Irr(e)-Fahrt_nach_Wien_-_Ein_Reisetagebuch_. J. B. Camelon

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Irr(e)-Fahrt_nach_Wien_-_Ein_Reisetagebuch_ - J. B. Camelon


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Ziemlich genervt beförderte er plötzlich aus seinen Radtaschen einen neuen Schlauch zutage und machte Anstalten, ihn auf meinen Reifen zu montieren.

      Hannah:

       Ich war total platt und konnte es nicht fassen:“ Den wollen Sie uns wirklich geben?“ „Na ja, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig“, sagte Felix in resigniertem Tonfall. Okay, schon verstanden. Nachdem er vorher den Kavalier herausgekehrt hatte, wollte er jetzt nicht kneifen! Wir sagten vorsichtshalber nichts, während Felix sich weiter abmühte, um diese einmalige Chance auf einen nagelneuen Ersatzschlauch nicht zu verderben. Jedoch leider passte der Ersatzschlauch nicht! Nun war auch Felix ratlos. Aber wie es der Zufall wollte: mitten in dieser absoluten Verzweiflungsphase kam Retter Nr. 2: ein sympathischer mitteljunger Mann nebst Freundin. Der stellte dann fest: Das Ventil ist absolut in Ordnung! Nach dem Blas-, Druck- und Knet-Test des Schlauches musste auch Felix dies akzeptieren. Als nun vier fremde Leute sich um unser Reparaturproblem rissen und Berit und ich entmündigt daneben standen, bekam ich einen Lachkrampf und hatte Mühe, ihn zu unterdrücken!

      Berit:

       Hannah schaffte es absolut nicht, ihren Lachkrampf zu unterdrücken und die beiden fremden Männer sahen sie stirnrunzelnd an; sie fühlten sich wohl ausgelacht und nicht ernst genommen. Das junge Paar fuhr weiter. Felix schwang den kaputten Schlauch und fragte uns: “ Probieren wir`s?!“ Wir nickten resigniert, und er montierte den kaputten Schlauch wieder auf den Reifen. Dann fuhren auch er und seine Frau eilig weiter. Er drehte sich noch einmal um und rief: „ Wenn wir uns in Aschach in einer Kneipe treffen, können Sie mir ein Bier ausgeben!“ Wofür denn eigentlich? Höchstens für Mühe und Zeit, bzw. Zeitverschwendung, denn das Ergebnis ist ja leider gleich null! Auch wir radelten eilig weiter, nachdem Hannah ihr zahlreiches Werkzeug zusammengeklaubt hatte. Die Reparaturbemühungen von Felix erwiesen sich bald als unzureichend, was kein Wunder war, nachdem Felix ja eigentlich nichts anderes getan hatte, als den kaputten Reifen wieder aufzupumpen.

       Der Reifen ließ leider sehr bald wieder Luft, ich hielt das Rad fest und Hannah pumpte wie wild.

       Und siehe da – wer kam da wohl hoch zu Rad des Weges? Die Schmeißfliegen! Also die beiden Männer, die wir schon kurz nach der Abfahrt gesehen hatten! Hilfsbereit bleiben sie stehen und sprachen uns an. Sie hatten, wie sie berichteten, zwischendurch auch einen Platten gehabt. Nachdem wir ihnen von unserem Malheur berichtet hatten, waren sie voller Hochachtung, dass wir in zwischen genauso weit gefahren waren wie sie: immerhin inzwischen mehr als 50 km insgesamt!!

       Hannah:

       O je, und dann machten die beiden ihrem Kosenamen alle Ehre….Aber ich muss zu gegeben, dass sie zum Aufpumpen des besagten eigenwilligen Vorderreifens von Berit durchaus zu gebrauchen waren! Ganz Kavalier, nahmen sie mir die Pumpe aus der Hand und mühten sich ihrerseits damit ab. Und tatsächlich: es funktionierte! Die Luft hielt vorläufig! Tja, und dann bot sich eine gemeinsame Weiterfahrt natürlich geradezu an…

       Berit:

       „Glauben Sie ja nicht, wir würden uns absichtlich an Ihre Katzenaugen heften! Mein Computer sagt mir: wir haben die gleiche Geschwindigkeit: 18 km / h!“ sagte der eine. Wir beeilten uns, zu versichern, dass wir uns natürlich in keinster Weise von ihnen verfolgt fühlten!

      Hannah:

       Unter diesen Schmeißfliegen muss man sich zwei Herren um die fünfzig vorstellen, durchaus attraktiv und gepflegt und mit Top-Fahrrädern. Als Begleiter für uns aber natürlich viel zu alt! Sie würden uns irgendwie das Gefühl vermitteln, als wären wir mit zwei Aufsichtspersonen unterwegs, zwei ältliche Onkel oder so!! Sie sind übrigens sehr neugierig: nach Strich und Faden wurde wir nach unserem Studentenleben ausgefragt. Als die beiden mal kurz hinter uns zurückblieben, warf mir Berit einen vielsagenden Blick zu und raunte mir zu: „Die sind doch schwul, oder?“ Auf diese Idee war ich noch überhaupt nicht gekommen!

