Einer von Hoods Texanern. William Andrew Fletcher
Читать онлайн книгу.aufgeklärte und humane Gesellschaft zweifellos früher oder später auf die eine oder andere Weise das Ende dieser Institution herbeiführen würde. Er befürchtete, dass dies durch einen Krieg geschehen könne, da sowohl im Norden als auch im Süden die Aufwiegler das lauteste Wort zu führen schienen und die gemäßigten Staatsmänner offensichtlich in der Minderheit waren. Sollten die Dinge nicht schon bald einen anderen Verlauf nehmen, so war damit zu rechnen, dass unweigerlich der Boden zahlloser Schlachtfelder das Blut der jungen Männer trinken würde.
Die Überzeugung meines Vaters war bereits damals unpopulär und wurde im Laufe der Jahre bei der Bevölkerung nur noch unbeliebter, sodass er sie schließlich nur noch gegenüber seinen engsten Freunden äußerte, für die der freie und ungehemmte Meinungsaustausch selbst bei kontroversen Themen eine Selbstverständlichkeit darstellte. Die hitzköpfigen Politiker und Prediger schienen die öffentliche Meinung nach Belieben formen zu können, ohne sich dabei um das Wohl der Nation zu scheren. In Nord wie Süd verwies man auf die Bibel und die Verfassung, um die Richtigkeit und Gerechtigkeit des eigenen Standpunktes zu beweisen. Die Prediger sahen Gott auf ihrer Seite und hatten entsprechende Bibelpassagen parat, während die Politiker die Verfassung zitierten und überzeugt waren, "Gott und sämtliche zivilisierten Nationen" auf ihrer Seite zu haben. Unter dieser kompromisslosen Rhetorik wuchs eine Generation von kämpferischen, selbstsicheren Männern heran und so musste schließlich Blut fließen. Blut erschien ihnen als die einzige Lösung und es wurde wahrlich genug davon vergossen.
Mein Vater hielt unseren überwiegend von Negern besiedelten Distrikt für einen denkbar schlechten Wohnort während des Krieges, von dessen baldigem Ausbruch er so fest überzeugt war, und so verkaufte er Haus und Hof und wir zogen nach Texas, wo wir uns im Juni 1856 bei Wiess Bluff in Jasper County niederließen. Dort machte mein Vater die Bekanntschaft von Simon Wiess, einem belesenen und intelligenten alten Herrn, der die Ansichten und Befürchtungen meines Vaters teilte, sich dem drohenden Unglück jedoch auf andere Weise zu entziehen trachtete. Ich hörte ihn meinem Vater gegenüber anmerken, dass er versuchen wollte, seinen Besitz ohne allzu großen Verlust zu verkaufen und in die Republik Mexiko zu ziehen, um seine Söhne vor dem Heeresdienst zu bewahren. Während wir bei Wiess Bluff lebten, hörte ich außer Vater und Wiess niemanden jemals von einem Krieg sprechen.
Im Jahr 1859 zogen wir nach Beaumont, Texas und dort gab es nur wenige hitzköpfige Kriegstreiber, allerdings waren die wenigen, die ihre Stimme erhoben, über alle Maßen radikalisiert. Man hörte Behauptungen wie: "Ich kann jederzeit meine wenigen Neger bewaffnen und selbst die können eine ganze Kompanie Yankees in den Norden zurückjagen" oder: "Ein einziger Südstaatler kann mit seiner überlegenen Schießkunst all die verdammten Blaubäuche niederschießen, sobald sie in Sichtweite kommen." Tatsächlich hörte ich vor dem Krieg und auch noch in den ersten Kriegsmonaten die häufig geäußerte Meinung, dass der Krieg lediglich ein kurzes Abenteuer sein würde und nur die allerersten Freiwilligen Gelegenheit haben würden, an dem Spaß teilzuhaben. All diese Parolen überwältigten mühelos mein bisschen gesunden Menschenverstand und so glaubte ich den Politikern das meiste und den Predigern alles, da diese ja auf die Heilige Schrift verwiesen. Jenen Ansichten, wie sie mein Vater vertrat, begegneten wir jungen Männer damals so, wie die Jugend stets den Meinungen des Alters begegnet: Sie mochten durchaus ihre Berechtigung haben, erschienen uns jedoch schlicht nicht zeitgemäß.
