Die neue Magdalena. Уилки Коллинз

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Die neue Magdalena - Уилки Коллинз


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wieder auf das Sofa nieder; ihre Augen glänzten und ihre Wangen glühten vor Zorn. »Ich bin nicht schlechter als andere Frauen«, dachte sie. »Eine andere hätte ihn um seines Geldes willen geheiratet.« Im nächsten Augenblick zeigte sich ihr die Hohlheit und Unzulänglichkeit dieser Gründe, mit welchen sie den vorgehabten Betrug gegen ihn vor sich selbst zu entschuldigen gesucht hatte. Sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen und fand Zuflucht – wo sie sie schon früher oft gefunden hatte – in der hoffnungslosen Entsagung der Verzweiflung. »O, wäre ich gestorben, ehe ich dies Haus betrat! O, könnte ich nur in diesem Augenblicke sterben, dass es mit mir aus wäre!« Damit hatte der Kampf bereits hundertmal geendet; damit endete er auch jetzt.

      Die Tür, welche in das Billardzimmer führte, öffnete sich leise. Horace Holmcroft hatte gewartet, um das Resultat von Lady Janets Fürsprache zu erfahren, bis er es nicht länger aushielt.

      Er tat einen vorsichtigen Blick in das Zimmer, bereit, sich unbemerkt wieder zurückzuziehen, wenn die beiden noch miteinander sprechen sollten. Die Abwesenheit Lady Janets ließ annehmen, dass die Unterredung beendet war. Wartete seine Braut allein auf ihn, um, wenn er in das Zimmer zurückkehrte, mit ihm zu sprechen? Er ging ein paar Schritte vor. Sie rührte sich nicht – sie saß da, ohne auf irgendetwas zu achten, nur in ihre Gedanken vertieft. Galten diese wohl ihm? Er schritt noch etwas näher und rief sie an:

      »Grace!«

      Sie sprang mit einem schwachen Schrei auf. »Es wäre mir lieber, Sie würden mich nicht so erschrecken«, sagte sie gereizt und sank auf das Sofa zurück. »Jeder plötzliche Lärm macht mein Herz so heftig klopfen, dass ich zu ersticken glaube.«

      Horace flehte mit der Demut eines Liebhabers um Verzeihung. In dem gegenwärtigen Zustand nervöser Reizbarkeit wurde sie dadurch nicht besänftigt. Sie wendete ihren Blick schweigend von ihm ab. Nicht ahnend, dass sie eben einen Anfall schwerer Seelenleiden durchgemacht hatte, setzte er sich neben sie und fragte sie sanft, ob sie Lady Janet nicht gesehen hatte. Sie gab eine bejahende Antwort, aber mit so ungerechtfertigter Ungeduld in Ton und Wesen, dass ein älterer und erfahrener Mann darin die Warnung gelesen hätte, ihr erst etwas Zeit zu lasse, bevor er wieder sprach. Horace war jung und des langen Harrens müde. Er drängte sie unklugerweise mit einer weiteren Frage.

      »Hat Ihnen Lady Janet etwas gesagt?«

      Sie drehte sich ärgerlich nach ihm um, ehe er noch den Satz vollenden konnte. »Sie haben versucht, mich durch ihre Vermittlung zu der Beschleunigung unserer Heirat zu bewegen«, fuhr sie auf. »Ich sehe es an Ihrem Gesicht!« So deutlich jetzt auch die Warnung sprach, Horace verstand sie nicht. »Seien Sie nicht böse«, sagte er gutmütig. »Ist es denn gar so unverzeihlich, dass ich Lady Janet gebeten habe, meine Fürsprecherin zu sein? Ich habe umsonst Sie zu bewegen versucht. Meine Mutter und Schwestern haben sich meiner angenommen, und Sie verschließen Ihr Herz gegen alles —«

      Sie konnte es nicht mehr länger ertragen. In krampfhafter Heftigkeit stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden. »Ich will nichts mehr von Ihrer Mutter und Ihren Schwestern hören«, brach sie ungestüm aus. »Sie sprechen ja von gar nichts anderem.«

      Es war gerade möglich, noch einen weiteren Fehler in ihrer Behandlung zu begehen – und Horace beging ihn. Er war seinerseits verletzt und stand vom Sofa auf. Seine Mutter und Schwestern waren für ihn große Autoritäten und standen hoch in seiner Achtung; sie waren für ihn Ideale weiblicher Vollkommenheit. Er zog sich an das andere Ende des Zimmers zurück und machte ihr den schwersten Vorwurf, zu dem ihn der Augenblick hinriss.

