Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.tranken. Die Verwundeten tranken; Oofty-Oofty, der mir beim Verbinden half, trank. Nur Louis hielt sich zurück, er befeuchtete sich die Lippen nur ganz vorsichtig, stimmte aber in den allgemeinen Lärm mit ein wie der Schlimmste von ihnen. Es war eine zügellose Schwelgerei. Mit lauter Stimme erörterten sie die Kämpfe des Tages, stritten sich über Einzelheiten oder wurden zärtlich und schlossen Freundschaft mit denen, gegen die sie gekämpft hatten. Gefangene wie Sieger sanken sich in die Arme und schworen sich mit mächtigen Flüchen gegenseitig ihre Hochachtung und Wertschätzung.
Es war ein seltsamer und schrecklicher Anblick, der kleine, von Kojen umrahmte Raum, dessen Boden und Wände hüpften und schwankten, das trübe Licht, in dem die schwingenden Schatten sich ungeheuerlich verlängerten und verkürzten, die rauchgeschwängerte Luft, der Geruch der Körper und der Jodtinktur und der Anblick der erregten Menschen. Ich beobachtete Oofty-Oofty, der das Ende einer Bandage hielt und auf das Schauspiel blickte. Seine samtenen, strahlenden Augen glitzerten wie die eines Rehs, und doch wußte ich, daß ein barbarischer Teufel in seiner Brust schlummerte, der alle Sanftheit und die fast frauenhafte Weichheit in seinen Zügen und seiner Gestalt Lügen strafte. Und ich bemerkte das knabenhafte Gesicht Harrisons - sonst ein gutes Gesicht, jetzt aber das eines Teufels, verzerrt von Leidenschaft, als er den neuen Kameraden von dem Höllenschiff erzählte, auf dem sie sich befanden, und Flüche auf das Haupt Wolf Larsens herabregnen ließ.
Wolf Larsen war es, immer Wolf Larsen, der seine Mitmenschen unterjochte und peinigte. Ich knirschte vor Wut mit den Zähnen, bis der Mann, den ich verband, unter meiner Hand zusammenzuckte und Oofty-Oofty mich neugierig anblickte. Ich fühlte mich plötzlich von mächtiger Kraft beseelt. Etwas in meiner neuentdeckten Liebe machte mich zum Riesen. Ich fürchtete nichts mehr. Ich mußte meinen Willen durchsetzen können trotz meiner fünfunddreißig hinter Büchern verbrachten Jahre. Und so, außer mir, hochgehoben von einem starken Machtgefühl, stieg ich an Deck, wo der Nebel geisterhaft durch die Nacht trieb und die Luft süß, rein und still war.
Das Zwischendeck, wo die beiden verwundeten Jäger lagen, war eine Wiederholung der Back, nur daß hier nicht auf Wolf Larsen geflucht wurde, und mit großer Erleichterung erschien ich wieder an Deck und ging nach achtern in die Kajüte. Das Abendbrot war bereit, und Wolf Larsen und Maud warteten auf mich.
Während Wolf Larsens Mannschaft sich so schnell und gründlich wie möglich betrank, blieb er selbst nüchtern. Nicht ein Tropfen Schnaps kam über seine Lippen. Unter den jetzigen Umständen wagte er es nicht, und er hatte niemand, auf den er sich verlassen konnte, außer Louis und mir, und Louis stand am Rade. Wir segelten weiter durch den Nebel, ohne Ausguck und ohne Lichter. Daß Wolf Larsen den Whiskey auf seine Leute losgelassen hatte, wunderte mich, aber er kannte sie und das Geheimnis, in Freundschaft zusammenzukitten, was mit Blutvergießen begonnen hatte. Sein Sieg über Tod Larsen schien eine merkwürdige Wirkung auf ihn auszuüben. Am Abend zuvor hatte er sich in einen Katzenjammer hineingeredet, und ich hatte einen seiner charakteristischen Ausbrüche erwartet. Aber nichts war geschehen, und jetzt war er in glänzender Stimmung. Vermutlich hatte sein Erfolg beim Kapern so vieler Boote und Jäger der gewöhnlichen Reaktion entgegengewirkt.
Wie gesagt, er war scheinbar in glänzender Stimmung, als ich die Kajüte betrat. Er hatte wochenlang keine Kopfschmerzen gehabt, seine Augen waren so klar wie der Himmel, seine dunkle Gesichtsfarbe strahlte vor Gesundheit. Er war so unterhaltsam, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Es war, als ob er vor innerer Energie beinahe barst. Fast im selben Augenblick begann er eine Diskussion über die Liebe. Wie gewöhnlich vertrat er die rein materialistische, Maud die idealistische Seite. Ich selbst beteiligte mich außer einigen kurzen Bemerkungen und Einwänden nicht an der Unterhaltung.
In diesem Augenblick steckte Louis den Kopf in die Kajüte und flüsterte: „Leise! Der Nebel geht hoch, und vorn ist die Backbordlaterne eines Dampfers."
