Geschichte von Florenz (Mit Illustrationen). Niccolò Machiavelli
Читать онлайн книгу.Rache zu üben. Auch Messer Bertaccio rüstete sich zur Verteidigung, so daß nicht diese Familie allein, sondern ganz Pistoja in Parteien zerfiel. Und da die Cancellieri von Messer Cancelliere abstammten, welcher zwei Frauen gehabt, von denen einen Bianca hieß, so nannte sich die eine Partei nach dieser die Weiße, während man die andere, in entgegengesetzter Bezeichnung, die Schwarze hieß. Viele Händel fielen zwischen diesen vor, viele Menschen verloren ihr Leben, viele Häuser wurden zerstört. Da sie miteinander sich nicht zu einigen vermochten und, doch des Unheils müde, entweder ihrer Feindschaft ein Ende zu machen, oder durch Hineinziehung anderer sie ins Große zu treiben wünschten, so kamen sie nach Florenz. Die Schwarzen, mit den Donati bekannt, fanden Aufnahme bei Messer Corso, dem Haupte dieser Familie, weshalb die Weißen, um gegen diese einen kräftigen Schutz zu haben, an Messer Vieri de’Cerchi sich wandten, einen Mann, der Messer Corso in keiner Beziehung nachstand.
Dieser von Pistoja gekommene Unfriede mehrte den alten Haß zwischen den Cerchi und Donati, und dieser ward so offenbar, daß die Prioren und übrigen guten Bürger fürchteten, sie würden jeden Augenblick aneinandergeraten und die Stadt in neue Verwirrung stürzen. Deshalb wandten sie sich an den Papst und baten ihn, er möge in seiner Machtvollkommenheit ein Mittel gegen diesen Hader anwenden, welches sie mit eigner Macht nicht anwenden könnten. Der Papst ließ Messer Vieri kommen und gab ihm auf, mit den Donati Frieden zu schließen. Vieri stellte sich verwundert und sagte, er führe keinen Krieg mit jenen: da nun ein Friedensschluß Krieg voraussetze, so wisse er nicht, was Friede solle, wo kein Kampf sei. Als nun Vieri von Rom zurückkehrte, ohne daß etwas zustande gekommen wäre, so steigerte sich die Gereiztheit in solchem Maße, daß jeder, auch der kleinste Zufall das Signal zum offnen Bruch geben konnte. Dies geschah denn auch wirklich. Es war im Monat Mai, während dessen öffentliche Festlichkeiten in Florenz stattfinden. Einige junge Leute aus dem Geschlechte der Donati, von mehreren ihrer Freunde begleitet, hielten eines Tages zu Pferde auf dem Platze vor der Kirche Santa Trinità, um Frauen tanzen zu sehn. Auch einige von den Cerchi, von einer Schar Edelleute gefolgt, kamen dazu, und da sie die vor ihnen stehenden Donati nicht kannten und besser sehn wollten, drängten sie mit ihren Rossen so sehr vorwärts, daß sie an jene anrannten. Sich für beleidigt haltend, griffen die Donati zu den Waffen, die Cerchi desgleichen, und sie trennten sich erst, nachdem auf beiden Seiten viele verwundet worden waren. Dies war der Anfang eines neuen Streites, der Adel wie Volk veruneinigte, und wobei die Parteien die Namen der Weißen und Schwarzen annahmen. Häupter der Weißen waren die Cerchi und zu ihnen hielten die Adimari, die Abati, ein Teil der Tosinghi, der Bardi, der Rossi, der Frescobaldi, der Nerli und Mannelli, alle Mozzi, Scali, Gherardini, Cavalcanti, Malespini, Bostichi, Giandonati, Vecchietti und Arrigucci. Viele Popolanfamilien scharten sich zu diesen nebst allen in Florenz befindlichen Gibellinen, so daß ihnen, ihrer großen Zahl wegen, die Verwaltung der Stadt beinahe ganz gehörte. Andrerseits waren die Donati Häupter der Schwarzen, und zu ihnen hielten solche Mitglieder der oben bezeichneten Häuser, welche nicht zur weißen Partei gehörten, überdies alle Pazzi, Visdomini, Manieri, Bagnesi, Tornaquinci, Spini, Buondelmonti; Gianfigliazzi, Brunelleschi. Nicht auf die Stadt allein beschränkte sich diese Feindschaft: sie erstreckte sich über das ganze Gebiet. Die Capitani der guelfischer Partei und alles, was es mit dieser Faktion und der Republik hielt, fürchteten deshalb sehr, dieser Unfriede werde zum Nachteil der Stadt die gibellinische Partei wieder ins Leben rufen. Darum sandten sie zu Papst Bonifaz, damit er auf eine Abhilfe denke, wenn er nicht wolle, daß die Stadt, welche stets der Kirche Schild gewesen, zugrunde gehe oder gibellinisch werde. Der Papst sandte den Kardinal von Porto, Matteo von Acquasparta, als Legat nach Florenz, und da dieser bei den Weißen auf Schwierigkeiten stieß, indem dieselben weniger fürchteten, weil sie sich für die Stärksten hielten, so zog er unwillig ab und ließ die Stadt im Interdikt. So herrschte nach seiner Abreise größere Verwirrung als vor seiner Ankunft.
