Von der Welt und den Elementen. Plinius
Читать онлайн книгу.in die Schiffe bringen lassen, entschlossen zu fliehen, sobald der widrige Wind sich gelegt haben würde. Als mein Oheim, den dieser Wind gerade begünstigt, dort ankommt, umarmt er den Zagenden, tröstet ihn, lässt sich, um dessen Furcht durch eigene Sorglosigkeit zu beseitigen, in ein Bad bringen, setzt sich sodann zu Tische und speist völlig heitern Gemüts, oder, was gleiche Seelenstärke beweist, scheinbar heiter. Inzwischen leuchteten aus dem Vesuv an mehreren Stellen große Flammen hervor, deren Glanz und Feinheit durch die nächtliche Finsternis noch erhöht wurden. Um die Furcht seiner Umgebung zu verscheuchen, sagte mein Oheim, die Flammen seien nichts als brennende Häuser, welche von den Landleuten aus Angst verlassen wären; dann begab er sich zur Ruhe und schlief auch wirklich ein, denn die vor dem Gemache wachenden Diener vernahmen sein Atemholen, welches wegen seiner Korpulenz etwas stark und laut war. Aber schon hatte sich der Hof, welcher zu dem Zimmer führte, mit Asche und Steinen so sehr angefüllt, dass bei längerem Aufenthalt darin der Ausgang nicht mehr möglich gewesen wäre. Er wurde daher geweckt, ging hinaus und begab sich zu Pomponianus und den Übrigen, welche gewacht hatten. Man beratschlagte nun, ob man im Hause bleiben oder ins Freie gehen sollte, denn das Gebäude zitterte bereits von den häufigen und starken Stößen, und schien, gleichsam aus seinen Fugen gehoben, bald hierhin, bald dorthin zu wanken; andererseits aber fürchtete man im Freien das Herabfallen wenn auch leichter und ausgebrannter Bimssteine. Indessen wählte man bei Vergleichung der Gefahren das Letzte, da bei ihm ein Grund den anderen, bei den anderen eine Furcht die andere besiegte. Man legte zum Schutz gegen die herabfallenden Steine Kissen um den Kopf und band sie mit Tüchern fest. Schon war es anderwärts heller Tag, hier aber noch dichte schwarze Nacht, jedoch verbreitete man durch zahlreiche Fackeln und Lichter hinreichende Helle. Man beschloss, an die Küste zu gehen und nachzusehen, ob das Meer schon fahrbar sei; allein dieses war immer noch sehr ungestüm. Hier legte sich mein Oheim auf ein hingebreitetes Tuch, verlangte einige Male kaltes Wasser und trank davon, bis Flammen und ein denselben vorausgehender Schwefelgeruch, welche die Andern zur Flucht trieben, auch ihn aufschreckten. Durch zwei Diener unterstützt, erhob er sich, sank aber sogleich tot nieder, indem ihm, wie ich vermute, durch den dicken Dampf der Atem benommen und die Luftröhre, welche bei ihm von Natur schwach, enge und entzündet war, geschlossen wurde. Als es wieder Tag geworden war (und dies geschah erst am dritten Tage danach), fand man ihn unverletzt und noch in seiner Kleidung; sein Ansehen glich mehr dem eines Schlafenden als eines Toten.
Während dieser Katastrophe befand ich mich mit der Mutter zu Misenum. Doch das gehört nicht zu meiner Erzählung, und da Du nur einen Bericht über seinen Tod haben willst, so eile ich zum Schlüsse. Nur eins füge ich noch hinzu, nämlich, dass ich alles, wovon ich selbst Augenzeuge war und was ich gleich anfangs als authentisch vernommen, treu wiedergegeben habe. Du wirst nun das Wesentlichste daraus entnehmen, denn es ist ein Unterschied zwischen einem Briefe und einer Geschichte; für einen Freund schreibt man anders als für das Publikum. Lebe wohl.«20
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Wie schon erwähnt, besitzen wir von den Schriften des C. Plinius Secundus nur noch die Naturgeschichte, welche aus XXXVII Büchern besteht. Das I. enthält die Dedikation an den Kaiser Titus nebst dem Inhaltsverzeichnisse der folgenden. II. Kosmographie. III. bis VI. Geographie. VII. handelt vom Menschen. VIII. bis XI. Naturgeschichte der Tiere. XII. bis XIX. Naturgeschichte der Pflanzen. XX. bis XXVII. Arzneimittel von den Pflanzen. XXVIII. bis XXXII. Arzneimittel vom Menschen, vom Wasser und von den Tieren. XXXIII. bis XXXVII. Von den Metallen, Steinen und den bildenden Künsten in Verbindung mit der Geschichte der vorzüglichsten Künstler und Kunstwerke.
