Wandlerin zwischen den Welten. Bianca Wörter
Читать онлайн книгу.tanzten ein paar Runden, bis es dunkel geworden war. Ralf entschuldigte sich und steckte die Fackeln im Garten an. Sofort herrschte richtige Partystimmung durch das warme, sich im Takt des leichten Windes bewegende Feuer.
Es war herrlich gemütlich: Die bunten Lichter im Garten, am und im Pool, das Wasser, das in allen Regenbogenfarben gleißte, das warme Licht der Fackeln - ich fühlte mich glücklich und so, als ob die Zeit stehen geblieben wäre.
Ralf kam wieder zu mir her und fragte, ob ich meinen Bikini mitgenommen hätte. Ich nickte. Ralf gab sofort das Zeichen, dass die Poolparty eröffnet sei. Alle verschwanden kurz in irgendwelchen Winkeln des Hauses oder Gartens, zogen sich um und erschienen in Badekleidung am Pool. Ich ließ mich von Ralf in eine kleine Kammer führen, wo er mich alleine ließ und ich mich in Ruhe umziehen konnte. Etwas komisch kam ich mir schon vor. Es war etwas anderes, wenn man am See Menschen begegnete, die nur Badekleidung trugen. Es war etwas ganz anderes, wenn man plötzlich Menschen in Badetracht begegnete, die man soeben in edler Abendgarderobe gesehen hatte. Gehemmt schlich ich mich nach draußen. Ich war die Letzte - alle anderen tummelten sich schon im Wasser. Also kletterte ich an der kleinen Leiter im Pool in das erstaunliche warme Nass.
Die Szene, die sich mir darbot, faszinierte mich: Überall nackte Haut, die sich durch die Wassertropfen in facettenreichem Glitzern darbot, das fröhliche Gelächter Erwachsener, die für kurze Zeit wieder zu kleinen Kindern wurden, die laue Sommernacht. Yan kam zu mir her geschwommen und drückte mich an den Schultern unter Wasser. Erschrocken schnappte ich nach Luft, schluckte Wasser, kam hustend und prustend wieder nach oben und rächte mich mit einem Schwall Wasser in Yans Gesicht. Ich grinste schadenfroh, als Yan erschrocken unterging, Wasser schluckte und hustend am Beckenrand hing.
Ralf kam zu uns herüber geschwommen: "Wie gefällt es euch?"
Ich lachte: "Herrlich!"
Durch die vielen Menschen im Pool konnte ich kaum mehr eine freie Stelle im Wasser erkennen. Ich dachte mir, dass so ein Pool vielleicht wenig interessant war, wenn man alleine schwimmen würde. Allein geht man lieber an den See oder ins Schwimmbad, da man dort Bekannte oder Freunde treffen würde - trotzdem wusste ich, dass ein Pool auf eigenem Grund und Boden der Traum schlafloser Nächte für viele sein und bleiben würde.
Ich fragte Ralf deshalb: "Schwimmst du oft hier?"
Ralf paddelte an meine Seite und flüsterte mir ins Ohr: "Verrat mich nicht, aber ich trainiere hart hier jeden Tag."
Mir schoss ein witziger Gedanke durch den Kopf, der nicht verstummen wollte. Meine Augen blitzten vor Schalk, als ich meine Stimme erhob und lautstark um Aufmerksamkeit bat. Das freudige Getümmel verstummte langsam und beinahe verließ mich der Mut.
Da aber plötzlich alle Augen auf mich gerichtet waren, blieb mir gar nichts anderes mehr übrig: "Hört bitte alle her. Ralf trainiert jeden Tag hier und möchte nun wissen, wie schnell er ist. Ich schlage ein Wettschwimmen unter den Männern vor."
Begeistertes Gemurmel drang von allen Seiten auf mich ein. Ich schmunzelte, während Ralf mich mit einem vernichtenden Blick versah. Schließlich ließen alle Männer verlauten, dass sie bereit waren, sich der Herausforderung zu stellen. Ich hatte in der Zwischenzeit auch eine Stoppuhr, integriert in eine Armbanduhr, organisiert, um die Zeiten zu nehmen.
Es konnte losgehen!
Wir verließen den Pool, aber es wurde eine lustige Vorstellung und bald wäre das Wettschwimmen vergessen worden: Ein Pärchen machte sich den Spaß daraus, das Aussteigen aus dem Pool ein wenig interessanter zu gestalten. Die Frau warf jedes Mal ihren Begleiter wieder ins Wasser zurück, kaum hatte der sich mühsam auf den Rand gekämpft. Plötzlich kam die Retourkutsche, denn als die Frau den Mann wieder in den Pool schubsen wollte, packte dieser sie am Arm und zog sie ins erfrischende Nass. Wir standen um den Pool herum, uns taten schon die Bäuche weh vor lachen und kamen uns wie im Kindergarten vor. Wir hatten uns schon lange nicht mehr so köstlich amüsiert. Endlich beruhigten wir uns, alle hatten das Wasser sicher verlassen und der Wettstreit konnte beginnen.
Mir wurde die Ehre zuteil, die Zeit zu stoppen. Ich wehrte mich nicht, hüllte mich in ein riesiges Badetuch ein, das mir Ralf angeboten hatte und stellte mich am Rand des Pools auf.
