Der Wohlstand der Nationen. Adam Smith
Читать онлайн книгу.jener Schranken. Es verdient bemerkt zu werden, dass sie dies möglichst genau in dem Verhältnisse tut, welches die Nachfrage nach Arbeit erfordert. Wenn diese Nachfrage beständig wächst, so muss die Belohnung der Arbeit notwendig zur Ehe und zur Vermehrung der Arbeiter derart ermuntern, um sie instand zu setzen, jene stets wachsende Nachfrage durch eine stets zunehmende Volkszahl zu befriedigen. Wäre der Lohn einmal geringer als es zu diesem Zweck nötig ist, so würde der Mangel an Händen ihn bald in die Höhe treiben, und wäre er einmal größer, so würde die unmäßige Vermehrung der Hände ihn bald wieder auf seinen notwendigen Satz herunterbringen. Der Markt würde in dem einen Falle so schlecht mit Arbeit versorgt und in dem anderen so sehr damit überfüllt sein, dass ihr Preis bald auf den richtigen Satz zurückkäme, den die Verhältnisse der Gesellschaft erheischen. So regelt die Nachfrage nach Menschen, gleich der nach jeder anderen Ware, notwendig auch die Erzeugung der Menschen, beschleunigt sie, wenn sie zu langsam vor sich geht, und verzögert sie, wenn sie zu rasch fortschreitet. Es ist diese Nachfrage, die die Fortpflanzung in allen Ländern der Welt, in Nordamerika, in Europa und in China regelt und bestimmt, die sie zu einer reißend schnellen in dem ersten, zu einer langsamen und schrittweisen in dem zweiten, und zu einer völlig stillstehenden in dem letzten macht.
Die Abnutzung eines Sklaven, hat man gesagt, geht auf Kosten seines Herrn, die eines freien Dieners auf seine eigenen Kosten. Allein die Abnutzung des letzteren geht in Wahrheit ebenso auf Kosten seines Herrn als die des ersteren. Der an Taglöhner und Dienstboten aller Art bezahlte Lohn muss diese im Ganzen genommen instand setzen, das Geschlecht der Tagelöhner und Dienstboten in dem Maße fortzupflanzen als es die wachsende, abnehmende oder sich gleichbleibende Nachfrage der Gesellschaft gerade verlangt. Wenn indes auch die Abnutzung eines freien Dieners gleichfalls auf Kosten seines Herrn geschieht, so kostet sie letzteren doch in der Regel weit weniger als die eines Sklaven. Der zum Ersatz oder so zu sagen zur Wiederherstellung eines abgenutzten Sklaven bestimmte Fonds wird gewöhnlich von einem nachlässigen Herrn oder einem sorglosen Aufseher verwaltet. Der zu demselben Zwecke für einen freien Mann bestimmte Fonds wird von dem freien Manne selbst verwaltet. Die Unordnung, welche gewöhnlich im Haushalt des Reichen herrscht, macht sich naturgemäß in der Beaufsichtigung des Ersteren geltend: die strikte Mäßigkeit und aufmerksame Sparsamkeit des Armen herrscht ebenso natürlich in der Beaufsichtigung des Letzteren. Unter so ungleicher Aufsicht muss derselbe Zweck sehr ungleiche Kosten verursachen. Und so lehrt, wie ich glaube, die Erfahrung aller Zeiten und Völker, dass die Arbeit freier Leute am Ende wohlfeiler ist als die der Sklaven. Dies findet sich sogar in Boston, New-York und Philadelphia bestätigt, wo doch der Lohn gemeiner Arbeit sehr hoch ist.
Die reichliche Belohnung der Arbeit ist mithin ebenso wohl die Wirkung des zunehmenden Reichtums wie die Ursache der zunehmenden Volksmenge. Darüber klagen heißt über die notwendige Wirkung und Ursache der größten öffentlichen Wohlfahrt jammern.
Es verdient vielleicht bemerkt zu werden, dass die Lage der arbeitenden Armen, der großen Masse des Volks, mehr in dem fortschreitenden Stadium, wo die Gesellschaft weiterem Erwerb zueilt als in dem, wo sie eine Fülle des Reichtums bereits erworben hat, am glücklichsten und behaglichsten zu sein scheint. Sie ist hart in dem Stadium des Stillstands und elend in dem des Verfalls. Der Zustand des Fortschritts ist in der Tat für alle Gesellschaftsklassen ein Zustand des Frohsinns und der Kraft. Der Stillstand macht träge, der Verfall traurig.
