Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield


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»hat dem Gebote seines Vaters Folge geleistet. Er ist gekommen, um seine Gebeine im freien Lande der großen Cumanchees zu begraben.« Er hob nun den Deckel vom Sarge weg, um den die Wilden sich heulend herumdrängten.

      »Der Miko«, nahm einer der alten Indianer das Wort, »ist ein großer, ein hoher Häuptling; – hat ihm der große Sheyah zugeflüstert, seine Gebeine von den Muscogees zu holen?«

      »Er hat es«; sprach der Miko.

      »Hugh!« ertönte es abermals aus der tiefsten Brust sämtlicher Wilden, die nun heulend durcheinander rannten.

      »Der Miko ist gekommen,« sprach der Greis, »um das Gebot seines Vaters zu erfüllen. Die roten Männer können ihn nicht mehr halten. Aber sie mögen kommen in die schönen Gefilde der Cumanchees. Tokeah und sein Sohn, der große El Sol, werden ihnen die Hand öffnen.«

      Und mit diesen Worten erhob er sich und verließ die versammelte Menge, ohne sie auch nur eines fernern Blicks zu würdigen. Ein tobendes Geheul schallte ihm noch eine Weile nach, das sich allmählich in den Bergklüften verlor.

      Die beiden Häuptlinge schlugen sodann mit den Oconees, die sich wieder zu ihnen gesellt hatten, den Weg zum Mississippi ein.

      Was eigentlich die Ursache dieser sonderbaren Zusammenkunft gewesen, läßt sich schwer bestimmen. In der Natur des alten Häuptlings lag jener unergründliche Doppelsinn, den der Wilde überhaupt in einem so hohen Grade besitzt, daß er Jahre lang die größten Entwürfe mit einem undurchdringlichen Schleier verhüllen kann, in einem außerordentlichen Grade. – Und wenn ihn das Geheiß seines Vaters, wie er meinte, oder richtiger zu sprechen, sein Traum zu dem weiten Zuge veranlaßt hatte, so scheint es ebenso gewiß, daß er diesem allmählich einen zweiten Endzweck dann unterschob, als er am Bayou mit der vermeintlichen Verlegenheit seiner Feinde näher bekannt wurde. Ob es ein letzter Versuch gewesen, sein Volk zum Ergreifen der Waffen gegen den Feind zu bewegen, oder ob er dieses bloß ausholen wollte, um auf alle möglichen Fälle bereit zu sein, darüber schweigt sowohl die Tradition als die geschichtliche Urkunde. Sowie er es nun fand, hatte er jeden Versuch für immer aufgegeben. Die Politik der Zentralregierung oder vielmehr das allmähliche Annähern der Amerikaner hatte nämlich während seines langen Exils eines jener Mittel gefunden, wodurch sowohl wilde als zivilisierte, aber noch im Zustande der politischen Kindheit befindliche Völker auf dem sichersten und schnellsten Wege entnationalisiert und gebändigt werden – Zwischenheiraten – durch die der Einfluß der vornehmsten Häuptlinge allmählich auf die sogenannten Halfbloods überging, die, dem amerikanischen Interesse näher verwandt, das übrige Volk in dieses zu ziehen wußten. Es war dieses um so leichter gelungen, als die bedeutenden Jahresgehalte, die den Indianern für ihre Ländereien ausbezahlt wurden, eine Menge junger Abenteurer veranlaßten, die Kupferfarbe der Töchter der Häuptlinge zu übersehen, um sich so in ein Besitztum einzunisten, das noch anziehender durch den bedeutenden Einfluß wurde, den sie durch solche Heiraten unter den Wilden gewannen. Durch eine solche Heirat war auch der Miko um sein Land und um seinen Einfluß gebracht worden, und es war natürlich, daß, als diese Politik häufiger befolgt wurde, die Kluft zwischen ihm und dem Volke immer mehr zunahm.

      Die beiden Häuptlinge, sagt die Tradition, eilten nun, so viel es die Erschöpfung des alten Mannes zuließ, dem Bayou zu. Jedoch schon am folgenden Morgen bemerkten sie, nicht ohne Unruhe, Spuren von Mokassins, die kurz vor ihrer Ankunft hinterlassen worden waren. Je weiter sie vorwärts eilten, desto mehr leuchtete ihnen die Gewißheit ein, daß Muscogees vor ihnen denselben Weg gegangen waren. Der Miko schien weniger ängstlich, aber der junge Häuptling wurde mehr und mehr besorgt. Mit der gewohnten Selbstverleugnung jedoch schwieg er. Als sie aber am sechsten Tage nach ihrem Aufbruche vom Talk oder der Zusammenkunft sich soeben an demselben Platze zur Nachtruhe niedergelassen hatten, den die Späher nicht viele Stunden zuvor eingenommen, konnte El Sol seiner Zunge nicht länger mehr gebieten.

