Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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eine Rolle spielen konnte. In der Angst um Simon war alles andere nebensächlich geworden.

      Bratt hatte ihr einen Flug gebucht und brachte sie auch zum Airport. Er war sehr besorgt um sie, denn sie war sehr blaß und unkonzentriert.

      »Sie können sich auf mich verlassen, Mary Ann«, versicherte er nochmals. »Sie können mich jederzeit erreichen, und wenn es nötig sein wird, komme ich auch nach München. Natürlich bekommen Sie ausführliche Berichte über die Abwicklung, die selbstverständlich ganz in Ihrem Sinne erfolgen wird. Ich hoffe, daß alles sich zum Guten für Sie und Mr. Karsten entwickelt.«

      Er meinte es gut, aber es rauschte an ihren Ohren vorbei.

      Teilnahmslos saß sie dann im Flugzeug und winkte nur ab, wenn die Stewardessen sich nach ihren Wünschen erkundigten.

      Übermüdet, wie sie nach den durchwachten Nächten war, schlief sie dann glücklicherweise ein, so daß die Zeit für sie schneller verging. Nur die letzten drei Stunden des Fluges war sie wach. Sie aß auch einen Toast, trank Tee und hörte Radio.

      Es kam auch eine Meldung, daß alle bei der Notlandung verletzten Passagiere außer Lebensgefahr wären, und sie konnte endlich aufatmen.

      Ihre Maschine landete überpünktlich in München. Da sie nur Handgepäck dabei hatte, war sie schnell abgefertigt, setzte sich in ein Taxi und ließ sich zu ihrer Wohnung bringen. Sie war froh, daß sie die noch nicht aufgelöst hatte, denn plötzlich hatte sie Hemmungen, in Simons Haus zu wohnen, solange er nicht anwesend war.

      Dann kamen ihr auch seine Schwiegereltern in den Sinn, die über die Notlandung möglicherweise besser informiert waren als sie.

      *

      Besser informiert waren Alfred und Charlotte Zander nicht, aber sie waren tatsächlich unterrichtet worden, daß Simon sich in der Unglücksmaschine befunden hatte und schwer verletzt war.

      Sie hatten bereits darüber diskutiert, daß sie möglicherweise die Erben sein könnten, wenn er sterben würde, und sie bemühten sich schon darum, Zutritt zu seinem Haus zu erhalten, was ihnen aber nicht gelang.

      So kalt und berechnend, wie sie die Heirat ihrer Tochter eingefädelt hatten, dachten sie auch jetzt eher an Simons Tod als an seine Genesung.

      Davon hatte Mary Ann glücklicherweise keine Ahnung. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Wohnung. Alles war ihr fremd geworden, und Simon fehlte ihr überall.

      Sie meinte schließlich, daß es besser für sie war, wieder ihrer Arbeit nachzugehen, bis Simon nach München gebracht wurde, und rief Dr. Mattes an, was er dazu meinte.

      Natürlich wäre er froh, wenn sie ihren Posten wieder übernehme, meinte er. Es sei sowieso ein wenig aus den Fugen geraten und es wäre ja nicht damit zu rechnen, daß Simon in absehbarer Zeit zurückkam.

      So erschien Mary Ann anderntags wieder im Büro und konnte von vertrauten Gesichtern ablesen, wie bestürzt man war über die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war. Aber sie nahm sich zusammen und fand sich auch bald wieder zurecht, um festzustellen, daß Arbeit auch eine gute Medizin sein konnte.

      Es war nur bedrückend, daß so spärliche Nachrichten aus Nowosibirsk eintrafen, aber Dr. Mattes und ihre Kollegen teilten ihre Sorgen und versuchten sie aufzumuntern. Geahnt hatten es die meisten schon lange, daß die Beziehung zwischen Simon und Mary Ann bedeutend enger war, als sie gezeigt hatten.

      So durchsichtig Mary Ann auch wirkte, sie überwand die Schwäche und fand zu gewohnter Tatkraft zurück. Es half ihr, die schweren Tage zu überwinden, und auch die Sympathie, die ihr entgegengebracht wurde, half ihr.

      *

      Währenddessen begriff Simon langsam, was mit ihm geschehen war, daß er sich kaum rühren und vor allem nichts sehen konnte. Er verstand nur ein bißchen Russisch, aber eine Ärztin sprach recht gut Deutsch und klärte ihn dann auch über seinen Zustand auf.

      Er gehörte nicht zu den Menschen, die alles gleich in den schwärzesten Farben malten, und er steckte auch nicht den Kopf unter die Decke. So schnell gab er nicht auf.

