Halbtier. Böhlau Helene

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Halbtier - Böhlau Helene


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anzuzünden.

      „Natürlich,“ rief Doktor Frey und rumorte mit aller Gewalt an der Thür, „den Schlüssel verschleppt!“

      „Bst!“ machte Mama. „Du weckst sie ja! Hier ist der Schlüssel,“ flüsterte sie, reckte sich und langte auf den Schrank, der neben der Arbeitsstubenthür stand. „Hier.“

      Doktor Frey hielt die Lampe, aber hielt sie bedenklich schief.

      Die Frau streifte ihn mit einem einzigen langen Blick, wie ein Heizer etwa auf das Ventil seiner Dampfmaschine schaut, mit unendlicher Sachkenntnis.

      Sie nahm Lampe und Schlüssel ihrem Mann aus den Händen und schloß die Thür auf.

      „Der Kaffee kommt sofort.“

      „Schlafen die Bamsen?“ fragte er ihr nach.

      Sie hörte ihn nicht mehr.

      Kaum aber brannte die Spiritusmaschine unter dem kleinen Schnellkocher, war er ihr auch schon nachgekommen und stand in der Küche.

      Sie schaute erstaunt auf.

      Seine Gewohnheit war das nicht.

      „Na?“

      Er schaute blinzelnd auf sie.

      „Ein zartes Negligé thut oft viel größre Wunder!“ deklamierte er mit mächtiger Stimme.„Bst,“ machte sie.Sie stand in der Nachtjacke und in einem grauen Flanellrock vor ihm, die bloßen Füße in Bambuschen.„Allerliebst,“ meinte er.Er blinzelte weiter.„Waret ihr alle noch bei einander bis heut?“ Sie schüttete den gemahlenen Kaffee in den Trichter.„Unterschiedlich – aber sehr unterschiedlich.“„Wie?“ fragte sie.

      „Bst,“ machte sie.

      Sie stand in der Nachtjacke und in einem grauen Flanellrock vor ihm, die bloßen Füße in Bambuschen.

      „Allerliebst,“ meinte er.

      Er blinzelte weiter.

      „Waret ihr alle noch bei einander bis heut?“ Sie schüttete den gemahlenen Kaffee in den Trichter.

      „Unterschiedlich – aber sehr unterschiedlich.“

      „Wie?“ fragte sie.

      „Unterschiedlich!“ rief er mit donnernder Stimme.

      „Was soll denn das heißen, Heinrich?“ mahnte sie mit sanftem Vorwurf.

      „Schlafen die Bamsen?“

      „Natürlich.“

      „Was sagst du’s denn net früher. Weißt du wo wir waren?“

      „Nein.“

      „Heiliger Strohsack,“ seufzte er tief auf. „Ja – nein – nein – ja! – wie eine Maschine.

      Ein Mann wie ich kommt nach Haus, – Gott sei’s geklagt, ein Mann, den sie die Tage her geradezu gefeiert haben, ein Mann, den sie auf Händen tragen, auf den sie, weiß Gott, hören und sich nicht Watte in die Ohren stopfen, wenn er redet; – ein Prophet – ein – ein – ein – und hier! …

      Ich sag dir’s,“ donnerte er – denn er war in Begeisterung. Er fühlte und sah und empfand sich und seine eigene Größe.

      „Stell dir einen in einem herrlichen Tempel vor, Licht, Glanz – Musik – schöne Weiber!

      Er ist der Mittelpunkt. Lebensfreudigkeit, – Lebenshöhe – und der Erdboden thut sich auf und er rutscht ganz sachte, ohne sich weh zu thun in ein schwarzes Loch.

      Da sitzt er nun!“ —

      Doktor Frey seufzte tief auf und rieb sich die Nase.

      „So kommt einer nach Hause!“

      Mama maß ihn wieder mit demselben sachkundigen Blick.

      Frau Doktor Frey hatte sich angewöhnt, auf das, was ihr Mann zwischen zwei und drei und vier Uhr nachts aussprach, nicht besonders zu achten.

      Sie goß jetzt den Kaffee über. Es duftete anregend und appetitlich.

      „So komm, trink jetzt,“ sagte sie, stellte Kännchen, Tasse und Zuckerdose auf ein Tablette und ging ihrem Gatten damit voraus.

