Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих Шиллер
Читать онлайн книгу.bringt, wo eine abgehauene Hand, in Spiritus aufbewahrt, den Knoten schürzt, und eine englische Dogge ihn entwickelt? Diß und noch mehr würde man dem Verfasser vergeben, wenn man für einige feinere Schönheiten seines Stücks guten Willen genug hätte. Die Episoden des jungen Wernek und des wackern Bedienten Korns haben sehr viel wahres und rührendes, und sind mit Delikatesse behandelt. Es kostet mir Ueberwindung, Stellen die mich vorzüglich rührten, nicht hier anführen zu dörfen. Herr Gern und Pöschel spielten brav. Der Engländer Fernes gewann durch das mildernde edle Spiel des Herrn Ifland.
25sten Jenner. Der Adjutant und der Dorfjahrmarkt. In beiden Stücken glänzte Hr. Beil, und im leztern besonders als der wirklich große komische Spieler.
27sten Jenner. Die Nebenbuler.
30sten Jenner. Günther von Schwarzburg, zum Triumph der Kasse.
1sten Februar. Die Spieler, zum Vortheil des Verfassers gegeben. Das Stück gewann durch einige Auslassungen. Die Leere des Hauses war ein Beweis, wie wenig dankbar das Publikum zu Mannheim gegen das Talent seiner Schauspieler ist.
2ten Februar. Graf Essex, zum Debüt einer neuen Aktrice, der Demoiselle Witthöft vom Berlinertheater.
Diese in jedem Betracht schäzbare Künstlerin kündigte sich in der Gräfin Rutland als eine große Eroberung für die Mannheimer Bühne an. Herr Boek, als Graf Essex, spielte meisterhaft. Ich habe ihn nur im Fiesko größer gesehen. Seine wahrhaftig hohe Darstellung der Rolle ließ dem Publikum nichts mehr zu wünschen übrig. Madame Rennschüb misfiel mir als Königin. – Lieber hätte ich Dem. Witthöft in dieser Rolle gesehen. Herrn Boeks Verdienst war um so hervorstechender, je mehr einige andre Ritter vom Hosenbande vernachläßigten. Schiefes Spiel vergibt man dem schwachen Kopf, aber dem Schauspieler, der sich dem Publikum durch nichts als fleißiges Memorieren empfehlen kann, und der jezt da steht, und seinen Dialog um Gotteswillen aus der Souffleurgrube hervor hohlt, sollten die Geseze bestrafen. – Mad. Brandel hatte diesen Abend eigentlich die Nottingham zu spielen, sie vergriff sich aber in der Rolle, und machte die Fulmer.
4ten Februar. Der argwöhnische Ehmann. Zum Debüt der Demoiselle Witthöft. Diese vortrefliche Schauspielerin hat ihre gröste Stärke in der Komödie. Naive Wahrheit, Leichtigkeit, und Grazie beseelen ihr ganzes Spiel.
6ten Februar. Günther von Schwarzburg.
13ten Februar. Der argwöhnische Ehmann, wiederholt auf Begehren.
13ten Februar. Lanassa. In dieser Rolle ließ mir Demoiselle Witthöft noch etwas zu wünschen übrig.
15ten Februar. Das Präferenzrecht. z. Beschluß. Wer wird sie kriegen?
17ten Februar. Oda, zum zweitenmal.
20sten Februar. Der Westindier. Herr Witthöft, zu dessen Debüt dieses Schauspiel gegeben ward, schenkte dem Publikum unschuldiger Weise einen sehr herrlichen Abend. Herr Bek, als Westindier, spielte groß. Diese Rolle schien ganz nur für ihn geschaffen zu seyn, und schwerlich wird ihn ein deutscher Schauspieler darinn erreichen. Demoiselle Witthöft erhielt auch hier den lautesten und verdientesten Beifall.
22sten Februar. Die Lästerschule. Ein bekanntes gutes Theaterstück aus dem englischen.
24sten Februar. Die olympischen Spiele. Ein Singspiel.
27sten Februar. König Lear. In dieser großen Rolle erscheint Herr Ifland im ganzen Umfang seiner Kunst. Ich behalte mir die Freiheit vor, über das, was ich an seinem Spiel bewundre, und was ich nicht bewundre, ein andermal weitläuftiger zu reden. Demoiselle Witthöft rührte sehr als Kordelia. Regan und Gonerill? – Madame Rennschüb behagt mir zehnmal besser in ihren guten Weibern, als in ihren schlechten Prinzessinnen. Herr Boek misfiel mir in der Rolle des Edgar. Er ist zu kalt, und wo er den wahnsinnigen Tom spielt, schadet er der tragischen Rührung.
