Handbuch IT-Outsourcing. Joachim Schrey
Читать онлайн книгу.Bereich der verschuldensabhängigen Haftung ist nach § 276 Abs. 3 BGB die Sittenwidrigkeitsprüfung gem. § 138 Abs. 1 BGB Maßstab für die Zulässigkeit von Haftungsbegrenzungen für fahrlässige Handlungsweisen.[150] Eine Sittenwidrigkeit könnte sich z.B. unter dem Gesichtspunkt der eklatanten Risikoverschiebung zu Lasten des Kunden ergeben, die im Ergebnis zu einer nicht tolerierbaren Äquivalenzstörung von Leistung und Gegenleistung führen würde. Nach diesem Maßstab kann eine Sittenwidrigkeit jedoch mindestens dann ausgeschlossen werden, wenn die Haftung nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur beschränkt wird. Die Höhe der Haftungsbeschränkung ist dabei an den möglichen Schäden zu orientieren, mit deren Eintritt die Vertragsparteien bei verständiger Würdigung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses rechnen können. Ein Anhaltspunkt hierfür kann immer das Vertragsvolumen sein, da wesentliche Schadenersatzansprüche[151] auf das positive Interesse, d.h. das Erfüllungsinteresse des Kunden, gerichtet sind. Dieses wird in der Regel mit dem Vertragswert anzunehmen sein. Eine Schenkung, die für eine Uneigennützigkeit des Schenkers eine beschränkte Haftung rechtfertigt,[152] muss daher bei der summenmäßigen Beschränkung als geringer zu betrachten sein als bei einem gegenseitigen Schuldverhältnis mit Leistung und Gegenleistung. Eine völlige Haftungsfreizeichnung, wie häufig in HHL verwendet, muss aber allein schon wegen des Leitgedankens des § 521 BGB abgelehnt werden.
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Eine wesentliche Frage für den Verwender eines HHL ist die sog. Sachmängelhaftung, und zwar inwieweit der Verwender für fehlerhafte übergebene Unterlagen haften muss. Grundsätzlich ist gem. § 309 Nr. 8 lit. b BGB der generelle Ausschluss der Mängelhaftung bei Kauf- oder Werkleistung unzulässig.[153] Bei den durch den Verwender des HHL übergebenen Unterlagen handelt es sich weder um Kauf- noch um Werkleistungen, so dass der § 309 Nr. 8 lit. b BGB grundsätzlich ins Leere läuft.[154] Somit ergibt sich der AGB-rechtliche Rahmen für eine Schenkung nach § 307 Abs. 2 i.V.m. §§ 516 ff. BGB. Danach ist eine Klausel in AGB unwirksam, wenn sie gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Im § 524 BGB hat der Gesetzgeber die Regelung zur Schenkung kodifiziert. Verschweigt gem. § 524 Abs. 1 BGB der Schenker arglistig einen Fehler der verschenkten Sache, so ist er verpflichtet, dem Beschenkten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Würde danach der Verwender eines HHL wissen, dass die übergebenen Informationen falsch sind und könnte der Dritte dies nachweisen, so müsste der Verwender für diesen Schaden nach den Regelungen der §§ 249 ff. BGB haften. Die Regelung des § 524 Abs. 1 BGB ist dabei weder individualrechtlich und somit auch nicht AGB-rechtlich abdingbar.[155] Dies bedeutet für einen HHL, dass der Berufsträger auch bei der kostenlosen Weitergabe von Informationen für arglistig falsche Informationen haftet. Der Umfang der Haftung ergibt sich dabei aus den Regelungen der Sachmängelhaftung gem. §§ 434 ff. BGB. Ausgenommen sind hierbei die Regelungen der Beschaffenheitsgarantie nach § 444 BGB, es seit denn, sie sind explizit vereinbart worden.[156]
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Gemäß § 524 Abs. 2 Hs. 2 BGB haftet der Schenker, wenn die geleistete Sache fehlerhaft ist und der Mangel dem Schenker bei dem Erwerb der Sache bekannt gewesen oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Der Beschenkte kann gem. § 524 Abs. 2 Hs. 3 BGB dann verlangen, dass ihm anstelle der fehlerhaften Sache eine fehlerfreie Sache geliefert wird. Fraglich ist, ob durch die Verwendung zumindest die grobe Fahrlässigkeit abbedungen werden kann. Grundsätzlich kann die Sachmängelhaftung (formbedürftig nach § 518 BGB) beschränkt werden, dabei ist es auch hier nicht möglich, die Haftung für Vorsatz auszuschließen.[157] Da, wie oben dargestellt, die Anwendung des § 309 Nr. 8 lit. b BGB auf Schenkung ausgeschlossen ist,[158] kann zur AGB-rechtlichen Beurteilung nur der wesentliche Grundgedanke des § 524 BGB herangezogen werden. Im Konkreten stellt sich somit die Frage, ob die Haftung für die fahrlässige Sachmängelhaftung bei einer Schenkung AGB-rechtlich ausgeschlossen werden kann. Hierbei muss eine Abwägung zwischen der Tatsache erfolgen, dass eine geschenkte Sache immer nur so angenommen werden kann, wie sie verschenkt wird, und der Tatsache, dass auch eine geschenkte Sache immer einen gewissen Anspruch an Qualität haben sollte, sonst würde der Beschenkte sie gar nicht erst annehmen.
