen irdischen Reichtum dem ewigen vorgezogen.
Die Tragweite unserer Entscheidungen gegen Christus sehen wir selten. Auch für einzelne Herausforderungen, denen wir uns nicht stellen, gilt dies.
Es ist meistens müßig zu fragen: »Was wäre, wenn ...«?
Aber vielleicht hilft es doch manchmal, die Reichweite unseres Handelns- oder eben Nichthandelns zu erahnen. Wenn etwa meine Freunde damals den Leuten an jener Fabrikmauer diese Bananen nicht gekauft hätten – die Colonie Serapaka gäbe es heute nicht und diese Familien vielleicht auch nicht mehr ... Wenn ehrenamtlich Mitarbeitende 1985 im Pfingstcamp Hanstedt das Projekt »Teachers for Tribals« nicht begonnen hätten, wären später auch nicht tausende Kinder in indischen Kinderheimen für eine bessere Zukunft vorbereitet worden.
✪Überlegen Sie doch einmal: Welche Wirkungen hatte es in Ihrem Umfeld, weil jemand oder eine Gruppe eine Herausforderung Jesu angenommen hat – und was würde heute fehlen, wenn dies nicht geschehen wäre?
Diese Einsicht umzukehren lässt ahnen, was alles nicht passiert ist – und doch hätte geschehen