Lilli. Nicole Sturm

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Lilli - Nicole Sturm


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Hund den breiten Schädel.

      Er hat einen guten Beschützerinstinkt, aber er mochte seine Besitzer nicht.

      Achim wird nicht schlau aus Lilli.

      Was wollen Sie denn mit dem Hund machen?

      Ich kenne eine junge Obdachlose, er wird sie mögen und sie wird ihn bald brauchen. Ich erspare dem Doktor eine Spritze. Sind wir damit quitt?

      Achim kratzt sich den Kopf. Seine Kollegin hebt den Blick vom Hund zu Lilli.

      Du musst da noch ein paar Sachen unterschreiben.

      Der Hund fängt an laut zu knurren.

      27.September

      Lilli legt einen Hunderter auf die Theke des ganz in weiß gehaltenen Clubs. Der Barkeeper lächelt ihr freundlich zu.

      Ich bin Martin, was darf ich ihnen geben?

      Drei Finger hoch Jack Daniels mit zwei Eiswürfeln.

      Martin greift nach der Eiszange und einem Bourbonglas. Er dreht sich zur Seite und wirft er die gefrorenen Würfel gekonnt, über seinen Rücken ins Glas. Er nimmt den Dosierverschluss von der halbvollen Flasche und lässt den Alkohol gemütlich über das Eis laufen.

      Ich mag ihr Kleid, ihr ganzer Stil gefällt mir. Wissen Sie, ich kann schwarz nicht tragen, ich fühle mich dick in schwarz.

      Der gut gelaunte Barkeeper setzt die Flasche ab und schiebt das reichlich gefüllte Glas zu Lilli.

      Und sind Sie heut Abend auf der Jagd?

      Lilli schwenkt das Eis am Rand des Glases entlang.

      Ist das Jagen denn hier erlaubt?

      Es ist sogar erwünscht. Gib's doch zu, ich sag »Du«, okay? Die Jungs stehen doch drauf, schwarzes Haar, blasse Haut, schwarze Klamotten. Du bist doch bestimmt tätowiert, oder? Glaub mir, ich war mit genug Männern zusammen, ich weiß wie die ticken. Ich persönlich steh ja mehr auf knackig braun. Jagst du nur Gitarristen und Motorradfahrer oder suchst du andere Qualitäten?

      Lilli hebt ihren Drink an die Lippen und leert das Glas zur Hälfte. Der Barkeeper spricht weiter.

      Lass mich raten, der süße Typ, der da auf uns zukommt, ist was für dich.

      Als sie das Glas wieder auf die Theke stellen will, legt ein tätowierter Arm zwei weiße Plastikchips vor Martin.

      Ein Bier, bitte.

      Der Blick des Fremden fällt in Lillis regungslose Augen. Sie trinkt das Glas aus, schluckt die Eiswürfel herunter und stellt es, ohne hinzusehen, neben die Plastikchips.

      Noch einen.

      Null Problemo, Schwester.

      Der Fremde kriegt seinen Mund auf.

      Hi, ich warte auf ein paar Freunde, darf ich mich solange zu dir setzen?

      Sie wartet eine Sekunde.

      Wenn du dich traust.

      Er traut sich.

      Martin stellt die Drinks auf die Theke.

      Ruft mich, wenn ihr was braucht. Der DJ scratcht, ich wische die Tische ab, es hört sich fast gleich an, aber ich kriege mehr Trinkgeld. Verrückte Welt.

      Der Fremde prostet Lilli schüchtern zu.

      Ich bin Christian. Worauf sollen wir trinken?

      Lilli wartet eine weitere Sekunde, bevor sie ihr Glas hebt.

      Lilli. Auf den Apache.

      Christian stößt zögernd mit Lilli an.

      Auf den Apache.

      Er nimmt einen großen Schluck, Lilli trinkt ihr Glas halb leer.

      Ich bin verwirrt, meinst du jetzt einen Indianer oder den Kampfhubschrauber?

