Jane Eyre. Шарлотта Бронте

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Jane Eyre - Шарлотта Бронте


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der Hun­ger be­gann jetzt, sich bei mir fühl­bar zu ma­chen – sah ich nur eine klei­ne Por­ti­on da­von auf dem Tel­ler; auch Miss Tem­ple schi­en die­se Ent­de­ckung zu ma­chen.

      »Bar­ba­ra«, sag­te sie, »könn­test du mir nicht noch et­was Brot und But­ter brin­gen? Es ist nicht ge­nug für drei.«

      Bar­ba­ra ging hin­aus. – Gleich dar­auf kam sie zu­rück.

      »Ma­da­me, Mrs. Har­den sagt, sie habe die ge­wöhn­li­che Por­ti­on her­auf­ge­schickt.«

      Ich muss be­mer­ken, dass Mrs. Har­den die Haus­häl­te­rin war, eine Frau nach Mr. Brock­le­hursts Her­zen, die aus glei­chen Tei­len Fisch­bein und Ei­sen zu­sam­men­ge­setzt war.

      »Schon gut, schon gut!« ent­geg­ne­te Miss Tem­ple; »dann muss es wohl für uns ge­nug sein, Bar­ba­ra.« Als das Mäd­chen fort war, füg­te sie lä­chelnd hin­zu: »Glück­li­cher­wei­se liegt es in mei­ner Macht, dem Man­gel die­ses eine Mal noch ab­zu­hel­fen.«

      Nach­dem sie He­len und mich auf­ge­for­dert hat­te, uns an den Tisch zu set­zen, und je­der von uns eine Tas­se hei­ßen Tee’s und eine Schei­be köst­li­chen ge­rös­te­ten Weiß­brots ge­ge­ben hat­te, er­hob sie sich, öff­ne­te eine Schieb­la­de, nahm aus der­sel­ben ein in Pa­pier ge­wi­ckel­tes Pa­ket und ent­hüll­te vor un­se­ren Au­gen einen großen, präch­ti­gen Krü­mel­ku­chen.

      »Ich hat­te die Ab­sicht, je­der von euch ein Stück hier­von mit auf den Weg zu ge­ben«, sag­te sie, »da man uns aber so we­nig Toast be­wil­ligt hat, sollt ihr es jetzt schon ha­ben«, und sie be­gann mit groß­mü­ti­ger Hand, den Ku­chen in Schei­ben zu schnei­den.

      Wir schmaus­ten an die­sem Abend wie von Nek­tar und Am­bro­sia; und es war nicht die kleins­te Freu­de die­ses Fes­tes, dass un­se­re Wir­tin uns mit freund­lich zu­frie­de­nem Lä­cheln zu­sah, wie wir un­se­ren re­gen Ap­pe­tit an den köst­li­chen Lecker­bis­sen, wel­che sie uns vor­setz­te, still­ten. Als der Tee ge­trun­ken und der Tisch ab­ge­räumt war, rief sie uns wie­der an den Ka­min; wir setz­ten uns an jede Sei­te von ihr, und jetzt folg­te ein Ge­spräch zwi­schen He­len und ihr, wel­chem lau­schen zu dür­fen al­ler­dings eine Be­güns­ti­gung war.

      Miss Tem­ple hat­te stets et­was von See­len­frie­den in ih­rem Äu­ße­ren, von Ho­heit in ih­rer Mie­ne, von ge­läu­ter­tem An­stand in ih­rer Spra­che, wel­ches jede Ab­wei­chung in das Feu­ri­ge, Er­reg­te, Un­ge­stü­me aus­schloss – ein Et­was, wel­ches die Freu­de je­ner hei­lig­te, wel­che ihr zu­hör­ten, wel­che sie an­blick­ten, und al­len ein Ge­fühl der Ehr­furcht ein­flö­ßte. In die­sem Au­gen­blick war es auch mei­ne Emp­fin­dung: – was aber He­len Burns an­be­traf, so über­rasch­te sie mich aufs höchs­te.

      Das er­fri­schen­de Mahl, das wär­me­n­de Feu­er, die Ge­gen­wart ih­rer ge­lieb­ten Leh­re­rin oder viel­leicht mehr als al­les die­ses et­was in ih­rem ei­ge­nen sel­te­nen Ge­müt, hat­te alle Kräf­te und Ga­ben in ihr ge­weckt. Sie er­wach­ten, sie ent­flamm­ten; zu­erst glüh­ten sie in den strah­len­den Far­ben ih­rer Wan­gen, wel­che ich bis zu die­ser Stun­de nie­mals an­ders als bleich und blut­leer ge­kannt hat­te; dann strahl­ten sie in dem feuch­ten Glanz ih­rer Au­gen, wel­che plötz­lich eine Schön­heit be­kom­men hat­ten, die noch ei­gen­tüm­li­cher war, als jene Miss Temp­les – eine Schön­heit, die we­der in der schö­nen Far­be noch in den lan­gen Wim­pern oder den herr­lich ge­zeich­ne­ten Au­gen­brau­en lag, – son­dern in dem Aus­druck, in der Be­we­gung, in dem Glanz. Jetzt trug sie das Herz auf der Zun­ge und die Spra­che floss – aus wel­cher Quel­le weiß ich nicht – denn hat ein vier­zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen ein Herz, das groß ge­nug, stark und kräf­tig ge­nug ist, um den brau­sen­den Quell der rei­nen, vol­len, feu­ri­gen Be­red­sam­keit fas­sen zu kön­nen? Dies war die Ei­gen­art von He­lens Ge­sprächs­wei­se an die­sem mir un­ver­ge­ss­li­chem Aben­de; es war, als wol­le ihr Geist sich be­ei­len, in ei­ner kur­z­en Span­ne Zeit eben­so voll und ganz zu le­ben, wie die meis­ten Men­schen wäh­rend ei­nes lan­gen Da­seins.