      Berit:

      Am Nachmittag ist es uns gelungen, sie gleich bei unserer Ankunft hier in Aschach – wohin wir inzwischen ohne weitere Zwischenfälle durchgeradelt sind - abzuhängen, denn wir brauchten dringend eine Werkstatt! Auch die Kaffeeeinladung der Schmeißfliegen konnte uns nicht locken. Kaum verschwanden wir aus ihrem Blickfeld, als eine wild winkende Gestalt am Straßenrand unsere Aufmerksamkeit erregte: Felix! „Und? Hat`s geklappt?“ rief er uns zu. Wir deuteten auf den wieder platten Reifen und er fuhr eilig davon. Er hatte sicher Angst, wir würden ihn erneut um Hilfe bitten! Wir setzten unsere Suche nach einer Werkstatt fort. Auf der anderen Donauseite fanden wir zwar eine, aber die war leider schon geschlossen.

       Aschach soll ja sehr schön sein. Es ist ein altes Schifferstädtchen. Es soll romantische Hinterhöfe und malerische Laubengänge geben. Laut Reisführer haben berühmte Baumeister hier gewirkt. Dieser Satz erinnerte mich an eine Liste lustiger Sätze aus Schulaufsätzen, unter anderem diesen: “In Leipzig haben viele berühmte Leute gelebt und gewürgt“. Das kommt dabei heraus, wenn man so vorsintflutliche Ausdrücke benutzt! Heutzutage wird gearbeitet…früher wurde „gewirkt“! Man stelle sich vor, man würde auf die Frage, wo man beschäftigt ist, beispielsweise antworten:“ Ich wirke bei Firma X als Sekretärin!“

       Da die Werkstatt geschlossen war, kehrten wir zur Ortsmitte zurück und picknickten auf einer Bank direkt an der Donau: Käsebrot und Wasser Ein älteres Ehepaar kam vorbei, und der Mann fragte: „Ist das Wein? Auch beim Radfahren können Sie Ihren Führerschein verlieren!“ Klugscheißer! Das sagte ich natürlich nicht. Stattdessen sagte ich:“ Wir machen Wasser zu Wein.“ Da lachte er.

       Hannah:

       Nach diesem üppigen Mahl machten wir uns auf Quartiersuche. Und wir hatten Glück: wir ergatterten die letzten zwei Zimmer in einem preiswerten Gasthof, der in unserem Radwanderführer vorgeschlagen wurde - sehr zum Leidwesen von zwei anderen quartiersuchenden Radfahrern, die fast gleichzeitig mit uns eintrafen und für die es dann keine Zimmer mehr gab. Wir luden unser Gepäck ab, duschten und zogen uns um, und dann landeten wir in dieser Kneipe, in der wir jetzt gerade sitzen, um uns von den Strapazen des ersten Reisetages zu erholen. Hier hat man jedenfalls seine Ruhe, es hat uns gerade noch gefehlt, dass die Schmeißfliegen sich auch genau diese Kneipe aussuchen und hereinkommen, während wir hier gemütlich…ach du Sch…, da kommen sie!!

      Berit:

       Plötzlich sagte Hannah:“ Achtung!“ und ich drehte mich um und erblickte die Schmeißfliegen, die gerade die Kneipe betreten hatten. Als auch sie uns erkannt hatten, schlenderten sie zielstrebig zu uns herüber und fragten:“ Dürfen wir uns dazusetzen?“ Hannah warf ihnen einen strengen Blick zu und behauptete, wir wären zu sehr mit unseren Postkarten und unserem Reisetagebuch beschäftigt. „Reisetagebuch?“ fragte der eine, und beide reckten interessiert den Hals. Hannah klappte das Heft energisch zu, und er dunklere von beiden sagte zu mir: “Also, Sie sind uns irgendwie lieber - wir glauben, Ihre Freundin mag uns nicht!“ „Ach was – nein, das stimmt ganz sicher nicht“, beeilte ich mich ihm zu versichern. Hannah blieb charmant wie ein Eisblock und nachdem die beiden eine ganze Weile neben unserem Tisch herumgestanden hatten, sagte er, der eindeutig der gesprächigere von beiden war:“ Was ist denn nun? Hier `rumstehen ist auch blöd.“

       Letztendlich saßen sie dann doch an unserem Tisch.

       Der Gesprächigere und heißt Peter, der Schweigsamere heißt Ronald. Wider Erwarten entpuppten sie sich als gute Unterhalter, zumal sie auch die Zeche übernahmen.

       Hannah und erklärte uns als durchaus bereit und in der Lage, wenigstens die Getränke zu zahlen, die wir vor ihrem Erscheinen zu uns genommen hatten, aber Peter sagte:“ Ich gehe mal davon aus, dass es weniger als zehn waren.“ Womit er durchaus Recht hatte. Peter ist Betriebswirt aus Bonn und Ronald ist Chemiker aus Wien. Sie arbeiten für den gleichen bekannten Konzern. Hannah und ich waren über diese Firma nicht besonders gut informiert, was die beiden Herren sehr erstaunte, um nicht zu sagen: kränkte! Und uns war das dann recht peinlich. Taktvoll wechselte Peter das Thema.

       Die beiden orientierten sich an dem gleichen Radwanderführer wie wir. Peter war in Passau sogar im gleichen Fahrradgeschäft gewesen wie ich, sein Rad hatte nämlich auf der Zugfahrt von Bonn nach Passau etwas gelitten. Ich beklagte mich darüber, dass


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