Während nun aller Gemüter gereizt waren, traf es sich, daß bei einer Leichenfeier, wo viele der Cerchi und Donati zusammen sich einfanden, man zu Worten kam, dann zu den Waffen griff, woraus indes damals nur Tumult entstand. Als nun jeder nach Hause gegangen, beschlossen die Cerchi die Donati anzugreifen und suchten sie auch mit einer großen Schar der ihrigen: aber die Tapferkeit Messer Corsos schlug ihren Angriff ab und viele zogen verwundet heim. Die ganze Stadt war in Waffen; die Prioren und die Gesetze vermochten nichts gegen die Mächtigen; die weisesten und besten Bürger waren voll Besorgnis. Die Donati und ihre Partei fürchteten mehr, weil sie die Schwächeren waren. Deshalb verband sich Messer Corso mit den übrigen Häuptern der Schwarzen und mit den Hauptleuten der guelfischen Partei, und sie beschlossen, den Papst zu bitten, einen von königlichem Blute zu senden, um Florenz umzugestalten, indem sie auf solche Weise über die Weißen zu siegen hofften. Diese Zusammenkunft und Beschlußnahme kamen zu den Ohren der Prioren und wurde von den Gegnern als eine Verschwörung gegen die Freiheit ihnen zur Last gelegt. Da beide Parteien bewaffnet waren, so faßten die Signoren, auf den Rat wie durch die Weisheit Dantes, welcher zu jener Zeit unter ihnen saß, neuen Mut und hießen das Volk sich waffnen, welchem viele aus der Landschaft sich anschlossen. Hierauf nötigten sie die Häupter, die Waffen niederzulegen, und sandten Messer Corso und andere der Schwarzen in die Verbannung. Und um ihre Unparteilichkeit an den Tag zu legen, verbannten sie auch mehrere der Weißen, welche indes nicht lange darauf aus anscheinend gültigen Gründen zurückkehrten.
Messer Corso und die Seinen, welche an eine günstige Gesinnung des Papstes glaubten, begaben sich nach Rom (1301), und indem sie Bonifaz mündlich vortrugen, was sie ihm schon schriftlich gemeldet, erreichten sie ihre Absicht. Am Hofe zu Rom befand sich Carl von Valois, Bruder des Königs von Frankreich, vom Könige von Neapel nach Italien berufen, um mitzuwirken zur Wiedereroberung Siziliens. Auf die Bitten der Florentiner gestattete der Papst, daß Carl sich bis zur Zeit, wo die Seefahrt unternommen werden könnte, nach Toscana begeben sollte. So kam denn der Prinz, und obgleich die Weißen in großer Besorgnis waren, wagten sie doch sein Kommen nicht zu hindern, da er Haupt der Guelfen und päpstlicher Abgesandter war. Aber um ihn sich zum Freunde zu machen, erteilten sie ihm Machtvollkommenheit, über die Angelegenheiten von Florenz nach seinem Gutdünken zu verfügen. Nachdem Carl diese Autorität erhalten, ließ er alle seine Anhänger sich bewaffnen, was bei dem Volke einen solchen Verdacht erregte, der Prinz könnte gegen die Freiheit etwas versuchen, daß alle sich rüsteten und in ihren Wohnungen bereit hielten, falls jener irgendeine Bewegung machen sollte. Die Cerchi und die Häupter der Weißen, welche eine Zeitlang das Ruder geführt und sich hochmütig gezeigt hatten, waren allgemein verhaßt, was Messer Corso und den übrigen Verbannten der schwarzen Partei Mut einflößte, nach Florenz zurückzukehren, um so mehr, als sie wußten, daß der Prinz und die Parteihauptleute (Capitani di parte) günstig für sie gestimmt waren. Und während die Stadt, wegen Verdachtes gegen den Valois, in Waffen war, kehrten Messer Corso und die andern Ausgewiesenen nebst zahlreichen Anhängern zurück, ohne von jemand daran gehindert zu werden. Zwar wurde Messer Vieri de’Cerchi von den Seinen bestürmt, er solle sich Messer Corso widersetzen; aber er wollte es nicht, indem er sagte, das florentiner Volk müsse den züchtigen, der als Feind heranziehe. Indes fand gerade das Gegenteil statt: Messer Corso ward empfangen und nicht gestraft, während Messer Vieri flüchten mußte, um sich zu retten. Denn jener nachdem er das Tor von Pinti erzwungen, ließ seine Schar bei San Pier maggiore halten, in der Nähe seiner Wohnungen, und nachdem dort viele Freunde und neuerungssüchtiges Volk zu ihm sich gesellt, erbrach er die Gefängnisse und ließ alle frei, die aus politischen Gründen oder wegen sonstiger Vergehen eingesperrt waren. Dann nötigte er die Signoren, ihr Amt niederzulegen und nach Hause zu gehen, und wählte eine neue Signorie aus Popolanen und Leuten von der schwarzen Partei. Fünf Tage lang wurden die Häuser der Vornehmsten unter den Weißen geplündert. Die Cerchi und die ersten ihrer Anhänger hatten die Stadt verlassen und auf ihre Kastelle sich zurückgezogen, als sie Carl übelwollend und den größten Teil des Volkes feindlich gesinnt sahen. Und während sie früher des Papstes Rate nicht hatten folgen wollen, waren sie jetzt genötigt, ihn um Hilfe anzusprechen, indem sie ihm zeigten, wie Carl gekommen, in Florenz Zwietracht zu säen, statt Eintracht zu fördern. Deshalb sandte Bonifaz von neuem den Kardinal von Acquasparta als seinen Legaten, und dieser schloß Frieden zwischen Cerchi und Donati, und befestigte ihn durch Verschwägerungen und Ehebündnisse. Als er aber verlangte, daß die Weißen auch an den Ämtern teilnehmen sollten, gaben die Schwarzen dies nicht zu, so daß der Legat mit nicht geringerem Unwillen abzog, als das erste Mal, und die ungehorsame Stadt im Interdikte ließ (1302).
So