Von der Welt und den Elementen. Plinius
Читать онлайн книгу.hätte seine Tätigkeit einstellen können, wenn nicht sein rastloser Geist an dem Werk selbst Nahrung fände.« Denn ihm ziemte es wahrlich, zum Ruhm der Völker besiegenden Nation und des römischen Namens und nicht für seinen eigenen jenes Werk zu verfassen. Es wäre verdienstvoller gewesen, wenn er aus Liebe zur Sache, nicht seines Geistes wegen, und für das römische Volk, nicht aber für sich so beharrlich gearbeitet hätte.
17 Zwanzigtausend merkwürdige Gegenstände (sie sollten daher, wie Domitius Piso sagt, eher Schatzkammern und nicht Bücher heißen), gesammelt durch das Lesen von etwa zweitausend Büchern, unter welchen erst wenige ihres schwierigen Inhalts wegen von den Gelehrten benutzt sind, von Hundert der besten Schriftsteller10, habe ich in XXXVI Bänden zusammengefasst, dazu aber noch vieles gefügt, wovon entweder unsere Vorfahren nichts wussten, oder was das Leben erst später ermittelt hat. 18 Ich zweifle indessen nicht, dass auch mir manches entgangen ist; ich bin ja Mensch, mit Geschäften überhäuft, arbeitete an dem Werk nur in meinen Nebenstunden, d.h. des Nachts, um der Meinung nicht Raum zu geben, als habe ich den für Dich bestimmten Stunden etwas entzogen. Die Tageszeit widme ich Dir, ich schlafe nach Maßgabe meiner Gesundheit, bin sogar mit dieser einzigen Belohnung zufrieden, weil ich (wie M. Varro sagt) im Dienste der Musen so viele Stunden mehr lebe. Denn nur das Wachen ist Leben. 19 Dieser Ursachen und Schwierigkeiten wegen wage ich, nichts zu versprechen; Du bist mir selbst Bürge dafür, weil ich an Dich schreibe. Dies ist kein Vertrauen auf mein Werk, sondern nur eine Empfehlung für dasselbe. Viele Dinge scheinen nur darum sehr wertvoll, weil sie den Tempeln geweiht sind. 20 Ich habe alle, Deinen Vater, Dich und Deinen Bruder in einem andern Werk geschildert, welches in der Geschichte unserer Zeiten da beginnt, wo Aufidius Bassus aufhört. Du wirst fragen, wo es sei – längst vollendet, wird es noch ausgebessert, und überdies ist es zur Übergabe an einen Erben bestimmt, um selbst den Schein zu vermeiden, als habe mein Leben nach Ehrgeiz gestrebt. Ich räume denen den Platz gern ein, welche ihn zuvor schon innehatten, aber auch den Nachfolgern, von denen ich weiß, dass sie mit mir ebenso, wie ich mit den vorigen, wetteifern werden.
21 Den Beweis meiner Denkungsart magst Du daraus ersehen, dass ich die Namen der Schriftsteller diesen Büchern vorgesetzt habe. Es ist nämlich, wie ich glaube, billig und zeugt von edler Scham, zu bekennen, wem man sein Wissen verdankt, und es nicht zu machen, wie die meisten der von mir angeführten. 22 Denn wisse, dass ich bei Vergleichung der Schriftsteller gerade unter den sich für originell ausgebenden und neuesten solche fand, welche die alten wörtlich abgeschrieben und nicht genannt haben; nicht mit jenem Edelmut des Vergil, um zu wetteifern; nicht mit der Anspruchslosigkeit des Cicero, der in den Büchern »über die Republik« dem Plato gefolgt zu sein gesteht, der in der »Tröstung über den Tod seiner Tochter« sagt: Ich folge dem Krantor; der in dem Werk »über die Pflichten« den Panaitios11 zum Muster nahm; – Du kennst ja diese Werke, welche studiert und nicht bloß täglich in die Hand genommen werden sollten. 23 Es verrät sicherlich einen schwachen und unglücklichen Geist, lieber auf dem Diebstahl ertappt zu werden, als das Empfangene wieder zu geben, da ja aus den Zinsen wieder ein Kapital wird.
