Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.Pütze Wasser übernahmen. Ich war gerade dabei, eine Dose Zungenwurst zu öffnen. Ich ließ sie fallen, sprang an die Schot und warf sie gerade noch im rechten Augenblick hinüber. Das Segel schlug und flatterte, und das Boot kam klar. Wenige Minuten später hatte ich es wieder in den Kurs gebracht und konnte die Vorbereitungen zum Frühstück wiederaufnehmen.
„Es funktioniert, wie es scheint, sehr gut, wenn ich auch in seemännischen Fragen nicht sehr erfahren bin", sagte sie und nickte beifällig mit dem Kopf nach meiner Steuervorrichtung.
„Aber es geht nur, solange wir mit dem Winde segeln", erklärte ich. „Wenn wir den Wind dwars haben oder kreuzen müssen, muß ich doch steuern."
„Ich muß gestehen, daß mir Ihre technischen Ausdrücke fremd sind", sagte sie. „Aber ich verstehe Ihre Schlußfolgerung und bin nicht gerade froh darüber. Sie können doch nicht ununterbrochen Tag und Nacht steuern. Sie werden mir also nach dem Frühstück meine erste Unterrichtsstunde erteilen. Und dann werden Sie sich hinlegen und schlafen. Wir werden abwechselnd die Wache übernehmen wie auf einem Schiff."
„Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen beibringen .soll", wandte ich ein. „Ich bin ja selbst erst Schüler. Als Sie sich mir anvertrauten, haben Sie wohl kaum bedacht, daß ich keine Erfah-rung habe. Es ist das erste Mal, daß ich mich überhaupt in einem kleinen Boot befinde."
„Dann müssen wir es eben gemeinsam lernen, Käpt'n. Und da Sie einen Vorsprung von einer Nacht haben, werden Sie mich lehren, was Sie unterdessen gelernt haben. Und nun das Frühstück! Die Luft macht hungrig!"
„Kaffee gibt es nicht!" sagte ich bedauernd und reichte ihr mit Butter bestrichenen Zwieback und eine Scheibe Zungenwurst. „Und es wird keinen Tee, keine Suppe und überhaupt nichts Warmes geben, bis wir irgendwo an Land gekommen sind."
Nach einem einfachen Frühstück, das durch eine Tasse kalten Wassers gekrönt wurde, erhielt Maud ihre erste Unterrichtsstunde im Steuern. Während ich sie unterwies, lernte ich selbst ein gut Teil; ich wandte die Kenntnisse an, die ich mir durch das Segeln der Ghost und das Beobachten der Steuerleute in den Booten angeeignet hatte. Maud war eine gelehrige Schülerin und lernte bald, den Kurs zu halten, vor den Windstößen zu luven und im Notfall die Schot hinüberzuwerfen.
Als sie von der Arbeit offenbar übermüdet war, überließ sie mir wieder das Ruder. Ich hatte die Decken zusammengelegt, aber sie breitete sie jetzt wieder auf dem Boden aus. Als das geschehen war, sagte sie: „So, Käpt'n, jetzt gehen Sie in die Koje. Und Sie werden bis zum zweiten Frühstück schlafen - bis zum Mittagessen", verbesserte sie sich, indem sie an die Zeiteinteilung auf der Ghost dachte.
Was sollte ich tun? Sie bestand darauf und sagte „Bitte, bitte!", worauf ich ihr das Ruder überließ und gehorchte. Ich hatte ein wundersames Gefühl, als ich in das Bett kroch, das sie mir mit ihren Händen bereitet hatte. Die Ruhe und Selbstbeherrschung, die einen so bedeutsamen Teil ihres Wesens ausmachten, schienen sich den Decken mitgeteilt zu haben. Ich sank in eine sanfte Schläfrigkeit und Zufriedenheit. Das feine Oval mit den braunen Augen in dem Rahmen der Fischermütze wiegte sich vor dem Hintergrund grauer Wolken und grauer Wogen - dann wußte ich, daß ich geschlafen hatte.
Ich sah auf meine Uhr. Ich hatte sieben Stunden geschlafen. Und sie hatte sieben gesteuert! Als ich das Ruder nahm, mußte ich ihr die verkrampften Finger öffnen. All ihr bißchen Kraft war erschöpft, und sie war nicht einmal imstande, sich von ihrem Platz zu bewegen. Ich mußte die Schot fahrenlassen, um ihr in das warme Nest von Decken zu helfen und ihre Hände und Arme zu reiben.
„Ich bin so müde!" sagte sie; ihr Atem ging schnell, und sie ließ ihren Kopf mit einem Seufzer sinken.
Aber im nächsten Augenblick richtete sie sich wieder auf. „Jetzt schelten Sie aber nicht, wagen Sie nicht zu schelten!" rief sie in gespieltem Trotz.
„Ich hoffe, daß ich kein böses Gesicht mache", sagte ich ernst, „denn ich versichere Ihnen, daß ich nicht im geringsten ärgerlich bin."
