Der Wohlstand der Nationen. Adam Smith

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Der Wohlstand der Nationen - Adam Smith


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Kapitalgewinn

      Das Steigen und Fallen im Kapitalgewinn hängt von denselben Ursachen ab, wie das Steigen und Fallen im Arbeitslohn, nämlich von dem wachsenden oder abnehmenden Reichtum der Gesellschaft; aber diese Ursachen berühren den einen ganz anders als den anderen.

      Das Wachsen des Kapitals, das den Lohn erhöht, wirkt auf Verminderung des Gewinns. Wenn die Kapitalien vieler reicher Kaufleute demselben Geschäftszweige zugewendet werden, so wirkt ihre gegenseitige Konkurrenz natürlich auf Verringerung des Gewinns; und wenn in all den verschiedenen Geschäftszweigen, die in derselben Gesellschaft betrieben werden, eine gleiche Kapitalien-Vermehrung stattfindet, so muss die Konkurrenz dieselbe Wirkung in ihnen allen äußern.

      Es ist, wie schon bemerkt worden, nicht leicht, den durchschnittlichen Arbeitslohn selbst eines bestimmten Orts und eines bestimmten Zeitpunktes festzustellen. Wir können auch in dieser Beschränkung selten etwas anderes feststellen als den üblichsten Arbeitslohn. Aber in Bezug auf den Kapitalgewinn kann auch dies nur selten geschehen. Der Gewinn ist so schwankend, dass der Geschäftstreibende selbst nicht immer sagen kann, wieviel sein mittlerer Jahresgewinn beträgt. Dieser wird nicht nur durch jede Preisveränderung der Waren, mit denen er handelt, beeinflusst, sondern auch durch das Glück oder Unglück seiner Mitbewerber und seiner Kunden, so wie durch tausend andere Zufälle, denen die Güter, ob sie nun zu Wasser oder zu Lande verschickt oder ob sie in einem Lagerhause aufbewahrt werden, unterworfen sind. Er schwankt daher nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern von Tag zu Tag, und beinahe von Stunde zu Stunde. Den mittleren Gewinn aller verschiedenen Gewerbe eines großen Königreichs festzustellen, müsste noch viel schwieriger sein; und mit einiger Genauigkeit zu beurteilen, wie hoch er früher oder in längst verflossenen Zeiten gewesen ist, muss ganz unmöglich sein.

      Wenn es aber auch unmöglich ist, mit einiger Genauigkeit anzugeben, wieviel der mittlere Kapitalgewinn heute beträgt oder früher betragen hat, so kann man sich doch einen gewissen Begriff davon machen nach dem Geldzins. Es kann als Grundsatz gelten, dass, wo mit der Nutzung von Geld ein großes Geschäft gemacht werden kann, gewöhnlich auch für seine Nutzung viel bezahlt wird; und dass, wo nur ein geringes Geschäft damit gemacht werden kann, in der Regel auch weniger dafür bezahlt wird. Je nachdem also der übliche Zinsfuß in einem Lande sich ändert, kann man auch mit Gewissheit annehmen, dass der gewöhnliche Kapitalgewinn sich mit ihm ändert; sinkt, wenn jener sinkt, und steigt, wenn jener steigt. Die Entwicklung des Zinsfußes kann uns mithin zu einem Schlüsse auf die Entwicklung des Gewinnes leiten.

      Durch die Akte aus dem 37. Jahre Heinrichs VIII. wurde aller Zins über zehn Prozent für ungesetzlich erklärt. Früher, scheint es, hatte man bisweilen mehr genommen. Unter der Regierung Eduards VI. verbot der religiöse Eifer allen Zins. Dieses Verbot soll jedoch, gleich allen anderen dieser Art, keinen Erfolg gehabt haben und hat wahrscheinlich eher das Übel des Wuchers verschlimmert als ihm gesteuert. Das Statut Heinrichs VIII. wurde durch das Statut aus dem 13. Jahre Elisabeths, Kapitel 8, erneuert, und zehn Prozent blieb der gesetzliche Zinsfuß bis ins 21. Jahr Jakobs I., wo er auf acht ermäßigt wurde. Bald nach der Restauration wurde er auf sechs Prozent und im 12. Jahre der Königin Anna auf fünf herabgesetzt. Alle diese Verordnungen scheinen den Zeitverhältnissen sehr angemessen gewesen zu sein. Sie scheinen lediglich dem Zinsfuße des Marktes, oder dem, zu welchem Leute mit gutem Kredit Geld zu borgen pflegten, gefolgt zu sein. Seit der Zeit der Königin Anna scheinen fünf vom Hundert eher über als unter dem marktgängigen Zinsfuße gewesen zu sein. Vor dem letzten Kriege machte die Regierung ein Anlehen zu drei Prozent, und Leute mit gutem Kredit borgten in der Hauptstadt und an vielen anderen Orten des Königreichs zu drei und einhalb, vier, und vier und einhalb Prozent.

      Seit der Zeit Heinrichs VIII. hob sich der Reichtum und das Einkommen des Landes ohne Unterbrechung, und ihr Fortschritt scheint im weiteren Verlaufe eher beschleunigt als aufgehalten worden zu sein. Sie haben, wie es scheint, nicht nur zugenommen, vielmehr ist diese Zunahme schneller und schneller erfolgt. Der Arbeitslohn war während dieser Periode stets im Steigen, und der Kapitalgewinn war in den meisten Zweigen des Handels und Gewerbes im Fallen.