Ich saß gerade auf dem Dach eines zweistöckigen Hauses und verlegte die letzten Schindeln, als Kapitän William Rogers angelaufen kam und die Kapitulation von Fort Sumter sowie die folgende Kriegserklärung verkündete. Die Neuigkeit hatte ihn durch einen Flussdampfer erreicht, der gerade aus Sabine Pass eingetroffen war. Ich machte mir Sorgen, mich womöglich nicht mehr rechtzeitig zu den Soldaten melden zu können, da ich ja noch mein Dach fertigdecken musste und so arbeitete ich hastig weiter und löcherte dabei Kapitän Rogers mit Fragen. Sobald die Arbeit vollbracht war, erklärte ich Rogers, dass ich am nächsten Tag die Eisenbahn nach Houston, und falls notwendig gar nach Galveston, nehmen wolle, um mich auf irgendeinem Wege bei einem Regiment zu verpflichten. Rogers erklärte sich bereit, die Hälfte meiner Fahrtkosten zu zahlen. Am folgenden Tag sicherte ich mir also einen Platz in einem Güterwaggon und traf einige Stunden später in Liberty ein, wo ich auf eine Handhebeldraisine umstieg und mir die Seele aus dem Leib pumpte, bis ich Houston erreichte. Ich traf gegen Einbruch der Nacht dort ein und begann sogleich, mich nach den örtlichen Rekrutierungsbüros zu erkundigen. Es stellte sich heraus, dass noch keine organisierte Anwerbung von Freiwilligen stattfand, aber mit dem baldigen Beginn derartiger Bemühungen zu rechnen war. Man gab mir zu verstehen, dass ich mir keine Hoffnungen auf Erfolg zu machen bräuchte, da sämtliche jungen Burschen der Stadt bereits begierig seien, sich bei der ersten Gelegenheit zu den Fahnen zu melden. Ich begab mich also am nächsten Tag nach Galveston, doch dort erging es mir nicht anders als in Houston und so nahm ich das erste Dampfschiff zurück nach Liberty. Hier kam mir zu Ohren, dass ein Mann namens Bryan im Begriffe war, eine Kompanie Soldaten aufzustellen und so lief ich unverzüglich zu seinem abseits des Ortes gelegenen Haus. Er teilte mir mit, dass er die örtlichen Jungs bevorzugte und hoffte, genug von ihnen zusammenzubekommen, doch ich wollte mich mit dieser Absage nicht zufriedengeben und konnte ihn schließlich überzeugen, Rogers und mich in die Stammrolle seiner Kompanie aufzunehmen. Ich kehrte für einige Tage nach Hause zurück, bevor ich nach Lynchburg ging, wo ich vereidigt wurde. Hier verbrachten wir einige weitere Tage, bis wir nach Richmond, Virginia geschickt wurden. Rogers hatte eine Stellung auf einem Dampfschiff angenommen und war deshalb nicht gemeinsam mit mir vereidigt worden. Auf unserem Weg nach Richmond kamen wir durch Beaumont, wo sich weitere Rekruten der Kompanie anschlossen und auch während wir Louisiana durchquerten, stießen einige Männer zu uns.
Die Abschiedsworte meines Vaters lauteten: "William, ich habe diese Tragödie schon seit Jahren kommen gesehen und die Entwicklung der Dinge ist zweifellos reiner Wahnsinn, da der Süden nicht die geringste Aussicht hat, diesen Krieg zu gewinnen. Der Norden wird unsere Seehäfen blockieren und nicht nur über eine Übermacht an Menschen und Material verfügen, sondern sich zudem noch aus dem unbeschränkten Handel mit der gesamten Welt verstärken. Wenn du lebendig aus dem Krieg zurückkehrst, wirst du wissen, dass meine Vorhersagen eingetroffen sind. Ich bin stets ein entschiedener Gegner dieses Krieges gewesen, aber nun, da er ausgebrochen ist, möchte ich dir sagen, dass du mit der Verteidigung deiner Heimat den einzigen ehrenvollen Weg gewählt hast."
In Beaumont gingen wir an Bord eines Dampfschiffes nach Niblets Bluff, Louisiana. Nach unserer Abfahrt war Beaumont noch nicht außer Sicht, als bereits mehrere Gruppen auf dem Deck beisammensaßen und dem Glücksspiel frönten. Anscheinend hatten die Jungs diesbezüglich binnen weniger Minuten bereitwillig sämtliche Selbstbeschränkungen des Zivillebens fahren gelassen. Bald hatten wir Niblets Bluff erreicht und dort verblieben wir für einige Tage. Während unseres Aufenthalts traf ich einen alten Bekannten, der dort einen kleinen Kaufladen betrieb und mir prompt ein kleines Spielchen vorschlug. Ich zeigte mich einverstanden und da er gerade keine Kundschaft zu bedienen hatte, setzten wir uns rittlings auf die Ladentheke und spielten zwei oder drei Stunden lang Karten mit fünf Cents Einsatz je Partie. Am Ende betrug sein Gewinn fünf Cents. Abschließend schlug er mir eine Runde "Seven Up" vor; der Sieger von zwei aus drei Partien sollte eine Flasche Zitronensirup und Zucker im Wert von 40 Cents gewinnen. Ich war einverstanden und konnte die Runde für mich entscheiden. Nun schloss er seinen Laden und wir liefen zu einer nahegelegenen Quelle, wo wir uns gründlich an frisch zubereiteter Limonade satt tranken. Es war dies das erste und letzte Mal, dass ich um Geld Karten spielte.
Schließlich verließen wir Niblets Bluff und nach einer Boots- und Eisenbahnfahrt sowie einem Fußmarsch erreichten wir New Orleans. Dort wurden wir in einer Baumwolllagerhalle einquartiert und uns selbst überlassen. In der ersten Nacht gingen einige der Jungs in die Stadt und am nächsten Tag erzählten sie uns von der vergnüglichen Zeit, die sie dort gehabt hatten. In der folgenden Nacht wollten sich also noch viel mehr Burschen die Annehmlichkeiten von New Orleans ansehen und sie mussten mich nicht lange beschwatzen, ehe ich mich bereiterklärte, sie zu begleiten. Ich schloss mich einem Grüppchen von drei weiteren Jungs an und wir nahmen eine Kutsche, um einen Teil der Nacht in der Stadt zu verbringen. Ich hatte zwanzig Dollars in Gold bei mir, welche eigentlich als Notgroschen dienen sollten und die Mehrzahl der Jungs verfügte über ähnliche Ersparnisse, aber es stellte sich heraus, dass meine Begleiter sämtlich pleite waren und so musste ich den Kutscher bezahlen. Jedes Etablissement,