Uppers End. Birgit Henriette Lutherer

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Uppers End - Birgit Henriette Lutherer


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ein bisschen stolz auf Kanep und freute sich für ihn. Endlich hätte er mal wieder interessante Gesprächspartner mit hohem Niveau.

      Upper bat Max seine Frage zu wiederholen. Also begann er: „Wie kann es sein, dass Hans von Heinrichs Schatten ergriffen werden konnte, obwohl er ein beinahe unbesiegbares Phantom-Sein war?“

      „Ach ja, genau das war deine Frage.“ Tomasin erinnerte sich wieder. „Das ist eine gute Frage Max. Tatsächlich ist ein Phantom-Sein beinahe unbesiegbar, denn man bekommt es kaum zu packen. Aber bei Hans war das möglich. Wie schon erwähnt, spielte Heinrich gerne mit den Kindern. Besonders gerne spielte er mit dem kleinen Hans, dem Stammhalter der Familie. Wann immer es möglich war, packte er ihn und kitzelte ihn durch. Berührte ihn hier und bald dort und ließ keine Stelle aus. Heinrich konnte seine Finger nicht von Hans lassen. Immerzu musste er ihn befummeln. Wenn sie alleine waren, spielte er mit Hans ein besonderes Kitzel-Spiel: Er kitzelte ihn an Körperstellen, die sonst niemand außer Hannah berühren durfte, wenn sie ihn badete. Deshalb war das ein großes Geheimnis zwischen Hans und seinem Opa. Keiner durfte davon erfahren. Hans fühlte sich zwar nicht wohl dabei, aber er musste es geschehen lassen, weil man lieb sein musste zu Opa. Außerdem hielt Heinrich den kleinen Hans jedes Mal so fest umklammert, dass es kein Entwischen für ihn gab. Hans war in Heinrichs Fängen. Es gab wirklich kein Entrinnen. Was sollte er tun? Es seiner Mutter sagen oder gar seinem Vater? Sagen, dass sein Vater seinen Sohn zwang Dinge zu tun, für die er, Hans, sich schämen musste? Und wem würde man glauben? Ihm, einem kleinen Jungen, der von solchen Sachen noch gar nichts wissen durfte oder Heinrich, seinem Opa und Papas Vater? Hans hatte Angst und diese Angst schwächte ihn immer mehr, je länger es andauerte. Nach einigen Jahren hatte Heinrich den kleinen Hans kaputtgespielt. Er hatte sein Ziel erreicht. Hans Sein war so geschwächt, das sein starker Archetyp an Kraft verlor und sein Schatten die Oberhand gewann. Dadurch konnten Hans´ Schatten und Heinrichs Schatten in Resonanz gehen. Als Heinrich mit Fridolin die große Reise zurück antrat, war das Werk vollbracht. Heinrich hatte Hans seinen Schatten übertragen, der nun in ihm weiter leben konnte.“

      „Wie ging es danach weiter?“, wollte Linda wissen.

      „Das weißt du selber, Linda. Das ist deine Geschichte. Wir würden jetzt gerne von dir hören, was bei dir geschah. Wie ging es für dich weiter, nachdem du dem Backofen entronnen warst?“

      „Moment bitte, warte Linda“, unterbrach Hannah sie. „Linda, ich muss wissen, was da los war. Welche Schatten waren da im Spiel? Was ist mit meinem kleinen Hans passiert? Ich will´s wissen! Ich möchte, dass alles ans Licht kommt. Die Wahrheit – ich will die Wahrheit!“ Hannah flehte Linda verzweifelt an. Sie konnte nicht glauben, was sie da über Heinrich erfahren musste.

      „Okay Hannah, ich sag´s dir, aber versprich mir eins: Lass bitte das, was ich gleich preisgebe, zunächst unkommentiert stehen. Hör einfach nur zu, denn es wird vorerst einen Teilaspekt der ganzen Geschichte beleuchten.“

      „Wieso Teilaspekt? Gibt es denn da noch mehr?“

      „Leider ja, und es wird dir nicht gefallen – keinem hier!“ Aus dem Augenwinkel konnte Linda sehen, wie Heinrich und Martha sich davonstehlen wollten. Rasch wandte sie sich ihnen zu. „Wo wollt ihr denn hin? Wollt ihr etwa abhauen? Das könnte euch so passen! Ihr kommt schön wieder her und hört euch an, was ich zu berichten habe!“

      Heinrich und Martha blieben trotzig stehen, machten aber keinerlei Anstalten, wieder in die einberufene Versammlung zurückzukehren.

      „Martha und Heinrich!“, donnerte Upper los, dass es nur so schepperte.

      „Wollt ihr wohl gehorchen?“

      „Was, der kleinen Göre da? Ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?“

      „Diese kleine Göre da, wie ihr sie so abschätzig nennt, ist Linda, ein großes, erfahrenes Forscher-Sein. Wagt es ja nicht und widersetzt euch ihr!“

      „Ist ja gut, Upper. Die soll sich nur nicht so aufspielen. Pah, vom mickrigen Ding – oooh - zum großen Sein, so´ n Mumpitz!“ Martha versuchte Linda zu verhöhnen. Mit übertrieben gespielten Gesten, verbeugte sie sich vor ihr.