      Ihre Handlungsweise war die einer Person, die ihrer Natur und der Erfahrung nach durchaus so handeln muß, wie sie handelt.

      Es gab da keinen Ausweg mehr. Aber Doktor Frey mochte heute außerordentlich aufgebracht und unangenehm berührt sein.

      Er schlug die Küchenthür Mama vor der Nase zu, daß es durchs Haus dröhnte.

      Sie beachtete es nicht, öffnete, als wäre nichts geschehen, die Thüre wieder, trat gleich hinter ihm drein ins Arbeitszimmer und goß ihm den Kaffee ein.

      „Trink nun,“ sagte sie noch einmal.

      „Weißt du, laß dich wenden!“ schrie er, „an dem Muster hätt’ ich mich endlich satt gesehn!“

      Von zwei bis vier Uhr nachts aber war sie undurchdringlich, unbezwinglich, unverletzbar, zu seinem allergrößten Ärger.

      Er wußte sich nichts Schlimmeres, denn in dieser Stunde war sie ihm über. Was hatte er ihr in den letzten Jahren in diesen späten Stunden nicht alles angethan! – nicht alles gesagt – und hatte doch die Fessel nicht abschütteln können.

      Wie eine Zwangsjacke empfand er sie, eine elende verächtliche Jacke – aber er konnte sich doch nicht bewegen, wie er wollte.

      Sie hatte sich selbst so ganz verloren, daß sie an sich nichts mehr zu schützen und zu wahren fand. Es war da nichts Heiliges mehr. Und darin lag ihre Kraft und ihre Macht.

      Nur auf eins hielt sie. Die Mädchen durften zu dieser Stunde dem Vater nicht vor die Augen kommen.

      Aber heute war er auf die Bamsen ganz versessen.

      „Sapperlot,“ rief er mit einem Mal mächtig, „wenn der Vater acht Täg’ net daheim war, wer hat das Recht ihm seine Bamsen vorzuenthalten?“

      Er trat zum Korridor hinaus und rief donnernd: „Marie! Isolde!“

      Hoch aufgerichtet stand er wie ein Streiter Gottes, die Brust geschwellt, die Augen mit Mannesmut auf seine Frau gerichtet.

      Ein ganz klein wenig hielt er sich am Thürpfosten.

      Er hatte heut etwas mehr, als die gewöhnliche Bettschwere, mit heimgebracht – etwas mächtig Heiteres.

      Unmöglich konnte er sich so zur Ruhe legen, denn er kam von seinem eigenen Triumphzug. Es war ihm vortrefflich ergangen.

      Marie und Isolde traten ein, trugen auch, wie die Mutter, Flanellröcke und Nachtjäckchen.

      „Ah! Spießbürger!“ rief Doktor Frey. „Ist das ’ne Zucht! So wie die Alten sungen, zwitschern die Jungen.

      Déesse! daß i net lach! In a Nachtjacken un’ Flanellhansel! Schamt’s euch net, Bamsen?“

      Die Mädchen sahen verdutzt und verlegen auf ihren Vater.

      Sie waren trotz ihrer spießbürgerlichen Morgentoilette herrlich anzusehn in ihrer scheuen Jugendlichkeit, die kleinen rosigen Häupter mit den köstlichen lockigen Haarschöpfen, die eine dunkel, die andre goldig leuchtend, und die jungen vollen Glieder, in weicher Schläfrigkeit.

      Mit ihnen schien ein süßer Jugendduft ins Zimmer gekommen zu sein, als wären sie aus einem wundervollen Sommergarten, in dem die Linden, Reseden, Levkojen und Lilien in voller Blüte stehen, hier eingetreten, und hätten einen Hauch dieser Wohlgerüche mitgebracht.

      Der Anblick seiner prächtigen Mädchen wirkte auf den Vater unbedingt besänftigend.

      „Bamsen!“ rief er, er hatte sich jetzt an das Fenster zurückgezogen und hielt sich ein wenig an’s Fensterbrett gestützt.

      „Bamsen, ich bring’ euch was mit heim. Freut euch, Mädels!“

      Noch nie hatten die Mädchen ihre Mutter gesehn wie eben jetzt – so alt – so müde – so gleichgültig.

      Ihr war soeben ihr letztes Privilegium genommen.

      Bisher


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