      Hättest du auf eine Tötungsmaschine mit mir angestoßen?

      Ganz ehrlich gesagt schon, ich bin gegen den Einsatz dieser Hubschrauber, aber sie sind Meisterwerke der Technik. Ich steh auf Waffen, auch wenn ich Pazifist bin. Mich fasziniert die Präzision.

      Lilli leert ihr Glas und schluckt die Eiswürfel herunter. Christian weiß nicht ganz ob ihn das anmacht oder ob er lieber gehen sollte.

      Lilli, der Name ist schön. Ist das ein Spitzname?

      Willst du tanzen?

      Christian dreht seinen Kopf leicht perplex zur leeren Tanzfläche.

      Tanzen? Ja, klar.

      Er trinkt sein Bier bis auf zwei Schlücke aus. Lilli steht auf und bietet ihm ihre Hand an als würden sie auf einem Renaissanceball tanzen. Leicht perplex, aber amüsiert reicht er behutsam nach ihren Fingern und führt sie auf die Tanzfläche.

      Ich kann aber keinen Walzer oder so tanzen.

      Als der DJ sieht wie Lilli Christians Hände auf ihre Hüfte und dann ihre Hände auf seine Schultern legt, schwört er sich vor der Arbeit nie wieder Drogen zu nehmen. Es läuft Dubstep.

      Und jetzt einfach langsam nach links und dann langsam nach rechts.

      Beide wippen hin und her, während sie allmählich die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich ziehen. Christian kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.

      Du bist schräg. Das mag ich.

      Lilli verzieht keine Miene.

      Ich heiße Lillith, wie in der Thora.

      Bist du Jüdin? Also das ist für mich kein Thema, ich …

      Nein, ich gehöre keiner Religion an.

      Christian registriert die Blicke der anderen Gäste, doch er findet irgendwie gefallen an der bizarren Situation.

      Du bist Atheistin?

      Nein, nein, ich zweifle nicht an Gottes Existenz. Aber ich habe ihn nie persönlich kennengelernt.

      Ja, ich verstehe was du meinst. Und was machst du so?

      Ich habe frei bis Halloween. Dann arbeite ich im Familiengeschäft weiter.

      Du sagst das als ob du bei der Mafia bist.

      Nein, die Mafia ist bei uns.

      Christians Freunde betreten den Raum. Jedem von ihnen gebührt ein Satz.

      Ey, Jungs, zieht euch das mal rein!

      Das ist doch Chris, aber wer ist die geile Sau?

      Nach meiner Meinung lautet die Frage: Warum tanzen die so auf Electromucke?

      Die Frage lautet eindeutig: Hat sie noch vier Freundinnen dabei?

      28.September

      In einem fast menschenleeren Museum steht Lilli seit mehr als einer halben Stunde vor einem barocken Ölgemälde und spielt mit der Zunge an ihrem Eckzahn. Der Museumswärter, ein kahlköpfiger Mann in seinen Vierzigern, stellt sich neben sie.

      Gefällt ihnen das Bild?

      Lilli nimmt die Augen nicht von der alten Leinwand.

      Ich bin extra dafür hergekommen. Es weckt Erinnerungen in mir. Die Menschen ändern sich mit der Zeit, aber im Kern bleiben sie immer gleich. Jede Person auf diesem Gemälde hatte ein mühseliges Leben. Sie wurden unter Schmerzen geboren und sind unter Schmerzen gestorben. Kein Licht das der Wind nicht löschen konnte, reine Finsternis. Krieg ohne Gewehre. Revoltierende Bauern die von Pferden tot getrampelt werden, Pfützen aus Blut auf dem Marktplatz und keiner schert sich darum. Haben Sie jemals in einem brennenden Dorf getanzt?

      Dem Museumswärter geht Regel 1 durch den Kopf: Quatsch die Besucher nicht an!

      Ich …


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