      Es erfordert in der Regel ein größeres Kapital, ein Geschäft in einer großen Stadt als in einem Landstädtchen zu betreiben. Die in Geschäften aller Art angelegten großen Kapitalien und die Menge der reichen Wettbewerber verringerten in der Regel den Gewinnsatz in der großen Stadt mehr als in der Landstadt. Der Arbeitslohn aber ist in einer großen Stadt gewöhnlich höher als in einem Landstädtchen. In einer lebhaften Stadt können diejenigen, die große Kapitalien anzulegen haben, oft nicht so viel Arbeiter erhalten als sie brauchen, und überbieten einander, um so viele als möglich zu erhalten: hierdurch steigt der Arbeitslohn und der Kapitalgewinn sinkt. In den entlegenen Teilen des Landes fehlt es häufig an Kapital, alle Leute zu beschäftigen, und diese unterbieten einander, um Arbeit zu erhalten, wodurch der Arbeitslohn sinkt und der Kapitalgewinn steigt.

      Obgleich in Schottland der gesetzliche Zinsfuß derselbe ist, wie in England, so ist doch der marktgängige etwas höher. Leute mit bestem Kredit erhalten dort selten Geld unter fünf Prozent. Selbst Privatbankiers in Edinburgh geben auf ihre trockenen Wechsel, deren Zahlung im Ganzen oder teilweise zu jeder beliebigen Zeit gefordert werden kann, vier Prozent. In London geben Privatbankiers keine Zinsen für das Geld, das bei ihnen niedergelegt wird. Es gibt nur wenige Gewerbe, die nicht in Schottland mit einem geringeren Kapital betrieben werden können als in England. Deshalb muss dort der gewöhnliche Gewinnsatz etwas größer sein. Der Arbeitslohn ist, wie schon bemerkt, in Schottland niedriger als in England. Auch ist das Land nicht nur viel ärmer, sondern der Fortschritt zu einem besseren Zustande – denn Fortschritte macht es offenbar – scheint auch weit langsamer und träger zu sein.

      Der gesetzliche Zinsfuß in Frankreich ist im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts nicht immer nach dem marktgängigen geregelt worden5. Im Jahre 1720 wurde der Zins vom zwanzigsten auf den fünfzigsten Pfennig, oder von fünf auf zwei Prozent heruntergesetzt. 1724 wurde er auf den dreißigsten Pfennig oder 3 ⅓%, 1725 wieder auf den zwanzigsten Pfennig oder 5% gesteigert. 1766 unter Laverdys Administration wurde er auf den fünfundzwanzigsten Pfennig oder 4% herabgesetzt. Der Abbé Terray erhöhte ihn nachher auf den alten Satz von fünf vom Hundert. Der beabsichtigte Zweck vieler dieser gewaltsamen Zinsherabsetzungen war der, den Weg zu einer Zinsverminderung der Staatsschulden zu bahnen, ein Zweck, der zuweilen auch erreicht worden ist. Frankreich ist jetzt vielleicht kein so reiches Land als England, und obgleich der gesetzliche Zinsfuß dort oft niedriger war als in England, so war der Marktsatz doch in der Regel höher; denn, wie in andern Ländern, hat man dort sichere und leichte Mittel, das Gesetz zu umgehen. Der Gewerbsgewinn ist, wie mir britische Kaufleute, die in beiden Ländern Geschäfte trieben, versicherten, in Frankreich höher als in England, und hierin liegt ohne Zweifel der Grund, warum viele britische Untertanen es vorziehen, ihre Kapitalien in einem Lande anzulegen, wo der Handel verachtet wird, anstatt in einem Lande, wo er in hoher Achtung steht. Der Arbeitslohn ist in Frankreich niedriger als in England. Wenn man von Schottland nach England kommt, so deutet der Unterschied, den man zwischen der Kleidung und dem Aussehen der gewöhnlichen Leute in dem einen und in dem anderen Lande bemerkt, hinlänglich auf die Ungleichheit ihrer Lage hin. Aber der Gegensatz ist noch größer, wenn man aus Frankreich zurückkehrt. Frankreich, obwohl ohne Zweifel ein reicheres Land als Schottland, scheint nicht so schnell vorwärts zu schreiten. Es ist eine verbreitete und sogar populäre Meinung im Lande, dass es rückwärtsgehe; eine Meinung, die, wie ich glaube, selbst in Bezug auf Frankreich unbegründet ist, in Bezug auf Schottland aber unmöglich von jemand gehegt werden kann, der dieses Land jetzt sieht, und es vor zwanzig oder dreißig Jahren gesehen hat.

      Holland andrerseits ist nach Verhältnis seiner Gebietsausdehnung und Volkszahl ein reicheres Land als England. Die Regierung borgt dort zu zwei, und Privatleute mit gutem Kredit zu drei Prozent. Der Arbeitslohn soll in Holland höher als in England sein, und der Holländer handelt, wie bekannt, mit geringerem Gewinn als irgendjemand in Europa. Manche haben behauptet, dass Hollands Handel im Verfall sei, und von einigen Geschäftszweigen mag dies vielleicht richtig sein. Allein jene Symptome scheinen hinreichend dafür zu sprechen, dass der Verfall kein allgemeiner ist. Wenn der Gewinn sich verringert, so sind die Kaufleute sehr geneigt, über Verfall der Geschäfte zu klagen, obwohl die Verminderung des Gewinns die natürliche Folge ihres Gedeihens, oder einer umfangreicheren Kapitalienverwendung


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<p>5</p>

Siehe Denisart, Article: Taux des lntérêts, tom. III. p. 18.