Uppers End. Birgit Henriette Lutherer

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Uppers End - Birgit Henriette Lutherer


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und zu bestrafen. Er versteckt damit seine eigene Angst oder seine Minderwertigkeitsgefühle. Der Scherge quält andere auf physische, emotionale oder mentale Weise. Das bereitet ihm großen Spaß. Auch das kann ich leider bestätigen. Wenn ich es nicht genau wüsste, würde ich behaupten, die Stasi hatte ihre Überwachungs- und Reglementierungsmethoden von Hannah abgeguckt. Lassen wir das, sonst…! Zum guten Schluss ist da noch die Dirne. Im Aspekt der Dirne verbirgt sich der Verlust sexueller Integrität. Sie verkauft sich für Geld, um ihre materielle Gier zu befriedigen.“

      „Da hört sich doch wohl alles auf! Du nennst mich eine Nutte?“

      „Nee, das tu ich nicht! Da gibt es einen feinen Unterschied. Es gibt natürlich die Dirne. Sie macht ihren, wie ich persönlich meine, wichtigen Job und bekommt selbstverständlich gutes Geld für ihre Dienste. Es gibt aber auch, und hier liegt der Unterschied Hannah, den Aspekt der Dirne im Schatten eines Seins. Genau diesen Aspekt hat Tomasin dir gegeben. Versteh mich nicht falsch Hannah, niemand hat dich auf der Erde als Nutte angesehen. Ganz im Gegenteil sogar. Du warst immer eine integre, geschätzte Frau.“

      „Das will ich wohl meinen!“

      Heinrich war anderer Meinung. „Da habt ihr euch aber die perfekte Paarung ausgedacht. Respekt Upper, Respekt Tomasin“, applaudierte Heinrich hämisch. „Die Dirne kam mir gut zu Pass. Ich wusste, sie brauchte Geld für ihre Familie. Mein Sohn Erhard, diese Nulpe hat ja nichts auf die Reihe gekriegt. Das Geld, das er verdiente, langte hinten und vorne nicht, um die Mäuler zu Hause zu stopfen. Ich jedenfalls hatte ein gutes Sümmchen in Petto. Warum also sollte Hannah sich nicht was nebenbei verdienen? Sie hatte alle Voraussetzungen von hier mitgebracht. Das hat Linda gerade selber gesagt. Was lag da näher, als bei mir das nötige Geld zu verdienen? Es blieb ja in der Familie. Was daran sollte also verwerflich sein?“

      „Du dreckiger Schmutzbuckel!“, platzte es aus Linda heraus. Nicht nur mich, sondern auch Hannah?! Du fieses Miststück! Du Kretin!“ Linda kam wieder in Rage.

      „Linda, zügle dich!“, mahnte Upper.

      „Nun gut“, sagte Linda „ich gebe zu, es war tatsächlich eine passende Kombination zwischen Hannah und mir. Der Kraftstrotzende stand dem Zerstörer gegenüber, also konstruktive Kraft gegen destruktive Kraft. Die gute Fee dem Schergen, also Wohlwollen und Güte gegen Dominanz und Strafe und die hilfreiche Gönnerin der Dirne, also ausgewogenes Geben und Nehmen gegen Befriedigung der Gier. Somit sah ich mich mit meinem negativen Gegenpol konfrontiert. Ich nahm den Kampf auf – und gewann ihn dank Fridolins Hilfe. Ich denke, ohne seine Gabe an Quod wäre mir das nicht gelungen. Danke mein Freund.“

      Auch Hannah und Erhard bedankten sich artig bei Fridolin. Sie sahen jetzt ein, dass Linda es ohne seine Hilfe nicht überlebt hätte.

      „Wieso hast du dich überhaupt darauf eingelassen, mein Freund?“, fragte Linda Fridolin mit fragenden großen Augen. Sie konnte immer noch nicht glauben, was Upper und Tomasin mit ihr und Hannah gemacht hatten. Besonders irritierte Linda der Umstand, dass ihr Vertrauter, ihr Begleiter Fridolin mit von der Partie war.

      „Zum einen, weil Upper mich beauftragt hatte“, antwortete er. Und zum anderen, weil ich da noch eine Schuld begleichen musste.“ Es war Fridolin sichtlich peinlich sich zu offenbaren. Doch er musste es tun. Das war er Linda schuldig. Sie hatte immerzu so tapfer gekämpft und war so oft schändlich hintergangen worden, da musste er alles offenlegen. Linda sollte nun, zum guten Schluss, auch die Hintergründe erfahren, die zu ihrem schwierigen Start in ihr Leben auf der Erde geführt hatten.

      „Fridolin, du musstest eine Schuld begleichen? Das glaube ich dir nicht! Du bist der zuverlässigste, ehrlichste, verlässlichste, integerste Typ, dem ich je begegnet bin.“

      „Danke Linda für dein Vertrauen. Aber leider muss ich dich enttäuschen. Mir ist da mal ein Fehler unterlaufen. Ich hab´ mal nicht richtig aufgepasst und mich überrumpeln lassen.“ Fridolin stand zerknirscht da.