      »Der Miko hat getan«, sprach er, »wie ein frommer Sohn, als er das Gebot seines Vaters erfüllte; aber er hat nicht wie ein kluger Häuptling gehandelt, als er zu seinem Volke sprach; er hat der kochenden Glut, die an seinem Herzen nagt, gehorcht. Der Miko sollte dies nicht getan haben, wenn er seinen Fuß unter die Weißen setzen will.«

      »Sind die roten Männer deshalb weniger Kinder des Miko?« fragte dieser, »weil sie seine Stimme zu hören verschmähen?«

      »War es die Stimme eines Vaters, die aus Tokeah zu den Muscogees sprach?« fragte El Sol bedeutsam. –

      Der Miko schwieg.

      »El Sol ist ein Häuptling,« fuhr der Cumanchee fort, »sein Herz hat noch immer die Wunde nicht vergessen, die die Weißen ihm schlugen, als sie seinen Vater töteten; aber er ist ein Vater vieler Kinder. Könnte er allein die Tat an den Weißen rächen, er würde es tun: aber es würde das Blut seiner Brüder kosten. Er überläßt die Rache Wacondah und lebt für sein Volk. Der Miko muß dies auch tun. Wenn die Weißen erfahren,« fuhr er nach einer Pause fort, »daß der Miko seinem Volke in die Ohren geflüstert hat,« – sein Blick fiel auf die von den Indianern hinterlassenen Spuren, »werden sie ihre Stirn runzeln – vielleicht«, setzte er hinzu, »werden sie das Pfand behalten,« sein Blick fiel auf die Erde – »das ihnen der Miko hinterlassen hat.« Die letzten Worte sprach er leise, beinahe furchtsam.

      »Die weiße Rose ist die Tochter des Miko. Er hat Biber- und Bärenfelle für sie gegeben. Er würde sie den Weißen nicht lassen, wenn sie viele tausend Dollars geben würden.« Das Herz des jungen Häuptlings schlug hörbar lauter.

      »Mein Sohn muß seine Zunge lösen«, sprach der alte Mann. »Er weiß, daß sein Vater ihn sehr liebt.«

      »Wacondah«, sprach der Cumanchee mit kaum hörbarer Stimme, »hat die Tochter des Miko zu sich genommen.« Er stockte, seine Wangen glühten, seine ganze Gestalt zitterte.

      »Rosa ist die Tochter des Miko. El Sol«, rief der Alte, »wird wieder der Sohn Tokeahs werden.«

      »Mein Vater!« mehr vermochte der junge Mann nicht zu sprechen. Aber er fiel dem Alten bewegt an die Brust, und indem er aufsprang und ihn beinahe unwiderstehlich mit sich fortriß, verriet sich die unsägliche Liebe, die den jungen Wilden erfaßt hatte.

      Sie eilten nun rasch und unaufhaltsam dem Bayou zu, wo sie nach Verlauf mehrerer Tage ohne besondere Unfälle anlangten.

      »Sieht mein Vater?« rief der Cumanchee aus, als sie an der Höhe der Ufergebirge standen und über die prachtvolle Niederung und den Strom blickten. »Wohl mußte Tokeah in seinem Kampf unterliegen, – möge er nun glücklich seinen Feinden entgehen!« – Eine Weile standen die beiden wie angewurzelt, und dann schlichen sie sich langsam und düster der Talniederung zu.

      Neununddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ein herrlicher, obgleich für die beiden Wilden niederschlagender Anblick, der sich ihnen darbot. Die Natur hatte sich in der Zwischenzeit mit jener prachtvollen Üppigkeit entfaltet, die in diesem Lande schon im ersten Frühlingsmonat alle die Pracht und Schönheit zeigt, die mehr nördlich erst einige Monate später hervortritt. Aus den hell- und dunkelgrünen Baumgruppen tauchten unzählige Pflanzungen und Landhäuser auf, die das Auge in weiter Ferne an den beiden Ufern des Stromes erblicken konnte. Alles war Blüte und Grün, und hinten her, in blauer Ferne, wogten die Wälder des westlichen Ufers, die die Pflanzungen gleich ungeheuern, immer grünen Wällen beschützten. Den hehrsten Anblick jedoch gewährte der majestätische Strom, von herrlichen Landhäusern umgürtet, so majestätisch dahinfließend, als sei er zum Gebieter der Welt erkoren; auf seinen Wellen schaukelten hundert kleine und große Fahrzeuge, die Tausende von Meilen herabkamen oder nun dem Bayou zuliefen, um das schöne Schauspiel zu sehen, das die Ankunft der Milizen darbot. Es war nämlich nicht lange nach der Siegesbotschaft die, nicht minder erfreuliche, vom Abschlusse des Friedens im Staate angelangt, so daß der wichtige Sieg, der erfochten worden, kurz vor Abschluß des Friedens erkämpft worden war. Der größte Teil der Landesverteidiger war bereits nach Hause gekehrt, der Rest kam nun soeben in einem Dampfschiffe den Strom herauf, schon von weitem von


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