„Nein", meinte sie nachdenklich. „Es sieht nur vorwurfsvoll aus."
„Dann ist es ein ehrliches Gesicht und drückt nur aus, was ich fühle. Sie haben unrecht sowohl gegen sich selbst wie gegen mich gehandelt. Wie soll ich in Zukunft Vertrauen zu Ihnen haben?"
Sie sah ganz reuevoll aus. „Ich werde brav sein", sagte sie wie ein unartiges Kind. „Ich verspreche -"
„Zu gehorchen, wie ein Matrose seinem Kapitän gehorcht?"
„Ja", sagte sie. „Es war dumm von mir, ich weiß."
„Dann müssen Sie mir noch etwas versprechen", meinte ich.
„Gern."
„Sie dürfen nicht zu oft, Bitte, bitte!' sagen, denn sonst untergraben Sie meine Autorität."
Sie lachte belustigt. Auch sie hatte die Macht ihres „Bitte, bitte!" bemerkt.
„Das Wort ist schön -", begann ich.„Aber ich darf es nicht ausnutzen", unterbrach sie mich. Dann lachte sie müde und ließ den Kopf wieder zurücksinken.
Ich überließ das Ruder sich selbst, um ihre Füße in die Decken zu wickeln und ihr einen Zipfel über das Gesicht zu ziehen. Ach, sie war nicht kräftig! Ich sah mit Besorgnis nach Südwest und dachte an die sechshundert Meilen und all die Mühsal, die vor uns lag - ach, wenn es nur nichts Schlimmeres als Mühsal werden sollte! Auf diesem Meere konnte jederzeit ein vernichtender Sturm aufkommen. Und doch fürchtete ich mich nicht. Ich setzte nicht viel Vertrauen auf die Zukunft, war sogar sehr im Zweifel, und doch wurde ich nicht von Furcht übermannt. „Es muß gutgehen, es muß gutgehen!" wiederholte ich mir immer wieder.
Am Nachmittag frischte der Wind wieder auf, die See wurde unruhiger und stellte mich und das Boot auf eine harte Probe. Aber der Proviant und die neun Wasserfässer waren ein guter Ballast, der das Boot in den Stand setzte, See und Wind zu trotzen, und ich hielt das Segel, solange ich es wagte. Dann holte ich es ein, beschlug es, und wir liefen weiter.
Einige Stunden später sichtete ich den Rauch eines Dampfers am Horizont in Lee. Es mußte meiner Ansicht nach entweder ein russischer Kreuzer oder, wahrscheinlicher, die Macedonia sein, die noch auf der Suche nach der Ghost war. Die Sonne war den ganzen Tag nicht zum Vorschein gekommen, und es war bitter kalt gewesen. Als die Nacht sich herabsenkte, wurden die Wolken dunkler, und der Wind frischte noch mehr auf, so daß Maud und ich mit Fausthandschuhen Abendbrot aßen und ich am Ruder blieb und nur hin und wieder zwischen den Windstößen einen Bissen zu mir nahm.
Inzwischen war es ganz dunkel geworden. Wind und Wogen wurden zuviel für das kleine Fahrzeug, und so holte ich das Segel ein und versuchte, einen Treib- oder Seeanker herzustellen. Ich hatte diese Kunst durch Gespräche mit den Jägern erfahren, und es war eine ganz einfache Sache. Ich legte das Segel zusammen, zurrte es gehörig an Mast, Baum, Spriet und zwei Paar Reserveriemen fest und warf es über Bord. Eine Leine verband es mit dem Bug, und da es tief im Wasser lag und dem Winde keinen Widerstand bot, trieb es langsamer als das Boot. Infolgedessen hielt es den Bug in See und Wind - die sicherste Lage, um sich gegen das Kentern zu schützen, wenn Sturzseen kamen.
„Und jetzt?" fragte Maud fröhlich, als die Arbeit vollbracht war und ich mir die Fausthandschuhe wieder anzog.
„Jetzt fahren wir nicht mehr nach Japan", sagte ich. „Wir treiben in der Richtung von Südost oder Südsüdost mit einer Schnelligkeit von mindestens zwei Meilen die Stunde."
„Das sind vierundzwanzig Meilen", meinte sie, „wenn der Wind die ganze Nacht weht."
„Und hundertundvierzig, wenn er drei Tage und Nächte anhält."
„Aber er wird nicht anhalten!" sagte sie zuversichtlich. „Er wird sich drehen und wenden, wie wir ihn brauchen."
„Die See ist die große Treulose."
„Aber nicht der Wind!" erwiderte sie. Sie wurde ganz beredt, wenn sie auf den prächtigen Passat zu sprechen kam.
„Wenn ich nur daran gedacht hätte, Wolf Larsens Chronometer und Sextanten mitzunehmen", sagte ich niedergeschlagen. „In einer Richtung