Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts. Stresemann Gustav
Читать онлайн книгу.Gewerbe ohne Berufsvereinigung auf, wenigstens ergiebt die Statistik in diesen Jahren zum ersten Mal, dass die Zahl der im Brauereigewerbe beschäftigten Personen grösser ist, als die der Braueigner, während früher beide Zahlen mit einander stets übereinstimmten.[3] Die älteste von den noch heute bestehenden Brauereien, die Weissbierbrauerei von Albert Bier, führt ihre Gründung auf das Jahr 1792 zurück. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit verschwindet das Eigenbrauen nach und nach vollständig und das Brauereigewerbe entwickelt sich in ungehinderter Weise.
Mit dem Vorherrschen des obergährigen Bieres war nun zunächst der Flaschenbierhandel in der Form des Verkaufs über die Strasse verbunden. Wenn das Bier von den Bierschänkern auf »Bouteillen« gezogen wurde, so wird es nicht nur in der Wirtschaft zum Ausschank gekommen, sondern auch von den Bürgersleuten zum Teil zu Hause getrunken worden sein. Wahrscheinlich war dieser Absatz zunächst nicht gross, da es nach den Schilderungen, die wir über das Berlin des vorigen Jahrhunderts besitzen, den Anschein hat, als ob der Hauptabsatz des Bieres in den Gastwirtschaften lag und das Bier überhaupt mehr für die männliche Bevölkerung reserviert und noch nicht in dem Masse wie heute als tägliches Genussmittel in die Familie eingedrungen gewesen wäre. Immerhin bleibt auch dann für den Verkauf über die Strasse noch eine andere Art der Bierverwendung übrig, nämlich der Zusatz von Bier zu Biersuppen, ferner zum Karpfenkochen, wovon übrigens auch schon Krünitz berichtet.
Frühzeitig fand nun in Berlin schon ein Import von allerlei Bieren statt, aus verschiedenen Teilen der Mark, ebenso wie aus Pommern (bes. Stettin), und im Jahre 1711 findet man in der Jahresrechnung der Steuerbehörde schon 52 Sorten fremder Biere, die in 40464 Tonnen zum Ausschank kamen; kurze Zeit darauf sind es gar 72 Sorten geworden, während später dieser Import wieder auf ca. 20000 Tonnen herabsank. Ob sich unter den eingeführten Sorten auch untergährige Biere befanden, lässt sich schwer feststellen, überwiegend waren wohl die eingeführten Biere auch obergährig. Für den Fall, dass auch untergährige Bierarten mit eingeführt wurden, lässt sich als sicher annehmen, dass auch bei diesem Bier der Abzug auf Flaschen oder Kruken sich eingebürgert hat, da die Berliner durch das Weissbier an den Genuss von Bier in der Form von Flaschenbier gewohnt waren.
In welcher Weise sich nun der Verkauf über die Strasse erweitert hat, welche der vorher angegebenen allgemeinen Gründe für die Entwicklung des Berliner Flaschenbierversandgeschäftes besonders massgebend gewesen sind, dass lässt sich bei dem vollständigen Mangel an irgendwelchem Material weder nachweisen noch konstruieren. Thatsache ist jedenfalls, dass wir schon sehr früh authentische Nachrichten über das Bestehen eines Flaschenbierhandels haben und zwar durch folgende, der Vossischen Zeitung entnommene Inserate:
Aus dem Jahrgang 1820:
Stettiner Doppelbier von A. Bergemanns Erben ist in Gefässen und Flaschen in deren Niederlage zu haben. R. Bettge, Gertraudt- u. Rossstr.-Ecke. Lautersack, Jägerstr. 52.
Stettiner Bier in grossen und kleinen Gebinden, in Quart und Flaschen zu haben bei G. C. Elgeti.
Porter Bier à Fl. 6 Gr. »bei mehreren Flaschen billiger«. Friedrichsgracht 60.
Diese Anzeigen bedeuten nur eine Stichprobe und liessen sich leicht vervielfachen. Während in ihnen zunächst nur die vage Ankündigung »in Partieen billiger«, »bei mehreren Flaschen Rabatt« sich findet, geben spätere Anzeigen darüber genauere Angaben:
1823. Bergemanns Stettiner Doppelbier, die grosse Flasche 5 Gr. 10 gr. Fl. für 1 2⁄3; Thl. ferner Süssrahmbutter empfiehlt Dittmann, Zimmerstr. 78.
1828. Wir liefern 22 Fl. à 3⁄8 oder 12 Fl. à ¾ Quart für 1 Thlr. und senden es jedem frei in seine Wohnung. Ostermann & Co., Spandauerstr. 29.
Ein anderer Bierhändler führt mehrere Biersorten und empfiehlt in seiner Anzeige aus dem Jahre 1836: Bayrisches Felsenkeller-Bier, Grünthaler, Ale und Porter; schon 6 Jahre früher, 1830, findet sich eine Annonce, welche speziell auf Wiederverkäufer berechnet ist:
Den Herren Gastwirten und Restaurateuren liefere ich frei ins Haus: für 1 Thlr. 18 ¾ Fl. auch 42 2⁄8 Fl.; die To. zu 7 Thlr. Einfach-Bier To. 3 Thlr., bei mehreren To. billiger. Niederlage bei Ostermann, Brüderstr. 7, Philipson, Poststr. 1.
