Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон


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nicht finden. Ehe wir es ahnen, können wir fünfhundert Meilen aus dem Kurs sein." Dann bat ich sie um Verzeihung und versprach, nie wieder den Mut zu verlieren. Auf ihren eindringlichen Wunsch überließ ich ihr die Wache bis Mitternacht - es war jetzt neun Uhr -, aber ich hüllte sie in Decken und Ölzeug ein, ehe ich mich niederlegte. Aber ich döste nur. Das Boot hüpfte und stieß, wenn es über die Wellenkämme ging; ich konnte die Seen vorbeischießen hören, und immer wieder spritzte der Schaum ins Boot. Und doch erschien mir die Nacht nicht schlimm, war sie doch nichts im Vergleich mit den Nächten, die ich auf der Ghost erlebt hatte, und vielleicht auch nichts im Vergleich mit denen, die wir in dieser Nußschale noch zu überstehen hatten. Ihre Planken waren nur knapp zwei Zentimeter dick. Zwischen uns und der Meerestiefe waren nicht mehr als zwei Zentimeter Holz.

      Und doch - das kann ich immer wieder versichern -, doch fürchtete ich mich nicht. Den Tod, vor dem Wolf Larsen und selbst Thomas Mugridge mir Furcht gemacht hatten, fürchtete ich nicht mehr. Maud Brewster war in mein Leben getreten, und das schien mich verwandelt zu haben.

      Alles in allem, dachte ich, mußte es besser sein zu lieben, als geliebt zu werden, wenn die Liebe uns etwas so teuer machen konnte, daß wir den Tod nicht mehr fürchteten. Ich konnte mein eigenes Leben über dem anderen vergessen, und ach - so paradox es auch klingen mag -, nie hatte ich so gewünscht zu leben wie gerade jetzt, da ich meinem Leben weniger Wert beimaß als je zuvor. Nie war mein Leben so begründet gewesen - das war mein letzter Gedanke, und dann, im Einschlafen, gab ich mich zufrieden mit dem Versuch, die Nacht zu durchdringen, die den Steven einhüllte, wo, wie ich wußte, Maud zusammengekauert saß und über die schäumende See hinausblickte - jederzeit bereit, mich zu rufen, wenn es not tun sollte.

      Es ist unnötig, alle Leiden eingehend zu schildern, welche wir während der vielen Tage zu erdulden hatten, die wir in dem winzigen Boot hierhin und dorthin über den Ozean getrieben wurden. Der schwere Nordwest wehte vierundzwanzig Stunden lang. Dann legte er sich, und nachts sprang er nach Südwest um. Das war uns gerade entgegen; aber ich holte den Seeanker ein, setzte das Segel und nahm einen Kurs, der uns nach Südsüdost führte. Es war kein großer Unterschied, ob wir diese Richtung oder die nach Nordnordwest wählten, die der Wind ebenfalls zuließ, aber die Aussicht auf wärmere Luft im Süden bestimmte meinen Entschluß.

      Nach drei Stunden - es war Mitternacht, wie ich noch weiß, und so dunkel, wie ich es auf See noch nie gesehen hatte - wuchs der Südwest zum Sturm, und ich war wieder genötigt, den Seeanker zu werfen.

      Der Tag brach an und fand mich erschöpft auf dem weißschäumenden Meere, während das Boot mit der Spitze fast senkrecht gegen den Himmel zeigte. Wir liefen große Gefahr, von den Sturzseen zum Kentern gebracht zu werden. Gischt und Schaum kamen derart über, daß ich unausgesetzt schöpfen mußte. Die Decken trieften vor Nässe. Außer Maud war alles naß, sie trug Ölzeug, Gummistiefel und Südwester und war trocken bis auf Gesicht und Hände und ein paar verirrte Locken. Sie löste mich hin und wieder beim Schöpfen ab, arbeitete tapfer und trotzte dem Sturm. Aber alles ist relativ. Es war nichts als ein steifer Wind, aber für uns, die wir in einem kleinen zerbrechlichen Boot ums Leben kämpften, war es ein Sturm.

      Kalt und trostlos peitschte der Wind uns das Gesicht, die weißen Seen jagten heulend vorbei, und wir kämpften den ganzen Tag. Die Nacht kam, aber keiner von uns schlief. Der Tag kam, und immer noch peitschte der Wind unsere Gesichter, jagten die weißen Wogen brüllend an uns vorbei. In der zweiten Nacht schlief Maud vor Erschöpfung ein. Ich deckte sie mit Ölzeug und einer Persenning zu. Sie war verhältnismäßig trocken, aber starr vor Kälte. Ich fürchtete, daß sie die Nacht nicht überleben würde, aber wieder brach der Tag an, kalt und trostlos, mit demselben bewölkten Himmel, schneidenden Wind und brüllenden Meer. Ich hatte achtundvierzig Stunden lang kein Auge geschlossen. Ich war bis aufs Mark durchnäßt und durchfroren und mehr tot als lebendig. Mein Körper war steif vor Anstrengung und Kälte, und meine Muskeln schmerzten fürchterlich, bei jeder Bewegung litt ich die schrecklichsten Qualen, und ich mußte mich unaufhörlich bewegen. Und dabei wurden wir immer weiter nach Nordosten getrieben, immer weiter fort von Japan und nach der öden Beringsee.

