Kreuzfahrt-Neulinge. Jens Wahl

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Kreuzfahrt-Neulinge - Jens Wahl


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uns: „Dass ich diese Reise gebucht habe, werde ich mir nie verzeihen!“ Die Gründe dafür nannte sie uns leider nicht (wir vermuten mal, dass sich diese Aussage auf die Überfahrt von Hamburg bis Gran Canaria bezog, da die wohl nicht sehr ruhig gewesen sein sollte). Sie war heute schon 5 Uhr aufgestanden, um einen Platz auf einem der Fitness-Radl-Geräte zu bekommen. Tagsüber mag sie das nicht so, wenn da einige „Jugendliche“ hinter ihr stehen und warten, dass sie endlich fertig wird. Da wir unsere Namen nicht austauschten, nannten wir sie einfach „die Oma“. Mit ihr sollten wir uns noch des Öfteren unterhalten.

      Am Abend besuchten wir die Vorstellung im Theater: Songs von Michael Jackson war das Thema. Während der Anfang mit dem Earth-Song sehr schön und gefühlsmäßig war, steigerte sich dann alles sehr schnell in überlaute Schreierei. Wir waren nicht die Einzigen, die an diesem Abend dem Show- (oder besser Schrei-) Ensemble vorzeitig den Rücken kehrten. Und noch eines lehrte uns das: Nimm nie eine Kabine direkt unter dem Theater, sonst has(s)t du das Theater!

      Von der Äquatorüberquerung (oder besser dem wilden Gehupe deswegen) gegen 1:30 nachts hatten wir in unserer Innenkabine nichts mitbekommen. So hatten wir uns nördlich des Äquators zum Schlafen hingelegt und wachten morgens südlich des Äquators wieder auf. Anders war uns deswegen nicht.

      Am dritten Seetag (01.11.12) wurde es sehr heiß: Die Meeresbrise hob sich exakt mit dem Fahrtwind auf, die Luft stand.

      Noch am Vormittag wurde die erste Möwe gesichtet - ein Hinweis auf (noch relativ weit entferntes) Land.

      Am Nachmittag zogen dichte Wolken auf und ein kurzer, aber heftiger Tropenschauer prasselte auf das Schiff nieder. Wir suchten Schutz in der Anytime-Bar, wo während der Überfahrt täglich ein kostenpflichtiger Samba-Trommel-Kurs stattfand. So rasch der Wolkenbruch gekommen war, war er auch vorbei. Danach hatten wir eine dickere Wolkendecke zwischen der Sonne und uns und es wurde nicht mehr ganz so heiß.

      Das war bis jetzt das erste schlechtere Wetter, ansonsten hatte es die Schiffsführung immer wieder verstanden, solche Gebiete zu umfahren - sie hatten also Schönwetter-Navigation betrieben, welche aber nur bedingt möglich ist.

      Am Abend wurden wir dann noch mit einem schönen Sonnenuntergang belohnt.

       Sonnenuntergang am 01.11.12, schon südlich des Äquators.

       02.11.12: Recife: Ausflug auf die Halbinsel Itamaracá

      Heute sollte es nach 6 Tagen Schiff am Stück endlich wieder mal festen Boden unter den Füßen geben. Auch wenn wir bis jetzt maximal See 4 hatten, schwankte das Schiff zwar nur gemächlich, aber ständig. Ein fester Standpunkt wäre da mal wieder vorteilhaft.

      Gegen 8 Uhr kamen die nördlichen Ausläufer von Recife in Sicht - Wolkenkratzer hinter türkisblauem Meer.

       Skyline des nördlichen Teiles von Recife.

      Laut meinem Brasilianisch-Lehrbuch wird Recife als „Hessifie“ ausgesprochen - in Deutschland und auch an Bord würde aber wohl kaum einer damit etwas anfangen können. Nach dem Frühstück kam uns das Lotsenboot „entgegengeschwankt“ und unser „Atlantik-Busfahrer“ Mey parkte sein Fahrzeug pünktlich 10 Uhr am Passagierkai.

      Die Tour zur Halbinsel Itamaracá sollte von 2 Bussen gefahren werden: Im großen Bus saß eine deutsch sprechende Brasilianerin als Reiseleiter, im kleineren ein englisch sprechender Brasilianer als Reiseleiter zusammen mit einem AIDA-Scout zum Übersetzen.