Die reichliche Belohnung der Arbeit ermuntert ebenso wohl den gemeinen Mann zur Fortpflanzung, wie sie ihn zum Fleiße anspornt. Der Arbeitslohn ist die Aufmunterung zum Fleiße, der, wie jede andre menschliche Eigenschaft, in dem Grade zunimmt, wie er Aufmunterung erfährt. Reichliche Nahrung stärkt die Körperkräfte des Arbeiters, und die wohltuende Hoffnung, seine Lage zu verbessern und seine Tage vielleicht in Ruhe und Fülle zu beschließen, feuert ihn an, seine Kräfte aufs Äußerste anzustrengen. Wo der Arbeitslohn hoch ist, finden wir demnach stets die Arbeiter tätiger, fleißiger und flinker als da, wo er niedrig ist; in England z. B. mehr als in Schottland, in der Umgebung großer Städte mehr als an entlegenen Orten des platten Landes. Freilich werden manche Arbeiter, wenn sie in vier Tagen so viel verdienen können, um eine Woche davon zu leben, in den übrigen drei Tagen müßig gehen; aber dies ist durchaus nicht bei der Mehrzahl der Fall. Im Gegenteil sind die Arbeiter, wenn sie reichlich nach dem Stück bezahlt werden, sehr geneigt, sich zu überarbeiten, und in wenigen Jahren ihre Gesundheit und Körperbeschaffenheit zu ruinieren. Ein Zimmermann in London und einigen anderen Orten bleibt, wie man annimmt, nicht über acht Jahre bei vollen Kräften. Ähnlich verhält es sich in vielen anderen Gewerben, in denen der Arbeiter nach dem Stück bezahlt wird, wie dies allgemein in den Fabriken der Fall ist und selbst bei den Feldarbeiten überall, wo der Lohn höher als gewöhnlich ist. Beinahe jede Klasse von Handwerkern ist einer eigentümlichen Krankheit ausgesetzt, die durch übermäßige Anstrengung bei der besonderen Art ihrer Arbeit veranlasst wird. Ramuzzini, ein ausgezeichneter italienischer Arzt, hat über solche Krankheiten ein besonderes Buch geschrieben. Wir rechnen unsre Soldaten nicht gerade zu den fleißigsten Leuten unter uns. Wenn aber Soldaten zu gewissen Arbeiten gebraucht und reichlich nach dem Stück bezahlt wurden, mussten ihre Offiziere mit dem Unternehmer das Abkommen treffen, dass ihnen nicht gestattet sein solle, bei dem Satze, nach welchem sie bezahlt wurden, mehr als eine gewisse Summe täglich zu verdienen. Ehe dies ausgemacht worden war, reizte sie oft ihr gegenseitiger Wetteifer und das Verlangen nach größerem Gewinn, sich zu überarbeiten und ihrer Gesundheit durch übermäßige Anstrengung zu schaden. Der übertriebene Fleiß während vier Tagen der Woche ist oft die wirkliche Ursache jenes Müßigganges an den drei übrigen, über den so viele und so laute Klage geführt wird. Großer Anstrengung des Geistes oder des Körpers, mehrere Tage hintereinander fortgesetzt, folgt bei den meisten Menschen naturgemäß ein starkes Verlangen nach Erholung, das, wenn es nicht mit Gewalt oder durch herbe Not bezwungen wird, fast unwiderstehlich ist. Es ist der Ruf der Natur, die eine gewisse Schonung fordert, zuweilen durch bloße Ruhe, zuweilen auch durch Zerstreuung und Vergnügung. Wird ihm nicht nachgegeben, so sind die Folgen oft gefährlich und manchmal tödlich und fast immer so, dass sie früher oder später zu der dem Gewerbe eigentümlichen Krankheit führen. Wenn die Meister immer auf die Eingebungen der Vernunft und Menschlichkeit hörten, so würden sie oft Veranlassung haben, den Fleiß vieler ihrer Arbeiter eher zu mäßigen als anzufeuern. Es wird sich, wie ich glaube, bei jedem Gewerbe herausstellen, dass der Mann, der mit Maßen arbeitet, um auf die Dauer zur Arbeit tauglich zu sein, nicht nur seine Gesundheit am längsten erhält, sondern auch im Laufe eines Jahres die größte Menge Arbeit verrichtet.
Man hat behauptet, dass die Arbeiter in wohlfeilen Jahren träger, und in teuren arbeitsamer als gewöhnlich zu sein pflegen, und man schloss daraus, dass reichliche Nahrung ihren Fleiß erschlaffe und kärgliche ihn ansporne. Dass eine etwas mehr als gewöhnliche Nahrungsfülle manche Arbeiter träge macht, lässt sich allerdings nicht leugnen; dass sie diese Wirkung aber bei der Mehrzahl haben sollte, oder dass die Leute im Allgemeinen besser arbeiten sollten, wenn sie schlecht als wenn sie gut genährt werden; besser, wenn sie entmutigt als wenn sie gut aufgelegt sind; besser, wenn sie oft krank als wenn sie fast immer gesund sind: ist nicht sehr wahrscheinlich. Jahre der Teuerung sind, was zu beachten ist, unter den gewöhnlichen Leuten in der Regel Jahre der Krankheit und Sterblichkeit, wodurch sich das Produkt ihres Fleißes notwendig vermindern muss.
In Jahren der Fülle verlassen die Dienenden oft ihre Herren, und hoffen durch Fleiß ihren Unterhalt selbständig zu gewinnen. Aber dieselbe Wohlfeilheit der Lebensmittel spornt durch Vergrößerung des finden Unterhalt der Dienenden bestimmten Fonds auch die Herren, besonders die Pächter an, eine größere Arbeitermenge zu beschäftigen. Die Pächter erwarten in solchen Fällen von ihrem Getreide einen größeren Gewinn, wenn sie etwas mehr Dienstleute unterhalten als wenn sie es zu einem niedrigen Preise auf dem Markte verkaufen. Die Nachfrage nach Dienstleuten wächst, während die Anzahl derer, die sich anbieten, abnimmt. Daher geht der Preis der Arbeit in wohlfeilen Jahren oft in die Höhe.
In Notjahren macht die Schwierigkeit und Unsicherheit des Unterhalts alle solche Leute begierig, in den Dienst zurückzukehren. Der hohe Preis der Lebensmittel aber, wodurch die für den Unterhalt der Dienenden bestimmten Fonds verringert werden, bewegt die Arbeitgeber eher, die Anzahl derer, die sie haben, zu vermindern als zu vergrößern. Auch verzehren oft in teuren Jahren arme unabhängige Handwerker das geringe Kapital, mit dem sie sich sonst ihr Arbeitsmaterial verschafften, und sehen sich gezwungen, Gesellen