Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung. Friedrich von Hellwald
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Lib. II Samuelis. Cap. 16. V. 22.
[147] Dr. H. Ploss. Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologische Studien. Leipzig, 1885. Bd. I. S. 224.
[148] G. A. Wilken. Over de Verwantschap en het Huwelijks-en Erfrecht by de volken van den indischen Archipel. Leiden, 1883. S. 7.
[149] Mouat. Adventures and researches among the Andaman Islanders. S. 294.
[150] Carus Sterne. Die Krone der Schöpfung. S. 101.
[151] Ludwig Büchner. Thatsachen und Theorieen aus dem naturwissenschaftlichen Leben der Gegenwart. Berlin, 1887. S. 216–217.
[152] J. Kubary. Die Bewohner der Mortlock-Inseln, in den Mitteil. der geographischen Gesellschaft in Hamburg. 1878–79. S. 252.
[153] Petermanns. Geographische Mitteilungen. 1857. S. 138.
[154] Gräfin Pauline Nostitz. Reisen in Vorderasien und Indien. Leipzig, 1873. Bd. II. S. 13.
[155] Dr. Jak. Ed. Polak. Persien. Das Land und seine Bewohner. Leipzig, 1865. Bd. I. S. 160.
[156] A. a. O. S. 224.
[157] Quelle femme du monde ne rougirait, si elle était surprise chez elle décolletée comme elle se montre au bal? sagt A. de Quatrefages in der Revue d’anthropologie. 1872. S. 209.
[158] Zöller. Forschungsreisen in Kamerun. Bd. I. S. 16.
[159] Peschel. Völkerkunde. S. 176.
VII.
Kuss und Liebe.
Es ist ganz unerlässlich für den Gang der späteren Auseinandersetzungen, zuvor noch einige Punkte zu erörtern, die wie die Schamhaftigkeit mit dem Geschlechtsleben der Völker und dem Gegenstande unserer Untersuchungen in augenscheinlichem Zusammenhange stehen. Der vornehmste dieser Punkte betrifft jenes Gefühl, welches der europäische Kulturmensch als Liebe empfindet. Über dieses müssen wir uns zunächst verständigen. Forscht man vom ethischen Standpunkte nach dem wirklichen Wesen der Liebe, so trifft man schon bei Aristoteles die Auslegung: „Lieben ist, dass wir für jemand das wollen, was er für gut hält und zwar seinetwegen, nicht unsertwegen.“[160] Der uns bedeutend näher gerückte Leibniz erklärt die Liebe als „die Empfänglichkeit für die eigene Freude an der Vollkommenheit, dem Wohl oder Glück des geliebten Gegenstandes.“[161] Den in diesen Sätzen verkappten Egoismus, der darin besteht, dass jene fremde Lust doch schliesslich nur Ziel und Ursache unserer eigenen Lust ist, bringt Spinoza sehr richtig, aber nur nicht scharf genug zum Ausdruck, indem er die Liebe „als eigene Lust, begleitet von der Vorstellung der diese Lust bewirkenden Ursache“ betrachtet. Dies gilt wohl von allen Arten von Liebe, der Freundes-, Kinder-, Eltern- und Geschlechtsliebe. Letztere, die uns hier allein angeht, darf man insbesondere, alles in allem genommen, wohl mit Karl Bleibtreu bezeichnen als: „das Gefühl, die Sinnlichkeit bis zur Aufopferung derselben auf ein Einzelwesen zu übertragen.