      Aus dem Hafen kam unser Bus (wir saßen im großen Bus) relativ schnell und dann wurde es zäh: Stau. Es war der 2.11., damit der Feiertag Finados (Allerseelen) und alles wollte aus der Stadt. Da wir sehr langsam vorankamen, konnten wir Straßen, Häuser und Menschen in Ruhe betrachten. Unsere Reiseleiterin Rosa erklärte uns, dass die Brasilianer keinen Wert auf ein schönes Haus legen, selbst schön sein und feiern ist wichtiger. Aus Steuergründen sind die meisten Häuser zur Straßenseite hin sehr schmal und dafür nach hinten lang gebaut.

      So etwas wie Mülltonnen gibt es nicht in Recife: Der Müll wird in Plastikbeuteln an den Straßenrand gestellt, wo er abgeholt werden sollte - wenn da nicht die streunenden Hunde schneller wären, die die Beutel aufreißen und den Müll wieder auf dem Bürgersteig und der Straße verteilen.

      Und noch etwas erfuhren wir: Für größere Entfernungen nimmt man in Brasilien einen Flieger oder den Bus - das Netz der Bahn ist für den Personenverkehr sehr schlecht ausgebaut. Dafür das Fernbussystem sehr gut.

      Inzwischen schlichen wir durch Olinda (auf Deutsch: wie schön) mit seinen Kirchen und Klöstern. Irgendwann erreichten wir dann Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens aus dem Jahre 1535.

       Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens (links hinter den Bussen).

      Eine der im dortigen Kloster lebenden Nonnen ermöglichte es uns, die Kirche trotz des Feiertages von innen zu besichtigen. Von dort aus ging es im normalen Tempo weiter zum Endziel des Ausfluges: der Halbinsel Itamaracá. Zuerst besuchten wir das Manatee-Center zum Schutz der Seekühe. Für meine Begriffe hässliche Tiere, die in sehr kleinen, ungepflegten Becken herumschwammen. Die öffentlichen Toiletten auf dem Gelände gab es für Männlein, Weiblein und Behinderte. Letztere „verriegelte“ man ganz brasilianisch, indem man von innen einen dort liegenden Stein an die Tür schob.

       Manatee-Center

      Anschließend hatten wir ca. 45 Minuten „Freigang“ am Strand in der Nähe des Fort Orange. Einige der Mitreisenden gingen Baden, andere, wie wir, liefen nur mit hochgekrempelten Hosenbeinen im warmen Atlantikwasser etwas am „naturbelassenen“ Strand entlang.

      

       Strand am Fort Orange.

      Auf dem Rückweg vom Strand zum Bus wurde ich dann sehr schnell: Der Sand unter meinen bloßen Fußsohlen war furchtbar heiß. Meine Frau hatte da mit ihren Sandalen das Klügere gewählt und amüsierte sich nicht als Einzige köstlich über meine „Hüpfer“.

      Auch auf der Rückfahrt nach Recife waren wieder sehr viele Palmenhaine zu sehen und in der Stadt mehrere vernachlässigte Viertel. Bei der Einfahrt in den Hafenbereich wurden wir - entgegen allen Erwartungen - überhaupt nicht kontrolliert.

      Als wir 18 Uhr den Hafen verließen, war es schon dunkel.

      Wir gingen danach am Schalter von Frau Preiß vorbei, um uns nach dem Stand der Reservierungen zu erkundigen und erhielten als Antwort, dass die Kollegen in Rostock bereits gebucht haben. Daraufhin baten wir um Mitteilung der gebuchten Sitzplatznummern. Diese sollten wir morgen bekommen. Also alles paletti - dachten wir.

      Fast jedes Mal, wenn wir vor dem Schalter von Frau Preiß anstanden, wartete wenige Personen vor uns immer der gleiche Herr in einer furchtbar bunt karierten Hose (die Karos waren noch schlimmer als die in der Kabine). Aufgrund seines Aussehens und seiner Gangart nannte ihn meine Frau „Louis Trenker“. Wie wir mitbekommen sollten, hatte Louis das Problem, dass sein Koffer nicht auf dem Schiff angekommen war. Schuld war wohl die nicht namentlich genannte Fluggesellschaft. Der Koffer sollte erst auf den Kapverden, dann in Recife und später in Salvador da Bahia ankommen - ob er seinen Koffer vor der Heimreise überhaupt erhalten hat, wissen wir nicht.

      Glücklicherweise waren unsere beiden Gepäckstücke angekommen.


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