Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. Sophus Ruge

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Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen - Sophus Ruge


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das nordische Ländergemälde ausgefallen. Auch hier ist Grönland in gleicher Weise mit Scandinavien verbunden, hängt aber auf der andern Seite des westlichen Oceans mit Montagna verde (Vermont) in Nordamerika zusammen, welches wiederum auf breitestem Raume in Ostasien übergeht, so daß man trocknen Fußes von China über Nordamerika nach Scandinavien wandern kann. Möglicherweise ist diese Verzerrung der Küstenumrisse daraus entstanden, daß man im Mittelalter schon von einem Manne zu erzählen wußte, der diesen Weg von Grönland nach Scandinavien wirklich zurückgelegt habe, indem er sich unterwegs von der Milch einer mitgenommenen Ziege nährte.

      Jedenfalls leuchtet aus diesen irrigen Auffassungen der Lage Grönlands hervor, daß man die normannischen Colonisationsgebiete im hohen Norden nicht als Theile eines transatlantischen Gegengestades ansah. Daher knüpften auch in späterer Zeit die Entdeckungsfahrten hier nicht an, um an den Küsten weiter tastend, etwa Länderstriche in heißer Zone zu gewinnen.

      Die Geschichte der Brandans-Insel steht übrigens keineswegs vereinzelt da, wenn es sich um alte Sagen von einsamen, fruchtbaren atlantischen Inseln handelt. Schon Aristoteles und nach ihm Diodor von Sicilien noch ausführlicher wissen von Inseln jenseits der gaditanischen Meerenge, welche von Phöniziern entdeckt und später von den Carthagern ausersehen sein sollten, ihnen für Unglücksfälle, wenn etwa ein vernichtender Schlag ihre Vaterstadt träfe, eine Zufluchtsstätte zu gewähren. Diese Ueberlieferung aus dem Alterthum lebt in einer spanischen Sage wieder auf, wonach zur Zeit, als die Mauren durch den entscheidenden Sieg über die Gothen bei Jerez de la Frontera die Herrschaft über Spanien gewannen, ein Erzbischof nebst 6 Bischöfen sollten, um ihren Glauben zu retten, auf eine entlegene atlantische Insel geflohen sein. Dort gründeten sie sieben Städte, wonach die Zufluchtsstätte die Insel der sieben Städte (sette cidades) genannt wurde. Aber auf den Karten erscheint dieses Phantasiebild nicht vor dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Man warf es bald mit einem andern Eilande von noch räthselhafterer Benennung, mit der Insel Antillia zusammen, welche erst im Zeitalter des Columbus ihre Bedeutung gewann; daher hier vorläufig nur ihre Erwähnung genügt. Auch die Insel Brasil (Brazie) westlich von Irland kann unter diese wesenlosen Gebilde der Phantasie gerechnet werden, von andern unwichtigeren zu schweigen.

      Mochten auch mancherlei Fahrten ins Blaue auf der Jagd nach solchen oceanischen Paradiesen angestellt sein, greifbare Resultate mußten noch ausbleiben, so lange man eines sichern Führers im freien Meere entbehrte. Dieser bot sich aber erst im 13. Jahrhundert dar, seitdem man die polare Richtkraft des Magneten entdeckt hatte. Ohne alle Frage haben die Chinesen diese Kraft viel früher erkannt als das Abendland; aber wir haben keinen Anhalt dafür, es fehlt uns jeder Nachweis, daß die Magnetnadel aus dem Osten Asiens zu uns gewandert wäre. Zwar liegt es nahe, an die vermittelnde Hand arabischer Seeleute zu denken, welche mit der chinesischen Handelsmarine auf dem indischen Ocean in häufige Berührung traten, manche Verbesserungen im Seewesen von jenen Ostasiaten entlehnten und selbst bis nach China ihren Verkehr ausdehnten. Allein dann dürften wir auch erwarten, daß in jenen europäischen Gewässern, wo die Araber wiederum mit den seetüchtigen Völkern des Abendlandes zusammentrafen, auf dem Becken des Mittelmeeres und in den an seinen Ufern gelegenen Seestädten ein für die Schifffahrt so wichtiges Instrument wie der Compaß zuerst erwähnt und gewürdigt worden wäre. Doch dem ist nicht so. Man dürfte auch wohl erwarten, daß der berühmte Marco Polo, der für alles, was den Handel betrifft, ein besonders scharfes Auge besaß, und der seine weiten Seereisen im chinesischen Meere und durch den indischen Ocean auf chinesischen Schiffen ausführte, die Magnetnadel erwähnt und beschrieben haben würde, wenn in den östlichen Gebieten der alten Welt die praktische Verwendung des Instruments bereits eine allgemeine gewesen wäre. Aber Polo gedenkt desselben mit keiner Silbe. Und in Europa treffen wir auf die früheste Erwähnung der magnetischen Kraft gerade in Gegenden, welche von arabischem Einfluß nie berührt sind, nämlich in England und Nordfrankreich. Sonach darf man die Vermuthung aussprechen, daß die Nordweisung der magnetischen Nadel wie am Ostrande der alten Welt, so auch am Westrande derselben selbständig entdeckt ist, gerade so gut, wie das Abendland den Bücherdruck und das Porzellan, auch zwei chinesische Erfindungen, für sich wieder erfunden hat. Die beiden ältesten Gewährsmänner, welche den Magnet erwähnen, sind der Engländer Alexander Neckam, welcher seit 1180 Professor in Paris war, und der nordfranzösische Dichter Guiot aus Provins. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, daß gegen das Ende des 12. Jahrhunderts mit der Wiederaufnahme des Studiums der physischen Schriften des Aristoteles an der Universität zu Paris das Studium der Naturwissenschaften neu belebt wurde. Wie nahe liegt da der Gedanke, jene neue, wichtige Erfindung, welche wir gleichsam in der Nachbarschaft von Paris zuerst erwähnt finden, sei auch dort wirklich gemacht. Alexander Neckam schrieb seine Abhandlung: de Utensilibus und sein Werk: de Naturis rerum im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts, das satirische Gedicht Guiots, la Bible, wurde im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts verfaßt. Die ursprünglichste, roheste Art der Anwendung des Magneten, denselben in einem Strohhalm auf dem Wasser schwimmen zu lassen, wich allmählich der verbesserten Methode, den Nordweiser auf eine Nadelspitze zu legen. Dabei muß es befremden, diese ursprüngliche Form noch 1258 erwähnt zu sehen. In diesem Jahre besuchte Brunetto Latini, aus Florenz vertrieben, den berühmten Roger Bacon und schreibt,


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