      „Was ist passiert Fridolin?“ In solch desolatem Gemütszustand hatte sie ihren Vertrauten noch nie gesehen. In der Tat war das noch nie vorgekommen.

      „Weißt du Linda, da war die Sache mit Dorian Gray. Ich kann dir nicht einmal sagen, wie es dazu kam, aber er rang mir die ewige Jugend ab und stoppte damit das Sterben seiner Schönheit.“

      „Was, der Kerl lebte wirklich?“ Kanep war fasziniert. „Weißt du noch Linda, damals in unserer Jugend hatten wir das Buch gelesen – Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde. Das war doch nur ein Roman! Und jetzt

      kommst du Fridolin und willst uns erzählen, den gab es wirklich?“

      „So ist es, Kanep. Oscar Wilde hat daraus eine Geschichte gemacht.“

      „Wie bitteschön, soll er denn an die Info gekommen sein?“

      „Das war Tomasins Idee. Tomasin hatte mitbekommen, was ich gemacht hatte. Er kam zu mir und sagte, es wäre besser, wenn Upper nichts davon erfahren würde. Er mutmaßte, Upper würde bestimmt sehr zornig werden und das könnte schwerwiegende Folgen für alle Forschungs-Seins auf der Erde haben. Nun ja, Tomasin überzeugte mich. Wir schmiedeten einen Plan. Tomasin sollte Grays Schatten viel Bedeutung geben. Die Dekadenz und die Abgründe der Gesellschaft sollten dadurch präsent werden. Indem Gray dann mit seinem Schatten konfrontiert werden würde, würde Fridolins Gabe der ewigen Jugend irgendwann hinfällig werden. Nun musste die Sache nur noch vor Upper vertuscht werden. Deshalb gab Tomasin den Vorfall ins Wissende Feld. So kam es, dass der Schriftsteller Oscar Wilde, der gerade auf der Suche nach einem Stoff für eine neue Geschichte war, an die Info kam und inspiriert wurde. Fortan gehörte der Fall Dorian Gray der Welt der Literatur an. C´est ca! Da Tomasin mir aus der Klemme geholfen hatte, hatte er eben noch was gut bei mir. So einfach ist das.“

      Martha wurde neugierig. Da gab es etwas, das sie nicht kannte und überaus nützlich für sie werden könnte. „Du, sag mal Fridolin, du sprachst gerade von dem Wissenden Feld – was soll das sein?“

      „Wie jetzt Martha, das kennst du nicht? Das hätte ich gerade von dir nicht erwartet. Ich erkläre es dir aber selbstverständlich gerne. Das Wissende Feld beinhaltet Informationen aller jemals dagewesenen Dinge. Zum Beispiel findet man dort auch die Erfahrungsberichte aller heimgekehrten Forschungs-Seins oder geheimes Wissen und so weiter. Manche nennen es auch die Akasha-Chronik oder das Morphische Feld.“

      Plötzlich schreckte Martha zusammen. „Du meinst, alle können zu jeder Zeit Informationen aus dem Wissenden Feld erhalten und Dinge in Erfahrung bringen?!?“

      „Ja genau, Martha. Das gelingt jedoch nur, wenn das Wissen für den Fragenden freigegeben ist. Das ist eine Art Sicherung, denn es kann vorkommen, dass jemand mit der Auskunft überfordert wäre.“

      „Meinst du Linda hatte Zugriff auf solche Dinge?“

      „Ja was glaubst du denn? Linda hatte die Erinnerung an Zuhause dabei. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass sie entdecken würde, dass ihr alle Informationen zur Verfügung stünden. Außerdem war sie von Upper losgeschickt worden, um Dinge in eurer Familie aufzudecken. Natürlich hatte sie Zugriff!“

      „Verfluchtes Balg! Wäre ich nur konsequenter gewesen.“ Martha begann wieder Linda anzugehen, wurde diesmal jedoch sofort von Upper in ihre Schranken gewiesen. „Schweig Martha! Du hast hier gerade nichts zu vermelden!“ Damit ließ er Martha stehen und widmete sich wieder Linda. „Linda, sei so lieb und erzähl uns bitte wie du aus Hannahs Bauch herausgekommen bist.“

      „Das war so: Ich hatte die Besinnung verloren. Ich war vom Herauskämpfen so schwach, dass all meine Lebensfunktionen schwanden. Zur Hälfte steckte ich mit meinem Körper in meiner Behausung, mit der anderen Hälfte, Kopf und Schulter, im Kanal hinter der Öffnung. Ich steckte fest. Nichts regte sich. Es ging weder vor noch zurück. Von Hannah konnte ich auch keine Regung wahrnehmen. Ich kriegte gerade eben noch so mit, dass von außen etwas auf Hannahs Bauch drückte. Ich meinte etwas zu rutschen, dann griff jemand nach meinem Kopf, packte ihn und zog mich aus dem Kanal heraus. Danach verlor ich vollends das Bewusstsein. Alles war still in mir – so friedlich. Aus weiter Ferne hörte ich Stimmen: ´Kümmert euch um die Mutter! Sie hat Zuhause zwei kleine Kinder. Und das kleine Mädchen? ´, fragte


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