“[162] Aber Liebe ist nicht bloss Sache des Gefühls, sondern sie wohnt auch auf dem tiefsten Grunde des Willens. Liebe heisst: nicht sich selbst wollen. Liebe ist Selbstverleugnung und dadurch der gerade Gegensatz der Selbstsucht, vom Lebensprinzip des Egoismus aus betrachtet, auf welchem doch schliesslich alles menschliche Thun und Lassen beruht, also ein anormaler Zustand, freilich nur scheinbar; denn obwohl diese Liebe sich dem andern völlig unterordnet, weshalb auch Mitleid und Bewunderung so mächtige Nährgefühle derselben sind; obwohl sie sich völlig vergisst über dem Du und auch nicht zerstört wird durch das Leid, das etwa der Liebende vom Geliebten erfährt; obwohl sie nicht der Rausch der Sinne, sondern die ruhige Entschlossenheit der Seele ist, woran der Geist einen sehr hervorragenden Anteil hat: so ist die Liebe, unbestreitbar die höchste menschliche Leidenschaft, welche der Ansporn zu allem Schönen und Hässlichen im moralischen Sinne des Wortes werden kann, doch sich augenscheinlich Selbstzweck und Selbstlust und erwägt den Fortpflanzungstrieb erst in zweiter Linie, welcher, wie schon früher betont, mit der fleischlichen Begierde und gar mit der Liebe gar nichts zu thun haben braucht; denn es unterliegt keinem Zweifel, dass es einer solchen psychischen Regung wenigstens seitens des weiblichen Teiles für die Fortpflanzung des Geschlechtes gar nicht bedarf.[163] So sehr indes sinnliche Begierde und Liebe an sich auseinander zu halten sind, so haben sie doch einen gemeinsamen Berührungspunkt darin, dass ohne sinnliche Beimischung Liebe durchschnittlich kaum denkbar ist. Wie krystallhell die Quelle, wie rein ihr Wesen auch sei, immer strebt doch die Liebe nach dem nämlichen groben Endzweck.[164] Jedes Wesen fühlt wohl das Lieben als eine Notdurft der Natur, aber erst durch Beimischung des sinnlichen Elements erhält das Liebebedürfnis jene bittere Schärfe, welche den ganzen Organismus durchzittert. Die Sinnlichkeit selbst und insbesondere der Gattungstrieb ist aber darum weder Liebe, noch hat er bestimmenden Einfluss darauf. Er ist bloss, wie schon Hyrtl vor mehr denn dreissig Jahren bemerkte, veredelbar durch die Dazwischenkunft des Geistigen, und das ist die Liebe. Sehr richtig sagt ein scharfsinniger Schilderer menschlicher Leidenschaften, Leopold von Sacher-Masoch: „Von der Sinnlichkeit geht jede noch so tiefe Neigung aus, ohne sie giebt es keine Liebe, kein Glück, — aber es darf nicht dabei bleiben.“[165]
Es ist also immerhin die Rolle der Sinnlichkeit selbst in der idealsten Liebe, die sich ausschliesslich und heroisch einem einzigen Gegenstande opfert, nicht zu unterschätzen. Sogar die selbstloseste Liebe, welche unter Umständen völlige Entsagung zu ihren leidenvollen Freuden zählt, verzichtet ungern auf die Liebkosung des geliebten Wesens, worunter das Küssen obenansteht. Uns europäischen Menschen erscheint der Kuss als der natürliche Ausdruck der Liebe, und zwar nicht nur der geschlechtlichen. „Jedenfalls,“ sagt Steele, „war die Natur die Erfinderin desselben und der erste Kuss entstand mit der ersten Bewerbung.“ Niemand wird mir aber wohl darin widersprechen, dass der Kuss ein durchaus sinnlicher Genuss ist, hervorgerufen durch die fremde Berührung mit den in den Lippen auslaufenden feinen Nervenenden und unterstützt durch die Nähe des ebenso feinfühligen Riechorganes. Mit Recht fragt man wie der erste Kuss „schmeckt“, wenn man auch nicht die von einer jungen Dame darauf erteilte überschwängliche Antwort gelten zu lassen geneigt sein dürfte.[166] Unter Verliebten gilt der Kuss gewissermassen als eine Vorstufe der Liebeslust, und obwohl ein altdeutscher Spruch meint:
Einen Kuss in