Einer von Hoods Texanern. William Andrew Fletcher

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Einer von Hoods Texanern - William Andrew Fletcher


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"Schnapp dir einfach deinen Brotbeutel und komm mit in die Stadt. Wenn wir auf einen Obst- oder Süßigkeitenhändler treffen, der unter einem dermaßen überfüllten Warenlager leidet, dass er einen Teil seiner Köstlichkeiten auf den Gehsteig auslagern muss, gehst du zu ihm in den Laden und tust so, als hättest du Geld und wolltest etwas kaufen. Zeig Interesse an irgendeiner Ware, die den Händler zwingt, der Straße den Rücken zuzukehren oder, noch besser, auf sein Leiterchen zu steigen. Halt ihn hin, solange du kannst, denn immerhin willst du dich als zahlender Kunde von der Güte seiner Waren überzeugen. Letztlich kann er dir schwerlich böse sein, wenn sein Angebot nicht deinen Vorstellungen entspricht oder zu teuer für dich ist und während du den Burschen drinnen ablenkst, bleibe ich draußen und mache unsere Besorgungen." Ich willigte ein und schon bald darauf schlenderten wir durch die Straßen und gingen von einem Kaufladen zum nächsten, bis wir einen fanden, in dem nur ein Mann arbeitete. Rasch war der erste unserer beiden Brotbeutel prall gefüllt und wurde gegen einen leeren ausgetauscht, bevor auch der zweite Beutel sichtlich anschwoll. Mein Komplize erklärte mir, dass diese Art der Nahrungsbeschaffung keinen wirklichen Schaden anrichte, da die Händler das Fehlen eines winzigen Teiles ihrer Waren nicht einmal bemerkten und er vertrat die philosophische Ansicht, dass ein Ding, welches nicht vermisst wurde, sich niemals wirklich in irgendjemandes Besitz befunden habe. Er fragte mich, ob ich jemals zuvor an einer derartigen Unternehmung teilgenommen hätte, was ich verneinte. Hierauf entgegnete Wild Bill, dass dies bei den meisten jungen Burschen der Fall sei und dass viele von ihnen es auf diesem Gebiet mit etwas Übung weit bringen könnten. Mich hielt er diesbezüglich für ein Naturtalent und er meinte, ohne sein Zutun wäre ich womöglich gestorben, ohne meine wahre Begabung zu erkennen. In der Tat ging mir die Sache sehr leicht von der Hand. Während des Krieges nannten wir diese Unternehmungen "Nahrungsbeschaffung", aber in Friedenszeiten ist die Bezeichnung "Diebstahl" gebräuchlicher.

      Ich hatte mich kaum von den Masern erholt, als mich der Mumps erwischte. Ich wurde gemeinsam mit etlichen weiteren Erkrankten auf ein Kanalboot verladen und an einen entlegenen Ort gebracht, der (wenn ich mich recht entsinne) "Huguenot Springs" hieß. Dort verblieb ich, bis ich wieder dienstfähig war. Ich erkundete die dortige Gegend und angesichts des winterlichen Wetters waren meine Streifzüge reichlich leichtsinnig. Einmal fiel ich aus einem vereisten Persimonenbaum und zog mir einige schmerzliche Blessuren zu. Ich schleppte mich ins Hospital zurück und war eine Zeit lang bettlägerig. Mein Krankenzimmer teilte ich mit einigen anderen Jungs und wir erhielten täglich Besuch von einer fürsorglichen alten Jungfer, die stets einige Leckereien mitbrachte und unter uns aufteilte. Sie schien sich am liebsten mit mir zu unterhalten und so nannten die Jungs sie "mein altes Mädchen" und versicherten mir, dass ich mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit die besten Stücke ihrer Mitbringsel erhielt. Da ich nach meinem kleinen Missgeschick ans Bett gefesselt war, war sie sehr begierig zu erfahren, welche Verwundung mich niedergestreckt hatte und mit jedem Besuch wurde sie zudringlicher. Ich wich ihren Fragen aus, so gut ich es vermochte, aber eines Tages stellte sie mir beim Betreten des Zimmers ein Ultimatum: Ich müsse ihr am nächsten Tag die Geschichte meiner Verwundung erzählen oder sie würde mir nichts mehr zu essen geben. Als sie gegangen war, amüsierten die Jungs sich auf meine Kosten und auch am folgenden Morgen begannen sie sogleich wieder, mich zu necken und fragten mich, was ich denn nun zu tun gedenke. Ich erwiderte nur, man müsse abwarten und schauen, wie die Dinge sich entwickelten. Zur üblichen Zeit trat also "mein Mädchen" ins Zimmer, adrett und lieblich wie immer. In Händen hielt sie einen großen Teller, auf dem sich allerlei Köstlichkeiten türmten. Sie bedrängte mich sofort mit ihrer Neugierde und so sagte ich schließlich: "Wenn Sie es wirklich wissen wollen, werde ich es Ihnen sagen." Ich begann also zu erzählen und die anderen Jungs brachen sogleich in Gelächter aus. Sie hatte sich wohl eine ruhmreichere Geschichte erhofft, denn sie stürmte schon bald aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Den Teller mit den Köstlichkeiten nahm sie mit. Zuerst lachten die Jungs aus vollem Halse, doch dann begannen sie zu fluchen, als ihnen bewusst wurde, dass wir fürderhin wohl nur noch Besuche von den Krankenpflegern erhalten würden.