Wolf Larsen sprang an Deck, und zwar so rasch, daß er, als wir ihm nachgekommen waren, schon die Zwischendecksluke über dem trunkenen Lärm geschlossen hatte und jetzt nach vorn eilte, um auch die Backluke zu schließen. Obwohl der Nebel sich etwas gelichtet hatte, hing er noch über uns und verdunkelte die Sterne, so daß die Nacht ganz schwarz war. Gerade voraus konnte ich ein rotes und ein weißes Licht sehen und eine Maschine arbeiten hören: zweifellos die Macedonia.
Wolf Larsen war zum Hüttendeck zurückgekehrt, und wir standen schweigend zusammen und beobachteten die Lichter, die schnell vor unserm Bug vorbeiglitten.
„Ein Glück, daß sie keine Suchscheinwerfer hat!" sagte Wolf Larsen.
„Wenn ich nun laut riefe?" fragte ich flüsternd.
„Dann wären wir erledigt", antwortete er. „Aber haben Sie auch daran gedacht, was sofort geschehen würde?"
Ehe ich Zeit hatte, meinem Wunsche, es zu erfahren, Ausdruck zu verleihen, hatte er mich mit dem Griff eines Gorillas an der Kehle gepackt und gab mir einen spürbaren Begriff davon, wie er mir ohne weiteres das Genick brechen würde.
Im nächsten Augenblick ließ er mich los, und wir starrten wieder auf die Lichter der Macedonia.
„Und wenn ich rufen würde?" fragte Maud.
„Sie sind mir zu teuer, als daß ich Ihnen etwas tun würde", sagte er sanft - ja, es lag eine Zärtlichkeit, fast eine Liebkosung in seiner Stimme, die mich zusammenzucken ließ -,„aber tun Sie es doch lieber nicht, denn ich würde prompt Herrn van Weyden das Genick brechen."
„Dann darf sie meinetwegen gern rufen", sagte ich trotzig.
„Ich glaube kaum, daß sie den großen amerikanischen Kritiker Humphrey van Weyden opfern würde!" lachte er spöttisch.
Wir schwiegen, und wir hatten uns schon so aneinander gewöhnt, daß das Schweigen uns nicht verlegen machte; und als das rote und weiße Licht verschwunden waren, gingen wir wieder in die Kajüte, um das unterbrochene Abendbrot zu beenden.
Wenn Wolf Larsen je den Gipfel des Lebens erreichte, so tat er es jetzt. Immer wieder vergaß ich meine eigenen Gedanken, um seinen Ausführungen zu folgen, und ich folgte ihm mit Erstaunen, unmittelbar bezwungen durch seinen wunderbaren Verstand, durch den Zauber seiner Leidenschaft, denn er predigte die Leidenschaft des Aufruhrs.
Natürlich wurde dann Mutons Luzifer angeführt, und die Kühnheit, mit der Wolf Larsen diesen Charakter zergliederte, war eine Offenbarung seines unterdrückten Genies.
„Er vertrat eine verlorene Sache, und er fürchtete sich nicht vor Gottes Donnerkeilen", sagte Wolf Larsen. „Wenn er auch in die Hölle gestürzt wurde, so blieb er doch unbesiegt. Ein Drittel der Engel Gottes hatte er mitgebracht, und sofort stachelte er die Menschen auf, sich gegen Gott zu empören, und gewann den größten Teil aller menschlichen Generationen für sich und die Hölle. Warum er vom Himmel herabgeschleudert wurde? Weil er weniger tapfer als Gott war? Weniger stolz? Weniger ehrgeizig? Nein! Tausendmal nein! Gott war der Stärkere. Ihm verlieh der Donner größere Macht. Luzifer aber war ein freier Geist. Dienen hieß für ihn ersticken. Er zog Leiden in Freiheit aller Glückseligkeit einer bequemen Knechtschaft vor. Er machte sich nichts daraus, Gott zu dienen. Er wollte niemand dienen. Er stand auf eigenen Füßen. Er war eine Persönlichkeit."
Dann zitierte er:
„Hier endlich
Winkt uns die Freiheit, hat der Allmächtige Die Zelte seines Neides nicht gebaut Und wird uns nicht vertreiben. Unsre Herrschaft Ist sicher hier; und herrschen, wie man will, Ist schon den Ehrgeiz wert auch in der Hölle: Dort lieber Herrscher als im Himmel Knecht!"
Es war der trotzige Ruf eines mächtigen Geistes. Die Kajüte hallte wider von seiner Stimme, wie er so, hin und her schwankend, das sonnengebräunte Gesicht leuchtend und mit stolz zurückgeworfenem Kopf dastand und den Blick fest und unwiderstehlich auf Maud heftete, die in der Tür stand.
Wieder lag dies unsagbare Entsetzen in ihrem Blick, und, beinahe flüsternd, sagte sie: „Sie sind Luzifer."
Die Tür schloß sich, und sie war fort. Er starrte ihr eine Weile nach, dann kam er wieder zu sich und wandte sich zu mir: „Ich will Louis am Rad ablösen", sagte er kurz. „Um Mitternacht werden Sie