Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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umzufallen, Wühlt mit magern Fingerkrallen Hastig in den tiefen Säcken, Wie nach einem Schatz zu sehn. Über schlotternden Gebeinen Schlenkert's wie ein Federhemd, Und die krummen Hände scheinen Eines Habichts, der in einen Scheunentorspalt eingeklemmt. (Plötzlich erbangend.) Ha! Welch frostiges Entsinnen! – Treibt ein Spuk hier seinen Spott? Grabkalt fühl' ich's von ihr rinnen, – Doppelt grabkalt stürmt's hier drinnen! – – Meine Mutter! – Großer Gott!

      Brands Mutter (bleibt, den Berg heraufkommend, stehen, zunächst nur halben Leibes sichtbar. Sie beschattet die Augen mit der Hand und sieht sich um.)

       Hier muß er sein.

       (Kommt näher.)

       Dies Teufelsbrennen

       Und –flimmern schafft mir Höllenpein!

       Bist Du mein Sohn?

      Brand. Ja.

      Die Mutter (reibt die Augen.)

       Hu! Der Schein

       Sticht einem ins Gesicht hinein;

       Man kann nicht Pfaff und Bauer trennen.

      Brand.

       Daheim sah ich die Sonne nie –

       Vom Herbst an, bis der Kuckuck schrie.

      Die Mutter (lacht in sich hinein.)

       Nein, da erfriert eins allgemach,

       Als wie der Eisbart überm Bach,

       Und faßt zuletzt zu allem Mut Und denkt: Gott hält Dir's wohl zu gut.

      Brand.

       Willkommen und Lebwohl! Es eilt.

      Die Mutter.

       Ja, ja, Du hast nie gern verweilt.

       So liefst Du weg als Junge schon –

      Brand.

       Du warst's, die mir zu gehn gebot.

      Die Mutter.

       Ich hatte meine Gründe, Sohn;

       Denn daß Du Priester wardst, tat not.

       (Betrachtet ihn näher.)

       Hm, stark ist er geworden, groß!

       Doch horch mir nun auf Eines bloß:

       Acht' auf Dein Leben!

      Brand. Auf nichts mehr?

      Die Mutter.

       Nichts mehr? Was hast Du mehr auf Erden?

      Brand.

       Ich meine, kommst Du nur hierher,

       Mir dies zu raten?

      Die Mutter. Andre werden

       Dir andres raten. Doch Dein Leben

       Erhalte der, die Dir's gegeben!

       (Zornig.)

       Dran heut sich weit die Zungen wetzen,

       Verschlug mir Sinn und Atem fast.

       Heut auf den Fjord! Aufs Spiel zu setzen,

       Was Du für mich zu wahren hast! Du bist der letzte des Geschlechtes, Du bist mein Sohn, mein Fleisch und Bein, Du krönst mein teures, kunstgerechtes Gebäud' als letzter, höchster Stein. Halt aus! Steh fest! Leb', weil es Zeit ist! Acht' auf Dich selbst! Vergiß Dich nicht! Zu leben ist des Erben Pflicht, – Des meinen, – wenn es einst so weit ist.

      Brand.

       Drum also kommst Du heut gegangen:

       Mit vollen Taschen mich zu fangen –?

      Die Mutter.

       Sohn, bist Du toll!

       (Weicht zurück.)

       Komm mir nicht nah!

       Bleib stehn! Ich schlag' Dich mit dem Stabe!

       (Ruhiger.)

       Was meintest Du damit? – Nun ja,

       Man altert Jahr um Jahr, und da

       Ist jeder Schritt ein Schritt zum Grabe.

       Dann fällt an Dich, was ich besessen.

       Gezählt, gewogen und gemessen

       Liegt alles. – Ich hier hab' nichts mit! –

       Daheim liegt alles. 's will nichts heißen;

       Doch wer's mal erbt, hat doch zu beißen. –

       Komm mir nicht näher! Keinen Schritt! –

       Ich schwöre Dir, in keiner Ritze

       Was zu verstecken, keinen Topf

       Wo einzuscharren, keinen Knopf

       Verdeckt von einem Mauersteine,

       Von einem Dielenbrett zu lan; –

       Du, Sohn, sollst all mein Erbe han;

       Das ganze fällt an Dich alleine.

      Brand.

       Und von Bedingungen?

      Die Mutter. Nur eine:

       Erhalt Dein Leben dem Besitze,

       Und erb' ihn fort von Sohn zu Sohn;

       Ich will mir keinen andern Lohn.

       Und sorg' mir, daß nichts durchgebracht wird,

       Geteilt wird oder losgemacht wird; –

       Vermehr' ihn oder nicht; nur wahr',

       Nur wahr' ihn wachsam Jahr um Jahr!

      Brand (nach einer kurzen Pause.)

       Eins werde klar zwischen uns zwein:

       Von Kind auf war ich stets Dein Nein.

       Nie war'n wir Sohn und Mutter, Frau,

       Bis ich nun groß und Du nun grau.

      Die Mutter.

       Ich fordre weder Patsch noch Schmatz.

       Sei, wie Du willst, eiszapfenkalt,

       Harsch, barsch, – an meinem Busenlatz

       Sind schlimmre Dinge abgeprallt;

       Nur halt ums Erb' die Faust geballt!

       Das bleib' in unsrer Sipp' Gewalt!

      Brand (tritt ihr einen Schritt näher.)

       Und wenn nun's Gegenteil mich freute, –

       Daß ich's in alle Winde streute?

      Die Mutter (taumelt zurück.)

       Verstreuen, was manch Knechtschaftsjahr

       Gekrümmt mein Kreuz, gebleicht mein Haar?

      Brand (nickt langsam.)

       Verstreun, ja.

      Die Mutter. Tätst Du diesen Schritt,

       Du streutest meine Seele mit!

      Brand.

       Und irrt' ich doch nun Dein Bemühn?

       Wenn Du den letzten Seufzer tust,

       Die Lichter vor dem Lager glühn,

       Und Du, 's Gesangbuch in den Händen,

       Die erste Nacht des Todes ruhst, –

       Und brächt', was nur die Finger fänden,

       Der Zettel all erwühlten Wust,

       Zuletzt der Kerze gieren Bränden? –

      Die Mutter (nähert sich in Spannung.)

       Wo hast Du den Gedanken her?

      Brand.

       Woher? Soll ich erzählen?

      Die Mutter. Ja!

      Brand.

       Von einem Nachtspuk, der mich schwer

       Bedrückt, seit ich, als


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