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Grundsätzlich ist dem Schenker wegen seiner Uneigennützigkeit nur eine beschränkte Haftung zuzubilligen.[159] Hierbei könnte durchaus vertreten werden, dass eine solche Beschränkung sich nicht nur auf Vorsatz erstreckt, sondern auch auf grobe wie leichte Fahrlässigkeit, da eine Sache nur immer so verschenkt werden kann, wie sie beschaffen ist. Der Dritte ist durch den Nicht-Ausschluss der arglistigen Haftung vor absichtlicher Schädigung geschützt, jede weitere Haftung würde zu weit gehen, da es sich um eine Schenkung handelt. Ferner wird in den meisten HHL immer wieder eindeutig darauf hingewiesen, dass die überlassenen Unterlagen weder vollständig noch eindeutig sind, um damit bestimmte Ziele zu erreichen. Es wird i.d.R. deutlich darauf hingewiesen, dass der Dritte auch eigene Recherche betreiben soll (was gar nicht immer möglich ist), um das verfolgte Ziel zu erreichen.
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Gegen diese Auffassung spricht, dass der Gesetzgeber eindeutig in § 524 Abs. 2 Hs. 2 BGB auch die grobe Fahrlässigkeit erfasst hat. Ein AGB-rechtlicher Ausschluss der Haftung der groben Fahrlässigkeit bei der Sachmängelhaftung einer Schenkung nach §§ 516 ff. BGB würde gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 524 BGB nicht übereinstimmen. Zudem kann der Dritte erwarten, dass die übergebenen Informationen einen hohen Grad an Qualität und Richtigkeit haben, da sie von einem hoch ausgebildeten Berufsträger erstellt worden sind, der im Grunde die gleichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellt wie für seinen Mandanten. Auch würde der Dritte falsche Unterlagen gar nicht erst annehmen, da sie für ihn keinen Wert hätten. Der Hinweis bzgl. eigener Recherche und Überprüfung der Unterlagen greift mangels Prinzip der überraschenden Klauseln[160] gem. § 305c Abs. 1 BGB ins Leere.
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Im Ergebnis wird man dem Berufsträger wegen der Uneigennützigkeit seiner Schenkung nur eine beschränkte Haftung für Sachmängel zubilligen müssen. Dies ist allein deshalb schon zu bejahen, weil eine generelle Begrenzung der Sachmängelhaftung gem. § 309 Nr. 8 lit. b BGB nur bei Kauf- oder Werkleistung unzulässig ist. Hierbei ist sicherlich der Vorsatz von der Haftungsbeschränkung auszuschließen. Ein AGB-rechtlicher Ausschluss für grobe Fahrlässigkeit ist wegen des Rechtsgedankens des § 524 Abs. 2 Hs. 2 BGB auszuschließen, auch wenn ein Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit in Individualverträgen möglich ist. Aus diesen Gründen ist eine summenmäßige Haftung für Sachmängel angebracht und auch als interessengerecht anzusehen. Denn auch die gesetzliche Regelung für Abschlussprüfer in § 323 Abs. 2 HGB differenziert nicht zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit und sieht nur generell für Fahrlässigkeit eine summenmäßige Begrenzung vor. Darüber hinaus spricht hierfür auch die Regelung in § 9 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschafen, wonach eine Haftung gem. § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO summenmäßig beschränkt wird und diese Haftungsbeschränkung auch dann gilt, wenn eine Haftung gegenüber einer anderen Person (Dritter) als dem Auftraggeber begründet wird.
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Die Höhe der Haftungsbeschränkung sollte grundsätzlich im Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und der möglichen Schäden gesehen werden. Im Bereich der Steuerberatung[161] und Wirtschaftsprüfung[162] wird in HHL gerne auf die summenmäßige Haftung der Auftragsbedingungen hingewiesen. Da diese anerkanntermaßen für das Verhältnis Berufsträger und Mandant, in dem ein Leistungs- und Gegenleistungs-Verhältnis besteht, verwendet werden, sollten sie auch für das Verhältnis Berufsträger und Dritten mehr als ausreichend sein. Insbesondere da der Dritte hierfür dem Berufsträger keine Vergütung zahlt. Die Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (1.1.2002) begrenzen die Haftung in Ziffer 9 gem. § 54a Abs. 1. Nr. 2 WPO auf 4 Mio. EUR, im Falle gleicher oder gleichartiger Fehlerquellen auf 5 Mio. EUR, während die gesetzliche Regelung in § 323 Abs. 2 HGB für Fahrlässigkeit die Haftung auf 1. Mio. EUR pro Prüfung beschränkt.
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