      „Jetzt ist aber Schluss!“, donnerte Upper erneut los. „Kanep, sei so gut und hab ein Auge auf die beiden.“

      „Klar doch! Das ist mir ein Vergnügen, Upper. Das Pack entwischt mir nicht – keine Sorge. Und schau mal, wen ich hier habe.“ Kanep hielt einen kräftigen weißgrau gemusterten Kater mit seinen beiden Händen in die Höhe. „Das ist Moritz! Na, Martha, kennst´ e den noch?“

      Und ob Martha Kater Moritz kannte. Zu Lebzeiten auf der Erde konnten die beiden nicht gut miteinander. Martha stach häufig mit ihrer Gehhilfe nach ihm, wenn sie damals bei Linda und Kanep zu Besuch war. Und Moritz rächte sich dann, indem er seine Krallen ausfuhr und Martha kratzte. Meistens gelang es ihm aber sich aus dem Staub zu machen, bevor Martha ins Haus kam, denn eigentlich war Moritz ein friedlicher Kater, der keinem Menschen etwas zu leide tat. Als Moritz´ Leben dann zu Ende war und er hierher zurückkehrte, Martha war schon da, machte er etwas, das alle überraschte: Er hatte Linda auf der Erde oft denken hören: ´Na wartet, wenn ich eines Tages da oben bin´ , damit meinte sie ihr Zuhause in das sie nach ihrem Erdenleben zurückgehen würde, ´dann könnt ihr was erleben. Zieht euch am besten warm an, denn wenn ich komme, dann gibt es die große Abrechnung – das schwöre ich euch! ´. Moritz war damals traurig darüber, dass Linda so sehr unter den Machenschaften ihrer Familie, besonders der Großeltern, leiden musste. Deshalb erstattete er Upper einen Besuch und berichtete schon mal vorab, was er erfahren hatte. Das wiederum veranlasste Upper, Lindas Familie, die zum Zeitpunkt ihrer Ankunft da sein würde, einzubestellen, wenn es so weit wäre. Linda allerdings sendete er eine Botschaft. Wenige Stunden, nachdem Moritz die Erde verlassen hatte, brach ohne Vorwarnung ein heftiges Gewitter aus. Linda wusste sofort: das hatte mit Moritz zu tun. Er hatte schon mal eine warnende Ankündigung gemacht,

      die an der richtigen Stelle angekommen war.

      „Danke Kanep. Unser Moritz ist eine prima Verstärkung. Dann kann ich nun endlich loslegen und über die Schatten reden. Ich fange am besten mit Hans an: Hans´ Schatten beinhaltete den Schergen, den Tunichtgut und die Dirne. Demgegenüber stand sein Archetyp mit den Aspekten Kraftstrotzender, gute Fee und der Wohlwollende. Damit war Hans´ Phantom-Sein ausgewogen. Der Kraftstrotzende korrelierte mit dem Tunichtgut, die gute Fee mit der Dirne und der Wohlwollende mit dem Schergen. Doch dann begann Heinrich sein durchtriebenes Spiel. Er schaffte es, dass Hans´ Archetyp schwächer und schwächer wurde, denn seine Schattenaspekte waren genau richtig, um mit Hans´ in Resonanz zu gehen und sie zu verstärken. Es passte hervorragend. Heinrichs Schatten besaß die Aspekte des Hanswursts, des Denunzianten und des Killers. Der Hanswurst ging eine Verbindung mit dem Tunichtgut ein, die Dirne mit dem Denunzianten und der Scherge mit dem Killer. Gegen diese Macht kam Hans´ Archetyp schwerlich an. Trotzdem versuchte er es beständig. Hans befand sich fortan in einem unaufhörlichen Kampf zwischen Gut und Böse. Er zerriss den armen Kerl beinahe und hinderte ihn daran einen guten Stand im Leben zu erlangen.“

      „Du Scheusal! Was hast du mit meinem Jungen gemacht?“, fuhr es aus Erhard heraus.

      „Mit dir war doch nichts los“, antwortete Heinrich lakonisch. „Eine einzige Enttäuschung warst du für mich. Ein Neutro-Sein, was konnte ich damit schon anfangen?! Bestimmt nicht als mein Nachfolger.“

      „Lass gut sein Erhard. Ich hab´ Linda versprochen ruhig zu sein. Sei du das bitte auch.“ Zähneknirschend hielt Erhard sich zurück, aber er nahm sich vor, bei nächst bietender Gelegenheit, würde er sich Heinrich vorknöpfen.

      „So Hannah, das muss fürs erste genügen. Ich mach jetzt weiter mit meinem Bericht. Schließlich hat sich da noch einiges zugetragen, was erwähnenswert ist. Die Bekanntschaft mit dem Backofen war ein heilsamer Schock für mich gewesen. Von dem Moment an trank ich jedes Milchfläschchen, das man mir anbot, bis zum letzten Tropfen aus. Ich musste stark werden und ich wollte mich so frei bewegen und so rumlaufen können wie meine Geschwister. Nur, es war nicht so einfach, wie es mir vorgestellt hatte. Ich neigte mal wieder zur Übertreibung. Ich denke, das lag damals an meinem Archetyp. Upper hatte mir ja den Aspekt der hilfreichen Gönnerin gegeben. Das war natürlich in Ordnung, denn


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