      »Ich wollte, Sie folgten dem Beispiel meiner Mutter und Schwestern, Grace«, sagte er. »Sie lohnen demjenigen, welcher sie liebt, nicht mit grausamen Worten, wie Sie es tun.«

      Allem Anscheine nach machte jedoch dieser Verweis auf sie nicht den geringsten Eindruck. Sie verhielt sich demselben gegenüber so gleichgültig, als hätte sie ihn gar nicht gehört. Es regte sich in ihr ein Gefühl – ein bitteres Gefühl, das sich gegen Horaces Verherrlichung seiner Angehörigen empörte. »Es macht mich ordentlich krank«, dachte sie bei sich, »von der Tugend solcher Frauen zu hören, an welche die Versuchung niemals herangetreten ist. Wo ist da das Verdienst, anständig zu leben, wenn das ganze Leben nur Freude und Wohlstand ist? Weiß seine Mutter, was es heißt, zu hungern? Sind seine Schwestern verlassen in den Straßen umher geirrt?« Es machte ihr Herz gefühllos – sie empfand beinahe Lust, ihn zu betrügen – wenn er ihr so seine Verwandten als Muster hinstellte. Würde er denn nie das Verständnis dafür bekommen, dass Frauen es verabscheuen, wenn ihnen Ihresgleichen als Vorbilder angepriesen werden? Sie sah nach ihm hin mit dem Gefühle ungeduldiger Verwunderung. Er saß am Frühstückstisch, ihr den Rücken zugekehrt und den Kopf auf seine Hand gestützt. Hätte er versucht, sich ihr wieder zu nähern, sie hätte ihn zurückgewiesen; hätte er sie angeredet, sie wäre ihm mit einer scharfen Erwiderung entgegengetreten. So saß er abseits von ihr und sprach kein Wort. Das Schweigen eines Mannes ist für die Frau, die ihn liebt, der stärkste Widerstand. Heftigkeit kann sie ertragen; Worten ist sie jederzeit bereit, auch ihrerseits mit Worten zu begegnen; das Schweigen besiegt sie. Mercy zögerte einen Augenblick, dann stand sie auf und näherte sich demütig dem Tische. Sie hatte ihn verletzt – und sie allein hatte gefehlt. Wie konnte er es wissen, der Arme, dass er sie gekränkt hatte? Schritt um Schritt kam sie näher und näher. Er sah sich nicht um; er regte sich nicht. Sie legte ihre Hand schüchtern auf seine Schulter. »Vergeben Sie mir, Horace«, lispelte sie. »Ich bin heute sehr leidend; ich bin nicht ich selbst. Was ich sagte, war nicht böse gemeint. Bitte, verzeihen Sie mir.« Die einschmeichelnde Zärtlichkeit ihrer Stimme und ihres Wesens, als sie diese Worte sprach, bezwang jeden Widerstand. Er sah auf und fasste ihre Hand. Sie neigte sich über ihn und drückte einen Kuss auf seine Stirne. »Ist mir vergeben?« fragte sie.

      »O, mein Liebling«, sagte er, »wüsstest du nur, wie ich dich liebe!«

      »Ich weiß es«, antwortete sie sanft und strich ihm dabei das verwirrte Haar auf der Stirne glatt.

      So standen sie ganz ineinander versunken, sonst hätten sie in diesem Augenblick hören müssen, wie sich am anderen Ende des Zimmers die Tür des Bibliothekszimmers öffnete.

      Lady Janet hatte an ihren Neffen die erbetene Antwort geschrieben und war, ihrem Versprechen getreu, zurückgekehrt, um Horaces Sache zu führen. Das erste, was sie nun erblickte, war ihr Klient, wie er mit sichtbarem Erfolge seine Angelegenheit selbst vertrat! »Da bin ich offenbar überflüssig«, dachte die alte Dame. Sie schloss geräuschlos wieder die Tür und überließ die beiden Liebenden sich selbst.

      Horace kam mit unkluger Beharrlichkeit auf das frühere Gesprächsthema, die hinausgeschobene Hochzeit, zurück. Bei den ersten Worten, die er sprach, zog sich Grace rasch zurück, diesmal jedoch betrübt, nicht ärgerlich.

      »Drängen Sie mich nur heute nicht«, sagte sie; »ich bin heute nicht wohl.«

      Er stand auf und sah sie besorgt an. »Darf ich morgen davon reden?«

      »Ja, morgen.« Sie kehrte zu dem Sofa zurück und begann ein anderes Gespräch. »Wie lange Lady Janet ausbleibt«, sagte sie. »Was sie nur so lange aufhalten mag?«

      Horace bemühte sich, so auszusehen, als interessierte auch ihn Lady Janets Abwesenheit. »Weshalb hat sie Sie verlassen?« fragte er hinter dem Sofa stehend und auf sie herabgeneigt.

      »Sie ging in das Bibliothekszimmer, um ein Billet an ihren Neffen zu schreiben. Unter anderem, wer ist denn ihr Neffe?«

      »Ist es möglich, dass Sie das nicht wissen?«

      »Nein, ich weiß es nicht!«

      »Sie haben gewiss schon von ihm gehört«, sagte Horace. »Er ist ja ein berühmter Mann.« Er hielt inne, und sich tiefer auf Grace herabbeugend, hob er eine Locke von ihrer Schulter empor und drückte sie an seine Lippen. »Der Neffe Lady Janets«, begann er wieder, »ist Julian Gray!«

      Bei diesem Namen fuhr Grace von ihrem Sitz empor und blickte Horace entsetzt und verwirrt an, als traute sie ihren Ohren nicht.

      Dieser stand völlig überrascht. »Liebe Grace!« rief er aus; »weshalb erschrecken Sie denn so plötzlich?«

      Sie erhob abwehrend ihre Hand. »Der Neffe Lady Janets ist Julian Gray«, wiederholte sie; »und ich höre dies erst jetzt!«

      Horace


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