      Aber noch lebten wir und hatten unser Boot, obwohl der Wind andauernd und mit unverminderter Stärke wehte. Am Abend des dritten Tages nahm er sogar noch etwas zu. Der Bug tauchte in einen Wogenkamm, und das Boot füllte sich zu einem Viertel mit Wasser. Ich schöpfte wie wahnsinnig. Die Gefahr, noch eine See überzubekommen, wurde außerordentlich erhöht durch den Umstand, daß das Wasser das Boot niederpreßte und seine Schwimmfähigkeit verminderte. Und noch eine solche See hieß das Ende. Als ich das Boot wieder trocken hatte, sah ich mich genötigt, Maud die Persenning wegzunehmen und sie quer über dem Bug zu befestigen. Es war ein Glück, daß ich es tat, und obgleich wir in den nächsten Stunden dreimal mit dem Bug tauchten, nahmen wir kein Wasser über.

      Maud befand sich in einem kläglichen Zustand. Sie saß zusammengekauert auf dem Boden des Bootes, ihre Lippen waren blau, ihr graues Gesicht zeigte deutlich, welche Qualen sie litt. Aber ihre Augen sahen mich mit ihrem tapferen Blick an, und kein Wort der Entmutigung kam über ihre Lippen.

      In dieser Nacht muß der Sturm seinen Höhepunkt erreicht haben, aber ich achtete nicht darauf. Auf dem Achtersitz übermannten mich Müdigkeit und Schmerzen, und ich schlief ein.

      Am Morgen des vierten Tages war der Sturm zu einem leisen Hauch gesunken. Die See beruhigte sich, und die Sonne schien auf uns herab. Oh, diese gesegnete Sonne! Wie wir unsere armseligen Körper in ihrer köstlichen Wärme badeten! Wir lebten auf wie Käfer und Gewürm nach einem Unwetter. Wir lächelten wieder, sagten lustige Dinge und erörterten hoffnungsvoll unsere Lage. Tatsächlich war sie schlimmer als je. Wir waren weiter von Japan entfernt als in der Nacht, da wir die Ghost verlassen hatten. Dazu konnte ich Längen- und Breitengrade nur ganz ungefähr erraten. Wenn ich annahm, daß wir in den siebzig Stunden, die der Sturm gedauert hatte, zwei Meilen in der Stunde gemacht hatten, mußten wir mindestens hundertfünfzig Meilen nach Nordost getrieben sein. Stimmte diese Berechnung aber? Es konnten ebensogut vier wie zwei Meilen in der Stunde gewesen sein! Dann waren wir noch hundertfünfzig Meilen weiter in der falschen Richtung gekommen. Wo wir uns befanden, wußte ich nicht, sehr wahrscheinlich aber in der Nähe der Ghost.. Rings um uns her gab es Robben, und ich erwartete jeden Augenblick, einen Robbenschoner auftauchen zu sehen. Am Nachmittag, als der Nordwest wieder aufgekommen war, sichteten wir einen. Aber das fremde Fahrzeug verlor sich bald hinter dem Horizont, und wir waren wieder allein auf dem weiten Meere.

      Es kamen Nebeltage, an denen selbst Maud den Mut verlor und keine frohen Worte mehr über ihre Lippen kamen, Tage mit Windstille, da wir auf der unermeßlichen Meeresfläche dahintrieben, bedrückt von ihrer Größe und voller Staunen über das Wunder, daß wir in unserem winzigen Boot noch lebten und um unser Leben kämpften, - Tage mit Hagel, Wind und Schneegestöber, an denen nichts uns warm zu halten vermochte; Tage mit feinem Sprühregen, an denen wir unsere Wasserfässer von dem tropfenden Segel zu füllen versuchten.

      Und immer mehr lobte ich Maud. Obwohl ich mich tausendmal bezwingen mußte, um ihr nicht meine Liebe zu erklären, wußte ich doch, daß dies nicht der Zeitpunkt für eine solche Erklärung war. Wenn aus keinem anderen Grunde, so schon allein deshalb, weil die Frau, die ich liebte, sich unter meinem Schutz befand. So schwierig die ganze Lage auch war, schmeichelte ich mir doch, meine Liebe durch kein Zeichen zu verraten. Wir waren gute Kameraden und wurden es mit jedem Tage mehr.

      Eines überraschte mich an ihr: ihr unerschütterlicher Mut. Das furchtbare Meer, das zerbrechliche Boot, Stürme, Leiden und Einsamkeit - alles das würde genügt haben, eine kräftigere Frau zu erschrecken, aber es schien keinen Eindruck zu machen auf sie, die das Leben nur von seiner lichtesten Seite kennengelernt hatte und die trotz ihres feurigen Temperaments und ihres erhabenen Geistes doch sanft und zart war. Und doch stimmte das nicht ganz. Sie fürchtete sich wohl, aber sie überwand ihre Furcht durch ihren moralischen Mut. Wohl war ihr Fleisch schwach. Aber ihr Geist, diese ätherische Lebensflamme, ruhig wie ihre Augen und sicher seiner Fortdauer im Universum, beherrschte das Fleisch.

      Wieder kamen Sturmtage, Tage und Nächte des Schreckens, an denen uns der Ozean mit seinen brüllenden weißen Schaumwipfeln bedrohte und der Wind unser ringendes Boot mit Titanenfäusten packte. Und immer weiter wurden wir geschleudert, immer weiter nach Nordosten. In einem solchen


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