Insgesamt waren es fünfzehn Männer, die sich der Herausforderung stellen wollten. Die Männer sollten fünf Bahnen schwimmen, was einer Gesamtlänge von hundert Metern entsprach. Je fünf sollten gegeneinander schwimmen und die Gewinner der drei Durchgänge nochmals gegeneinander antreten, um den Gewinner zu ermitteln. In der ersten Runde ging Yan als Sieger hervor. In der zweiten Peter, den ich erst an diesem Abend kennen gelernt hatte. In der letzten Runde vor dem Finale dämmerte mir langsam, dass Ralf in mir ein lohnendes Opfer gesehen hatte, einen Wettbewerb ins Leben zu rufen. Er schien wirklich jeden Tag zu trainieren, denn er schwamm perfekt und sehr schnell. Natürlich wurde er der Sieger. Als Ralf mir aus dem Wasser einen Blick zuwarf, schien er zu erkennen, dass ich seinen Trick durchschaut hatte, denn er zwinkerte mir fröhlich zu.
'Na warte!', dachte ich.
Wir gönnten den Finalisten eine kleine Verschnaufpause und die Männer bedienten sich an der großzügig bestückten Bar. Ich schlich mich an Yan heran und bat ihn, Ralf einen Augenblick abzulenken. Yan verstand nicht, was ich im Sinn hatte, aber er tat, worum ich ihn gebeten hatte. Ralf zog das Alkoholische den Fruchtsäften vor. Er hatte sich vor dem Finale einen Wodka-Feige gemixt und ich hatte vor, den Drink ein wenig zu verstärken. Nachdem ich etwa die Hälfte seines Glases leer getrunken hatte, füllte ich es mit purem Wodka wieder auf. Dann überredete ich Ralf zu einem "Peperoni-Kuss", ähnlich dem Baguette-Kuss, nur, dass man anstatt dem Baguette eine feurig scharfe Peperoni nahm. Danach waren seine Geschmacksnerven erst einmal taub, sodass er den überschüssigen Wodka nicht mehr spürte, als er ihn herunter spülte, weil sein Mund brannte. Meine Zunge brannte höllisch, aber ich kaute lieber ein Stück Weißbrot, weil das die Wirkung schneller neutralisierte. Wir genossen die Pause mit vielen netten Gesprächen und die Frage kam auf, was für eine Belohnung für den Sieger bereitstehen würde.
Der Diskussion wurde schnell ein Ende gesetzt, denn eine der Frauen kannte ein tolles Rezept für einen Cocktail und stellte schnell fest, dass alle Zutaten dafür in der Bar vorhanden waren. Die letzte Runde begann.
Ich konnte vor dem Start in Ralfs Augen erkennen, dass der Extraschuss Wodka seine Wirkung tat. Normalerweise hätte ich so etwas nie getan, aber es war für mich im Moment die beste Chance gewesen, mich für Ralfs List zu revanchieren. Außerdem musste er kein Auto mehr fahren. Der Startschuss fiel und nach den ersten beiden Bahnen konnten wir noch nicht erkennen, wer als Sieger hervorgehen würde. Nach der dritten lag Ralf etwas weiter vorne, baute aber schnell ab, wurde in der vierten Bahn von Yan überholt und am Ende der fünften war er sogar Letzter. Yan gewann, dicht gefolgt von Peter, Ralf lag fast zehn Meter zurück.
Als Yan und Peter am Ziel anschlugen, ging Ralf plötzlich unter und bewegte sich nicht mehr.
Schreck durchfuhr meine Glieder, das Adrenalin pochte in meinen Schläfen.
Ich überlegte keine Sekunde und während die anderen noch zu überlegen schienen, ob Ralf Spaß machte, oder ob es Ernst war, war ich mit einem Kopfsprung im Wasser gelandet, nahm Ralf in den Rettungsschwimmergriff und schleppte ihn an den seitlichen Rand. Yan und Peter begriffen als erstes die Situation und halfen mir den leblosen Körper von Ralf mit schlaff hängenden Gliedern über den Rand des Swimmingpools auf den Boden zu ziehen.
Ich fühlte mich schuldig, war geschockt, dachte darüber nach, was ich angerichtet hatte. Noch während ich darüber nachdachte, stieg ich aus dem Pool, beugte mich über den schlaffen Körper von Ralf und wollte eine Mund-zu-Mund-Beatmung einleiten, weil ich bei ihm keinerlei Atmung mehr erkennen konnte. Doch als ich meine Lippen auf seine presste, erwachte er plötzlich zum Leben. Mein langes Haar verdeckte unsere beiden Gesichter und so konnte keiner sehen, dass Ralf meine Lippen mit einem Kuss verschloss und mir dabei schelmisch zuzwinkerte.
Er hatte es tatsächlich schon wieder geschafft mich hereinzulegen!
Ich setzte mich wütend auf, Ralf erhob sich gemächlich, hustete gekünstelt, spuckte einen Schwall Wasser aus und alle atmeten erleichtert auf und lachten. Yans Sieg bei dem kleinen Wettbewerb war