      Aber er dachte auch, was wohl Mary Ann empfand und ob er ihr zumuten konnte, mit ihm zusammen diese Prüfung zu bestehen. Ihm wäre es jetzt lieber, das Gedächtnis verloren zu haben als das Augenlicht. Er konnte nicht begreifen, wie das geschehen konnte, weil er der Einzige war, der das durchmachen mußte. Er konnte mit zwei anderen Kollegen, die mit ihm in einem Raum lagen, reden. Die konnten sehen. Einer von ihnen hatte allerdings einen Arm verloren und konnte damit auch nicht so recht fertig werden, aber Simon meinte, daß man einen Arm durch eine Prothese ersetzen konnte.

      Immerhin konnten sie über ihr Schicksal reden und versuchten, sich gegenseitig aufzurichten. Wieso das passieren mußte, konnten sie nicht begreifen. Das Warum hatten die Untersuchungen auch noch nicht herausgefunden. Möglicherweise war es eine Materialermüdung gewesen.

      Endlich bekamen sie auch Grüße und Nachrichten von ihren Verwandten übermittelt, aber wie sehr sich Mary Ann bemüht hatte, etwas um seinen Zustand zu erfahren, erfuhr Simon nicht. Fast drei Wochen vergingen, bis ihnen gesagt wurde, daß sie mit einem Sanitätsflugzeug in ihre Heimat gebracht werden würden. Die Formalitäten waren endlich abgeschlossen. Simon konnte sich vorstellen, welche Schwierigkeiten dazu überwunden werden mußten.

      Für Mary Ann war es eine Erlösung, als ihr gesagt wurde, wann das Flugzeug ankommen würde. Sie hatte mit Dr. Norden schon darüber gesprochen. In welcher Klinik Simon untergebracht werden sollte, denn es mußten nicht nur seine Augen gründlichst untersucht werden, auch die anderen Verletzungen mußten noch behandelt werden. Dr. Norden hatte mit Professor Haberland gesprochen, der als Chirurg mit Professor Leine, einer Kapazität für Amaurose zusammenarbeitete. Sie wollten sich dieses schwierigen Falles annehmen, wobei natürlich auch maßgebend war, daß Geld keine Rolle dabei spielte. Daniel Norden war schon immer bestürzt, wie sehr das Geld doch bei so manchen Kollegen eine Rolle spielte, aber andererseits war es auch eine Garantie, daß sie sich ernsthaft bemühten. Fee konnte sich darüber sehr echauffieren, und Danny meinte trocken, daß sich der Papi daran doch auch mal ein Beispiel nehmen konnte. Daniel ärgerte sich nur darüber, welche Beschränkungen ihnen bei der Behandlung von Kassenpatienten auferlegt wurden, für die komplizierte Operationen unbezahlbar waren.

      Er bedauerte auch, daß Dr. Jenny Behnisch nicht die Möglichkeiten in ihrer Klinik hatte, solche Patienten zu versorgen.

      Er hatte Mary Ann dazu verholfen, Simon vom Flughafen abholen zu dürfen. So war sie mit dem Taxi hingefahren, um dann im Sanitätswagen mit Simon zur Klinik zu fahren. Sie war schrecklich aufgeregt und wurde unruhig, weil sie doch ziemlich lange warten mußte, bis die Maschine landete.

      Simon war ruhiggestellt worden und ohne Bewußtsein, als er in den Sanitätswagen umgebettet wurde. Mary Ann hätte ihn fast nicht erkannt, wenn sie nicht gewußt hätte, daß er es war, so elend sah er aus.

      Ihr kamen die Tränen, aber ein Schluchzen konnte sie unterdrücken. Sie umschloß seine dünnen Finger ganz behutsam, weil sie ihr so zerbrechlich vorkamen, aber ihr war es, als bewege er sich jetzt ganz leicht.

      »Simon-Darling, ich bin jetzt bei dir. Du bist wieder in München.«

      Ob er sie verstehen konnte? In seinem Gesicht regte sich nichts, aber die Wimpern zitterten leicht, und sein Herzschlag war kräftiger.

      »Er wird noch einige Zeit schlafen«, sagte der Arzt. »Das ist auch besser so. Es war für alle Beteiligten anstrengend, bis die Maschine starten konnte.«

      »Gab es viele Schwierigkeiten?« fragte Mary Ann.

      »Die Russen scheinen in ständiger Angst zu leben, daß man ihnen an den Kragen will. Aber vielleicht dachten sie auch, daß die Ärzte mitfliegen wollten.«

      »Vielleicht wollten sie das auch«, sagte Mary Ann nachdenklich. »Verdenken würde ich es ihnen nicht.«

      Dann kam die Aufforderung, daß Simon in den OP zu bringen sei. Mary Ann lernte noch Professor Haberland kennen, der sehr höflich und freundlich war, eine markante Erscheinung, der seine Wirkung auf Frauen sicher nicht verfehlte, aber für Mary


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