Den 1sten Lenzmonat. Die Eifersucht auf der Probe. Ein sehr gutes Singspiel.
Den 3ten Lenzmonat. Emilia Galotti. Herr Beil spielte den Odoardo meisterhaft. Demoiselle Witthöft die Emilia vortreflich. Madame Rennschüb wurde – warum? weiß das Publikum vielleicht selbst nicht – als Klaudia beklatscht. Mad. Gensike spielte die Gräfin Orsina besser als sonst, und wurde einstimmig darinn anerkannt.
Gegenwärtig ist die Nationalbühne zu Mannheim beschäftigt, Shakespeares Julius Cesar, nach einer Umänderung des Freiherrn von Dalberg, dem Publikum aufzutischen. Das römische Kostüme erfordert erstaunlichen Aufwand, und alle Anstalten zu diesem Stück versprechen eine außerordentliche Vorstellung.
(Die Fortsezung ein andermal.)
Wallensteinischer Theaterkrieg
1) An das unpartheyische Publikum von Henriette Wallenstein. 1784.
2) Berichtigung des Wallensteinischen Impressums vom Theaterregisseur Rennschüb. Mannheim 1784.
3) Antwort auf diese Berichtigung des Wallensteinischen Impressums von Henr. Wallenstein. München 1785.
Die Beschwerden der Schauspielerin Wallenstein gegen die Intendance der kurf. Nationalbühne zu Mannheim, welche schon die dritte Broschüre veranlaßten, sind seltsam, und offenbar übertrieben. Wenn auch schon der vernünftige Theil1 des Publikums dergleichen theatralische Hahnengefechte lächerlich findet, so ist doch zugleich eine Person beleidigt, deren Verdienst um diese Bühne zu groß und entschieden ist, als daß man sie in die armselige Farce eines Garderobe-Zanks hätte einmengen sollen. Der Freiherr von Dalberg ist die Seele der Mannheimer Bühne, aber nichts weniger als Despot ihrer Glieder. In der innern Maschine dieses Theaters, welche gröstentheils das Werk seines philosophischen Geistes und seiner patriotischen Bemühungen ist, herrscht keine diktatorische Tirannei. Gar wohl kann es möglich seyn, daß Madame Wallenstein von einer Mitschauspielerin oder ihrem Protektor persönlich verfolgt wurde (denn was vermag nicht oft Rollen- und sogar Kleiderneid bei manchen Theaterdamen?) aber dieser Privatgroll konnte nie in eine solenne und gesezmäßige Unterdrückung ausarten.2 Herr Rennschüb verdient die Beschuldigung nicht, Madame Wallenstein von dieser Bühne vertrieben zu haben, denn Herr Rennschüb vermag das durchaus nicht. Der Einfluß des Regisseurs erstreckt sich ganz und gar nicht auf Beurtheilung des Verdienstes. Darüber kann nur der Intendant des Theaters entscheiden – und was hätte den Freiherrn von Dalberg veranlassen können, Madame Wallenstein unterdrücken zu wollen? Was den Ausschuß dieser Bühne? Madame Wallenstein ist im Krais ihrer Rollen allerdings zu schäzen, aber ist sie die Künstlerin, welche einen Ostracismus Gefahr laufen könnte?
Der Troz eines (sogar des unentbehrlichsten) Mitglieds kann in einem Institut nicht geduldet werden, das, schneller als jedes andre, durch aufgehobene Gleichheit zusammenfällt. Madame Wallenstein hätte noch dreimal wichtiger seyn können, als sie es in der That ist, und dieses Theater dennoch verlassen müssen. Gesezt, daß man wirklich durch ihre Entfernung verlor, was man durch die neue Besezung ihres Plazes noch nicht gewonnen hat – so hat dennoch der Freiherr von Dalberg ohne Tadel gehandelt. Wenn Madame Wallenstein, was sie durchaus seyn will, ein Opfer war, so war sie nur ein Opfer ihrer Eitelkeit und nicht der Partheisucht des Intendanten. Doch nun auch kein Wort mehr von dieser kleinsten der Kleinigkeiten.
Hoffentlich wird sich die Theaterdirektion nicht zum zweitenmal gegen eine so schlagfertige Gegnerin stellen.
Anmerkungen:
1 Vorlage: Theile
2 Vorlage: ausarte
Dramaturgische Preißfragen