Deutsche Bearbeitungen dieses Werkes sind schon mehrere Male unternommen worden. Die älteste erschien zu Straßburg in Folio, aber nur teilweise, und zwar vom I. bis V. Buche im Jahre 1509 und vom VII. bis XI. Buche im Jahre 1542 von Heinrich Eppendorf. – Bald darauf gab Johann Heyden Bruchstücke einer Übersetzung des Plinius heraus. Von dieser sagt Große in der Vorrede zum neunten Bande seiner Übersetzung des Plinius: »Ich habe die Heyden’sche Übersetzung, erschienen 1580 zu Frankfurt a. M. in Folio mit Holzschnitten, an mich gebracht, die aber kaum des Titels einer Übersetzung wert ist. Der Verfasser nennt sich Johannes Heyden von Dhann. Trotz eines langen vielversprechenden Titels begreift diese Übersetzung doch nur das VII., VIII., IX., X. und XI. Buch des Plinius, und bei Weitem nicht vollständig, sondern nur stellenweise; aus einigen der übrigen Bücher sind nur wenige Data genommen. Der Übersetzer hat den Plinius zum Grunde gelegt und sein Werk aus mehreren Schriftstellern zusammengeschrieben. Es ist also ein Irrtum, diese Kompilation von etwa 1 Zoll Dicke für eine Übersetzung der Historia naturalis Plinii auszugeben oder zu halten.«
Bei der Übersetzung selbst machte ich es mir zum Gesetz, den lateinischen Text möglichst treu im Deutschen wiederzugeben; um aber nicht bloß eine kahle Übersetzung zu liefern, fügte ich, wo es mir nötig schien, erläuternde Anmerkungen hinzu.
München, 1880
G. C. Wittstein.
1C. Plinius Caecilius Secundus, wurde 62 n.Chr. zu Como geboren, erwarb sich als gerichtlicher Redner viel Beifall in Rom, war unter Domitian Prätor, unter Nero und Trajan Konsul, dann Augur und zuletzt Statthalter in Bithynien. Seine Mutter hieß Plinia und war des Plinius Secundus Schwester; sein Vater, der aber früh starb, hieß C. Caecilius.
2Baebius Macer, ein angesehener Römer, bekleidete 101 n.Chr. die Würde eines consul suffectus (der beim Todesfall eines Konsuls während der Amtsführung für die noch übrige Zeit des Jahres gewählt wurde und weniger Ansehen hatte als der, welcher das Jahr begonnen [consul ordinarius]).
3Eine Ala umfasst 300–500 Reiter.
4Lucius Pomponius Secundus, aus Verona gebürtig, war zweimal, in den Jahren 29 und 36 n.Chr., Konsul und im Jahr 41 Oberfeldherr über die Legionen in Germanien.
5Drusus Nero Claudius, Sohn des Claudius Tiberius Nero und der Livia Drusilla (welche, als sie noch mit ihm schwanger ging, von ihrem Gatten dem Augustus abgetreten wurde), Bruder des Tiberius, Gemahl der jüngeren Antonia, des Antonius und der Octavia Tochter, focht 11–9 v.Chr. erfolgreich gegen die Germanen, starb zu Mainz infolge eines Sturzes vom Pferde, mit Hinterlassung von 3 Kindern, des Drusus Germanicus, der Livilla und des nachmaligen Kaisers Claudius.
6Claudius Caesar Domitianus Drusus Germanicus Nero, Sohn des Domitius Ahenobarbus und der jüngeren Agrippina, geb. 36 n.Chr. ward mit Octavia, des Kaisers Claudius Tochter, vermählt, und nach des Letzteren Ermordung 54 n.Chr. Kaiser, ließ sich 68 n.Chr. von einem Freigelassenen, Epaphroditus, erstechen.
7Aufidius Bassus lebte unter den Kaisern Augustus und Tiberius und schrieb eine Geschichte seiner Zeiten, die wir aber nicht mehr besitzen.
8Von allen diesen Schriften ist nur noch die Naturgeschichte vorhanden.
9Am 23. August. Man opferte bei diesem Fest dem Vulkan ein rötliches Kalb und ein wildes Schwein, damit er alle Feuersbrünste abhalten möge.
10Also nach unserer Zeitrechnung um ein, zwei oder zwölf Uhr mittags.
11Titus Flavius Vespasianus, Sohn des Vespasianus, geb. 40 n.Chr., wurde nach des Letzteren Tod 79 Kaiser, starb aber schon 81, wie man glaubt an Vergiftung durch seinen Bruder Domitian.
12Cena, die Hauptmahlzeit der Römer.
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