      Nach meiner Entlassung aus dem Hospital meldete ich mich bei meinem Kommando, das unweit Dumfries lagerte. Yankees und Rebellen standen einander an den beiden Ufern des Potomac River gegenüber. Im Frühjahr des Jahres 1862 verlegten wir unser Feldlager. Die Männer waren zu diesem Zeitpunkt überreichlich mit Kleidung und sogar Bettdecken und Kissen versorgt und fast alle von uns schleppten einen Haufen mehr oder minder unnötiger Ausrüstungsgegenstände mit uns herum. Bereits am ersten Tag des Marsches war der Wegesrand kilometerweit mit fortgeworfenen Kleidungsstücken, Decken und dergleichen mehr bedeckt. Die Jungs warfen alles von sich, was sie nur irgend entbehren konnten, um sich Erleichterung zu verschaffen. Gemüse war im Winterlager stets eine begehrte Rarität und so hielten wir auf dem Marsch die Augen offen, ob sich womöglich irgendwo welches auftreiben ließe. Wir schlugen vor Einbruch der Dunkelheit unser Nachtlager auf und die Zelte meiner Messe standen an einem felsigen Abhang. Während der Rest meiner Messe die notwendigen Arbeiten im Lager verrichtete, machte ich mich auf die Suche, um etwas Abwechslung in unseren Speiseplan zu bringen. Es dauerte nicht lange, bis ich auf einen Gemüsehändler traf, dem ich zwei Kohlköpfe abkaufte. Bei meiner Rückkehr ins Lager hatten die Jungs bereits ein Feuer angefacht, aber der Abhang war dermaßen steil, dass wir die Holzscheite abstützen mussten, um sie am Hinabrollen zu hindern. Wir hängten unseren Kochkessel über das Feuer, warfen den Kohl hinein und gaben schließlich noch unsere Speckrationen hinzu. Während unsere Mahlzeit zu köcheln begann und dem Kessel ein betörender Duft entströmte, saßen wir um das Feuer herum und schwärmten von dem bevorstehenden Schmaus. Die Flammen hatten unbemerkt eine der Stützstangen angebrannt und als diese plötzlich brach, fiel der Kessel auf die Erde und rollte den Abhang hinab. Einige der Jungs versuchten ihn einzufangen, aber sie erreichten ihn erst, als er eine beträchtliche Strecke hangabwärts zum Liegen gekommen war. Ich starrte dem Kessel nach und sah, wie große Stücke Kohl und Speck aus ihm herausgeschleudert wurden, sooft er dröhnend gegen einen Stein prallte. Der Anblick war so bizarr, dass ich laut lachen musste, während alle um mich herum schimpften und je schallender ich lachte, desto wüster verfluchten sie unser Unglück. Als sie mich fragten, wie ich über dieses Missgeschick nur lachen könne, antwortete ich: "Es ist nun mal nicht mehr zu ändern, also versuche ich, das Beste daraus zu machen. Außerdem soll Lachen ja gesund sein." Einer von ihnen erwiderte nur brummend: "Aber mit Sicherheit nicht so gesund wie Kohl mit Speck."

      Wir schlugen unweit Fredericksburg unser Lager auf und verbrachten einige Zeit dort. In diesem Lager zog ich mir einen schweren Fall von Gelbsucht zu und als unser Kommando die Zelte abbrach, erhielt ich einen Krankenschein, der es mir erlaubte, mich in Fredericksburg in einem Hotel einzumieten. Im Lager hatte ich aufgrund meiner Erkrankung kaum Nahrung zu mir genommen, doch bereits am ersten Abend meines Aufenthalts im Hotel verspürte ich ein gewisses Hungergefühl und so suchte ich ein Restaurant auf und aß eine Portion Austerneintopf. Ich hatte mich nach meiner Rückkehr ins Hotel kaum zu Bett begeben, als ich unter argen Leibschmerzen zu leiden begann, da mir die Austern auf die Verdauung schlugen. Ich litt ganz erbärmlich unter einer überwältigenden Übelkeit und konnte weder auf Hilfe noch auf Linderung hoffen. In den frühen Nachtstunden wurde plötzlich meine Tür geöffnet und ein kleiner Trupp der Militärpolizei betrat das Zimmer, um meine Papiere zu überprüfen. Ich blieb regungslos im Bett liegen. Der leitende Offizier des Trupps richtete den Schein seiner Laterne auf mein Gesicht und raunte: "Männer, hier sind wir falsch. Der hier ist eher ein Fall fürs Beerdigungskommando." Sie wandten sich prompt um und gingen hinaus. Ich kam zu dem Schluss, dass ich wahrhaft erbärmlich aussehen musste. Der Offizier musste geglaubt haben, ich wäre tot oder läge im Sterben, denn andernfalls hätte er mir zweifellos zumindest einige Fragen gestellt.

      Einige Zeit später stieß ich bei Yorktown zu meinem Kommando. Wir waren General Magruder unterstellt und hier war es, dass mein Dienst an der Front seinen Anfang nahm. Magruder hatte einen Abschnitt seiner Linie befestigt, indem er entlang einer bewaldeten, sumpfigen Ebene einen Damm hatte errichten lassen. Das Gelände dahinter wurde bis zu einer gewissen Höhe geflutet und bildete somit einen Frontabschnitt, der ausgesprochen leicht zu bewachen war. Einige Kanonen aus einer Geschützbatterie waren dort postiert, um zusätzlichen Schutz zu bieten. Hier erhaschte ich meinen ersten Blick auf den Feind, als ich gemeinsam mit einem großen Trupp Soldaten den Damm überwand, um in einiger Entfernung davor eine Vorpostenkette zu bilden. Mein Kamerad Toups und ich waren von Kompanie F zu diesem Dienst abgestellt worden und nachdem


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