      Sie spra­chen über Din­ge, von de­nen ich nie­mals ge­hört hat­te; von längst ge­schwun­de­nen Zei­ten und Na­tio­nen; von fer­nen Län­dern, von ent­deck­ten oder nur ge­ahn­ten Na­tur­ge­heim­nis­sen – sie spra­chen von Bü­chern. Wie vie­le sie ge­le­sen hat­ten! Wel­chen rei­chen Schatz von Kennt­nis­sen sie be­sa­ßen! Dann schie­nen sie so ver­traut mit fran­zö­si­schen Na­men und fran­zö­si­schen Schrift­stel­lern; aber mein Er­stau­nen stieg aufs höchs­te, als Miss Tem­ple He­len frag­te, ob sie zu­wei­len einen frei­en Au­gen­blick er­üb­ri­gen kön­ne, um das La­tein, wel­ches ihr Va­ter sie ge­lehrt hat­te, zu wie­der­ho­len; dann nahm sie ein Buch von ei­nem Bü­cher­brett und bat sie, eine Sei­te des Vir­gil zu le­sen und zu über­set­zen; He­len ge­horch­te und mein Sinn für Ver­eh­rung und Hochach­tung er­wei­ter­te sich, wäh­rend ich lausch­te. Kaum hat­te sie ge­en­det, als die Glo­cke er­tön­te, wel­che die Zeit des Schla­fen­ge­hens ver­kün­de­te; wir durf­ten nicht län­ger ver­wei­len; Miss Tem­ple um­arm­te uns bei­de und sag­te wäh­rend sie uns an ihr Herz zog:

      »Gott seg­ne euch, mei­ne Kin­der!«

      He­len hielt sie ein we­nig län­ger ans Herz ge­drückt als mich; sie ließ sie wi­der­stre­ben­der von sich; He­len folg­te ihr Auge bis an die Tür; ihr galt der trau­ri­ge Seuf­zer, wel­cher ihre Brust hob, ihr die Trä­ne, wel­che sie schnell zu trock­nen be­müht war.

      Als wir das Schlaf­zim­mer er­reich­ten, hör­ten wir Miss Scat­cherds Stim­me; sie sah nach, ob die Schieb­la­den in Ord­nung wa­ren; ge­ra­de hat­te sie jene von He­len Burns her­aus­ge­zo­gen, und als wir ein­tra­ten, wur­de He­len mit ei­nem schar­fen Ver­wei­se be­grüßt und die Leh­re­rin kün­dig­te ihr an, dass sie am fol­gen­den Tage mit ei­nem hal­b­en Dut­zend un­or­dent­li­cher Din­ge an die Schul­ter ge­hef­tet um­her ge­hen wer­de.

      »Mei­ne Sa­chen be­fan­den sich al­ler­dings in ei­ner em­pö­ren­den Un­ord­nung«, flüs­ter­te He­len mir zu, »ich hat­te die Ab­sicht ge­habt auf­zuräu­men, aber ich ver­gaß es.«

      Am nächs­ten Mor­gen schrieb Miss Scat­cherd mit weit­hin sicht­ba­ren Buch­sta­ben auf ein Stück Pap­pe das Wort »Sch­lam­pe« und band es wie einen Denk­zet­tel um He­lens große, in­tel­li­gen­te und mil­de Stirn. Ge­dul­dig und ohne Mur­ren trug sie es bis zum Abend, es wie eine ver­dien­te Stra­fe an­se­hend. Kaum hat­te Miss Scat­cherd sich nach den Nach­mit­tags-Un­ter­richts­stun­den zu­rück­ge­zo­gen, als ich auf He­len los­stürz­te, es her­abriss und es ins Feu­er warf. Die Wut, de­ren sie nicht fä­hig war, hat­te den gan­zen Tag über in mei­ner See­le ge­tobt, und große, hei­ße Trä­nen hat­ten fort­wäh­rend mei­ne Wan­gen ge­netzt; denn der An­blick ih­rer trau­ri­gen Re­si­gna­ti­on gab mir einen un­er­träg­li­chen Stich ins Herz.

      Un­ge­fähr eine Wo­che nach den oben er­wähn­ten Er­zäh­lun­gen er­hielt Miss Tem­ple, wel­che an Mr. Lloyd ge­schrie­ben hat­te, des­sen Ant­wort; wie es schi­en, er­gänz­te das, was er sag­te, mei­nen Be­richt. Miss Tem­ple rief die gan­ze Schu­le zu­sam­men und ver­kün­de­te, dass die An­kla­gen, wel­che ge­gen Jane Eyre er­ho­ben, ge­nau und sorg­fäl­tig un­ter­sucht wor­den, und dass sie glück­lich sei, mich von je­der Schuld frei­spre­chen zu kön­nen. Da­rauf schüt­tel­ten die Leh­re­rin­nen mir die Hän­de und küss­ten mich, und ein Mur­meln der Freu­de lief durch die Rei­hen mei­ner Ge­fähr­tin­nen.


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