Es ist diesen Anzeigen eines gemeinsam: fast durchweg empfehlen sie auswärtige Biere, es wird Stettiner, Kottbuser, Potsdamer, Fürstenwalder, Augsburger, Crossener und Köstritzer Bier empfohlen, daneben Porter und Ale. Jedoch wäre es falsch, aus dieser Thatsache folgern zu wollen, dass das Flaschenbierlieferungsgeschäft sich zuerst bei den auswärtigen Bieren eingebürgert hätte. Auch in den Zeiten, als das Flaschenbierlieferungsgeschäft längst eine grössere Bedeutung erlangt hatte, wird man vergebens nach Anzeigen suchen, welche das Berliner Weissbier empfehlen. Wenn in diesen frühen Jahren und auch später in den Annoncen nur von auswärtigen Bieren die Rede ist, so beweist dies nur, dass diese Biere zu ihrer Einführung fortgesetzter Reklame bedurften, während die Weissbierlieferungsgeschäfte eine solche für unnötig hielten. Auf der anderen Seite lässt die zum Teil intensive Benutzung der Reklame seitens der Niederlagen für auswärtige Biere auch einen Schluss auf ihre kaufmännische Ueberlegenheit zu.
Zu gleicher Zeit geben diese Anzeigen aber auch nach einer anderen Richtung hin wertvolle Fingerzeige; sie lassen in Verbindung mit anderen Quellen erkennen, wie es in Berlin in jenen Jahren mit den Bierverhältnissen überhaupt bestellt war. Was zunächst den Konsum von Bier ausser dem Hause anbetraf, so konnte er geschehen beim Gastwirt (auch Bierschänker genannt), im Restaurant und im Café oder Kaffeehaus. Dabei war die Bedeutung dieser Bezeichnung eine ähnliche wie heute: unter Restaurant verstand man ein Lokal für das bessere Publikum, die Verabreichung warmer Speisen bildete bei ihm, im Gegensatz zur Gastwirtschaft die Regel. Im Café erhielt man ausser dem Getränk, von welchem der Name des Betriebes sich herleitet meist nur Bayrische oder »echte« Biere. Vielfach scheint in diesen Café's weibliche Bedienung vorgewaltet zu haben, denn in dem Inseratenanhang des Berliner Adressbuches findet sich in diesen Jahren bei einer Annonce die vielsagende Ueberschrift: Wo findet man ein Café mit gutem bayrischen Bier ohne weibliche Bedienung? welche Frage vom Fragesteller dann in beruhigender Weise beantwortet wird. Das Kaffeehaus trägt einen gemütlicheren Charakter, es verhält sich zum Café etwa wie der Gasthof zum Hotel, das feinere giebt der Deutsche natürlich durch den französischen Ausdruck wieder! Im Kaffeehaus gab es auch Weissbier, wie aus einer Annonce in dem Jahrgang 1829 der Vossischen Zeitung hervorgeht. Zum Teil besassen auch die Viktualienhändler die Ausschankgerechtigkeit für Bier, wenigstens kann man es nicht anders verstehen, wenn es im Adressbuch unter dem Branchenverzeichnis heisst: Bierschänker s. a. Viktualienhändler. Schliesslich erhielt man Bier auch in den Hotels und Gasthöfen, wenn auch deren Betriebsvereinigung mit der Restauration wohl noch nicht so allgemein geworden war, wie heute. In den Konditoreien dagegen, die gegenwärtig fast sämtlich Bier führen, manche sogar »vom Fass«, scheint man bis in die vierziger Jahre hinein kein Bier erhalten zu haben. Destillation bedeutet damals noch einen reinen Branntweinausschank, der erst später mit dem Bierausschank vereinigt wurde, sodass noch heute für ein Lokal, in dem neben Bier auch Schnaps ausgeschänkt wird, die Bezeichnung »Destillation« gebräuchlicher ist als Gastwirtschaft.
Was die Zahl der hier angeführten Geschäfte anbelangt, so gab es in Berlin 1840 etwa 80 »Cafétiers und Restaurateure« und 380 Schankwirte, 1850 dagegen 450 Cafétiers und Restaurateure und 700 Schankwirte, die Zahl der Viktualienhändler betrug 1840 etwa 700, 1850 gegen 1000. Doch sind letztere Zahlen für uns ohne Wert, da wir nicht wissen, wie viele Viktualienhändler Bierausschank betrieben. In einem Aufsatz, der in der Wochenschrift für Brauerei veröffentlicht wurde,[4] werden bereits für das Jahr 1825 984 Speise- und Schankwirte gezählt, allerdings erwähnt der Verfasser, dass deren Zahl während der nächsten Jahre fortdauernd zurückgegangen wäre.
Für den Flaschenbierhandel kommen diese Geschäfte — mit Ausnahme der Cafés und wohl auch der Hotels — insofern in Frage, als sie Bier über die Strasse verkaufen. Die Cafés bezogen das Bier, dessen Absatz bei ihnen ja noch mehr als heute Nebengeschäft war, selbst erst vom Bierhändler und beschäftigten