Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts. Stresemann Gustav

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Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts - Stresemann Gustav


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Bier über die Strasse und zwar kostet nach einer Annonce aus dem Jahre 1828 die Flasche Weissbier »im Hause« 2 ½ Sgr. »ausser dem Hause« 2 Sgr. Bei den Restaurateuren, die besser durch die damals auch noch übliche Bezeichnung »Speisewirte« gekennzeichnet werden, spielt der Verkauf über die Strasse nur eine geringe Rolle, manche verzichten ganz darauf. In der Hauptsache lag also der Verkauf über die Strasse in den Händen der Schankwirte und Viktualienhändler, bei welchen letzteren das Bier unter den zum Verkauf gelangenden Viktualien an erster Stelle gestanden zu haben scheint. Neben den Viktualienhändlern kommt schliesslich noch der Material- oder Kolonialwarenhändler, auch wohl einfach »Kaufmann« genannt, in Betracht.

      Diese drei letzteren Geschäftszweige müssen wir näher ins Auge fassen, um über die Natur des Bierlieferungsgeschäftes in den ersten Jahren seiner Entwicklung Klarheit zu erhalten. Es sind vorher die sachlichen Gründe namhaft gemacht worden, welche für den Bierbezug in grösseren Quantitäten sprechen. Der äussere Anlass zu einem solchen Bierbezug konnte ja leicht gegeben sein, z. B. bei Festlichkeiten in der Familie oder sonstigen besonderen Gelegenheiten, welche einen starken Bierkonsum voraussehen liessen. Da es sich in einem solchen Fall wohl um die Abnahme von 15–20 Flaschen handelte, so berechnete der Lieferant auch einen ermässigten Preis bezw. gab eine oder zwei Flaschen mehr, als er nach dem Detailpreis zu liefern verpflichtet war. Eine gewisse Bequemlichkeit[5] und die Absicht, dauernd diesen Rabatt zu erhalten, waren unter den angeführten Gründen wohl die augenfälligsten und daher zunächst wirkenden, welche den Einzelfall zu einer dauernden Gepflogenheit machten. In der ersten Zeit hat sich der Kundenkreis des Bierhändlers gewiss nur über die nächste Nachbarschaft erstreckt. Dann konnte es aber wohl vorkommen, dass jemand aus der Nachbarschaft fortzog, das Bier aber noch von seinem früheren Lieferanten beziehen wollte; Verwandte und Bekannte des Bierhändlers aus anderen Stadtteilen kamen hinzu, und so begann das Lieferungsgeschäft seinen anfänglichen Charakter als Gelegenheitsgeschäft aufzugeben und ein planmässig auf Erwerbung von Kunden zum Zwecke des Absatzes grösserer Quantitäten Bier gerichteter Geschäftsbetrieb zu werden.

      Dass für Berlin dieser Charakter dem Bierlieferungsgeschäft schon frühzeitig aufgeprägt wurde, ist vorher gezeigt worden. Wenn man nun die Namen derjenigen, welche die citierten Annoncen veröffentlicht haben, im Adressbuch nachschlägt, so findet man bei der Mehrzahl von ihnen die Bezeichnung »Kaufmann«. Im Berliner Sprachgebrauch ist diese Bezeichnung damals, wie z. T. auch noch heute, gleichbedeutend gewesen mit Materialwarenhändler, während man in den meisten Fällen, heute den Begriff von Handlungsgehülfen, Komptoirpersonal, überhaupt kaufmännischer Angestellten damit verbindet. Hinter den Namen einiger der Inserenten finden wir die Berufsbezeichnung »Handelsmann«, einer wird als Posamentier (!) bezeichnet, mehrere als Restaurateure, wobei hinzugesetzt ist »und Niederlage fremder Biere«. Fügen wir hinzu, dass schon Ende der dreissiger Jahre der Begriff des Viktualienhändlers mit dem des Bierhändlers identisch ist (nicht mehr mit dem des Bierschänkers), so ergiebt sich für die Gestaltung des Bierversandgeschäftes folgendes Bild:

      Es ist schon damals zu unterscheiden zwischen den Geschäften, welche sich mit dem Vertrieb des Berliner obergährigen Weissbiers und denen, welche sich hauptsächlich mit dem Vertrieb auswärtiger, z. T. untergähriger Biere abgeben. Die Inhaber der ersteren, die grosse Mehrzahl, setzen sich zusammen aus Viktualienhändlern und Gastwirten, die der letzteren aus Kaufleuten (d. h. Kolonialwarenhändlern) und Restaurateuren. Aus diesen Bezeichnungen lässt sich schon ersehen, dass die obergährigen Berliner Biere das Volksgetränk darstellten, während die auswärtigen Biere von den feineren Kreisen genossen wurden, die ja auch sonst ihre Bedürfnisse zumeist nicht beim Viktualien-, sondern beim Kolonialwarenhändler deckten und ihr Glas Bier nicht beim Bierschänker, sondern im Restaurant tranken. In der ersteren Kategorie scheint das Lieferungsgeschäft zumeist bei den Viktualienhändlern ausgebildet gewesen zu sein, vielleicht schon deshalb, weil dem Viktualiengeschäft für sich die Frau allein viel besser vorstehen konnte, als der Gastwirtschaft. Während der Mann die Bestellungen auf Bier ausführte und mit dem Handwagen oder einem primitiven Gefährt (Hundewagen) das Bier an die Kunden ablieferte, ebenso zu Hause den Abzug, die Reinigung der Flaschen etc. besorgte, verkaufte die Frau Gemüse, Obst, Kartoffeln, Bier in einzelnen Flaschen und die übrigen zum Haushalt gehörenden Artikel des Geschäfts, vermietete die Drehrolle für das Rollen der Wäsche etc., alles Obliegenheiten, die ihrer Natur nach der Frau viel eher anstehen, als dem Mann. In der Gastwirtschaft dagegen, ist das Bedienen der Gäste, die Unterhaltung mit ihnen u. a. wieder durchaus Sache des Mannes, sodass dieser, wenn er neben der Gastwirtschaft noch Bierverlag betreibt, immer in Gefahr kommt, eines der Geschäfte auf Kosten des anderen zu vernachlässigen.