24 Hinsichtlich des Titels eines Buches herrscht bei den Griechen eine wunderbare Fruchtbarkeit. Einige überschreiben Kηρíov, was sie Honigscheibe genannt wissen wollen; andere: Kέρας ’Aμάλϑειας oder Horn des Überflusses, sodass man aus einem solchen Buch Hühnermilch zu schöpfen hoffen könnte. Andere Titel sind: ’lωvία12, Moσαι13, Παvδέκται14, Eγχειρίδια15, Λειμώv16, Πίvαξ17, Σχέδιov18 – Namen, wegen denen man wirklich einen Gerichtstermin versäumen könnte! Allein, liest man erst solche Bücher, ihr Götter und Göttinnen, welch’ ein Nichts enthalten sie! Die Ernsteren unter uns Römern bedienen sich der Worte: Antiquitates19, Exempla20, Artes21; die Scherzhaften sagen: Lucubrationes22, wie denn auch einer von ihnen ein Säufer war und so genannt wurde. Weniger ernst ist M. Varro, der seine Satiren mit Sesculysses23 und Flexibula24 überschrieb. 25 Unter den Griechen hörte Diodorus25 zuerst auf zu scherzen und gab seiner Geschichte den Namen Bιβλιoϑήκη. Zwar schrieb der Grammatiker Apion26, derselbe, welchen der Kaiser Tiberius die Zimbel der Welt nannte, während dieser doch eher als die Pauke des öffentlichen Gerichts angesehen werden könnte, dass diejenigen mit der Unsterblichkeit von ihm beschenkt werden sollten, denen er etwas widmen würde. 26 Mich reut es nicht, keinen pomphaften Titel ausgedacht zu haben. Damit es aber nicht scheine, als verspotte ich die Griechen in jeder Beziehung, so möchte ich wohl nach jenen Gründern der Malerei und Plastik beurteilt werden, welche Du in diesen Büchern findest, und die ihre vollendeten Werke sowie auch diejenigen, welche wir nicht genug bewundern können, mit einer schwankenden Inschrift versahen, wie z.B.: »Apelles arbeitete daran«27, oder »Polykleitos«; gleichsam als ob die Kunst stets nur eine angefangene, keine vollendete wäre, sodass dem Künstler den verschiedenen Urteilen gegenüber noch eine Ausflucht zur Entschuldigung übrig blieb, in der Absicht, das, was noch fehle, zu verbessern, wenn er nicht unterbrochen wäre. 27 Es zeugt daher von großer Bescheidenheit, dass sie alle ihre Werke wie als ihre neuesten bezeichneten, denen sie durch das Schicksal entrissen wären. Nur drei glaub’ ich, sind, laut der Inschrift: »Der und der machte sie«28, als vollendete bezeichnet, und auf diese werde ich gehörigen Orts29 zurückkommen. Wir ersehen aus diesen Worten, dass der Verfertiger seiner Kunst völlig sicher zu sein glaubte, und darum tragen alle dergleichen Kunstwerke das Gepräge der Prahlerei.
28 Ich gestehe, dass ich meinem Werk noch vieles hätte hinzufügen können, und nicht bloß diesem allein, sondern allen, welche ich verfasst habe, um mich vor jenen Homergeißlern30 (wie ich sie mit Recht nennen möchte) zu hüten, weil ich vernehme, dass auch die Stoiker, Dialektiker und Epikureer (denn von den Grammatikern habe ich das immer erwartet) gegen meine Schriften über die Grammatik zu Felde ziehen und seit zehn Jahren nichts als unzeitige Geburten zur Welt bringen, während selbst die Elefanten schneller gebären. 29 Aber ich müsste ja nicht wissen, dass gegen Theophrastus, einen Mann, der sich wegen seiner ausgezeichneten Beredsamkeit einen göttlichen Namen erwarb31, sogar eine Frau geschrieben hat, und dass sich daher das Sprichwort datiert: man solle sich einen Baum zum Erhängen aussuchen. 30 Ich kann mich nicht enthalten, wenigstens die hierher passenden Worte des Zensors Cato32 anzuführen, damit man daraus entnehme, wie sogar gegen ihn (der unter dem Africanus, ja unter Hannibal die Kriegskunst erlernt hatte, der nicht einmal den als Feldherrn im Triumph eingezogenen Africanus leiden konnte), als er über das Kriegswesen schrieb, Leute bereit waren, durch Schmähung einer ihnen fremden Wissenschaft sich selbst einen Ruhm zu erwerben. Denn was sagt er in jenem Buch? »Ich weiß, dass viele die Schriften, sobald sie der Öffentlichkeit übergeben sind, verspotten werden; jene sind aber meistens von der Art, dass sie des wahren Lobes ermangeln; ich lasse daher ihre Reden unbeachtet vorübergehen.« 31 Ebenso passend drückte sich Plancus aus, als es hieß, Asinius Pollio33 verfasse Reden gegen ihn, welche von ihm oder seinen Kindern erst nach Plancus’ Tod herausgegeben werden sollten, damit er nichts dagegen erwidern könne: »Nur Gespenster stritten mit Toten.« Durch diese Worte entkräftete er sie so, dass sie bei den Gelehrten für ein unverschämtes Machwerk gehalten wurden. 32 Ich werde daher, unbekümmert um die Fehlerankläger34, wie sie Cato treffend bezeichnet (denn was tun sie anders als anklagen oder Streit suchen?), das begonnene Werk vollenden.
33 In Berücksichtigung Deiner Geschäfte, die ich als ein öffentliches Gut schonen muss, habe ich den Inhalt der einzelnen Bücher diesem Schreiben beigefügt, und die größte Sorgfalt darauf verwendet, um Dir das Durchlesen der Bücher zu ersparen. Durch Dich35 werden also auch andere des Durchlesens enthoben; wer aber über irgendetwas nähere Auskunft zu haben wünscht, braucht bloß