      So ist die erste Geschäftsart für die Ausbildung des Bierlieferungsgeschäftes günstiger als die letztere und die Loslösung des Bierverlages aus der Betriebsvereinigung ist in ihr wahrscheinlich eher erfolgt, als in den wenigen Gastwirtschaften, welche einen über die nächste Nachbarschaft hinausgehenden Bierversand betrieben.

      Was nun die »Bier-Niederlagen« angeht, welche schon früh als besondere Rubrik im Berliner Adressbuch auftauchen, so tragen sie einen ähnlichen Charakter, wie heute die »Vertretungen« oder »Generalagenturen« der auswärtigen Brauereien. Allerdings mit zwei Ausnahmen. Die heutigen Vertreter oder Generalagenten auswärtiger Brauereien beschränken sich meist auf den Fassbierhandel und überlassen den Verschleiss in Flaschen an Zwischenglieder; jene Bierniederlagen gaben zwar auch das Bier in Fässern ab, wenn es verlangt wurde; das Hauptgeschäft aber bildete der Vertrieb von Flaschenbier und zwar sowohl in der Form der Lieferung als auch in der des Verkaufes über die Strasse. Die Verbindung mit dem Verkauf über die Strasse, der bei manchen vielleicht den beträchtlicheren Teil des Gesamtumsatzes ausmachte, giebt auch den zweiten Hauptunterschied: die Bierniederlage trat damals nur in Berufsvereinigung mit anderen Geschäften auf, die heutige Vertretung bildet ein Geschäft für sich. Die Aehnlichkeit auf der anderen Seite liegt darin, dass beide das Bier in Fässern von einer auswärtigen Brauerei beziehen und vertreiben, ebenso dass diese Bierniederlagen, wie heute die Vertretungen, im Gegensatz zu den übrigen Bierhandlungen schon frühzeitig kaufmännisch betrieben wurden. So wird nicht nur die Reklame von ihnen zuerst ausschliesslich und planmässig zur Gewinnung von Kunden betrieben, sondern es muss auch auffallen, dass unter ihnen zuerst ein Geschäftsinhaber auftritt, der zur Korporation der Berliner Kaufmannschaft gehört (C. W. Hoffmann 1830); ebenso wie zuerst unter ihnen Kompagniegeschäfte sich bilden (Ostermann & Co., 1828).

      In der weiteren Entwicklung des Berliner Flaschenbierhandels tritt nun bis zu dem Jahre, das wir als Schlusspunkt der ersten Periode angenommen haben, in den Konsumtionsverhältnissen ein Moment auf, welches damals auf die Entwicklung des Flaschenbierhandels noch keinen tiefgehenden Einfluss ausgeübt hat, wegen seiner Wichtigkeit aber doch an dieser Stelle schon erwähnt werden muss. Es betrifft die Einführung des nach bayrischer Art gebrauten Bieres in Berlin. Nach der von uns gegebenen Darstellung war der Konsum der Berliner Einwohnerschaft bis dahin gedeckt worden durch in Berlin gebrautes obergähriges (Weiss- und Braunbier) und durch auswärtiges Bier, das sowohl obergährigen als auch untergährigen Charakters sein konnte. Nun wird im Jahre 1838 in Berlin durch den früheren bayrischen Weinküfer Hopf zum ersten Male Bier nach bayrischer Art gebraut und in seinen, am Tempelhofer Berg gelegenen Lokalitäten zum Ausschank gebracht[6]. Das neue Bier mundet den Berlinern zum grossen Teile ausserordentlich und findet daher leichten Eingang in den Konsum, verschiedene Braumeister, die anfänglich bei Hopf angestellt waren, machen sich selbständig. Ebenso wie der erste Hersteller des bayrischen Bieres aus einer Weinhandlung hervorgegangen ist, so soll auch in den Weinstuben zuerst das bayrische Bier neben dem Wein eingeführt worden sein[7]. Eine besondere Anziehungskraft übte auf die Berliner die von Hopf seit 1840 eingeführte, auch von Bayern importierte Sitte des »Bock«-Anstiches im Frühjahr aus; bis in die achtziger Jahre war der Bock-Ausschank am Tempelhofer Berg ein Wallfahrtsort für die Berliner und der erste Tag des Bock-Anstiches bedeutete ein Ereignis. Eine Anzahl von grossen Ausschänken wurde gegründet, sogenannte »Bayrische Bierhallen«. In welcher Weise der Konsum von bayrischem Bier seit seiner Einführung zugenommen hat, darüber fehlen


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