Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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ei­nes Me­teors sein, ge­ra­de so wie die der …

      Der Pro­fes­sor setz­te un­ge­stüm sei­nen Hut auf, dreh­te sich um und ging hin­aus, ohne je­man­den zu grü­ßen, ganz dar­in ver­tieft, sei­ne ab­ge­bro­che­ne Rede in­ner­lich fort­zu­spin­nen.

      Alle Welt gab sich zwar Mühe, über die »bi­zar­ren« Äu­ße­run­gen des Pro­fes­sors zu la­chen, aber die­se hin­ter­lie­ßen den­noch für ei­ni­ge Au­gen­bli­cke einen pein­li­chen Ein­druck und eine ge­wis­se Zwei­fel­haf­tig­keit und Ver­stim­mung. An­zo­le­to war der ers­te, der sie zu ver­ges­sen schi­en, wie­wohl sie sein We­sen in eine sol­che Er­schüt­te­rung von Freu­de, Stolz, Zorn und Ei­fer ge­setzt hat­ten, dass es für sein gan­zes künf­ti­ges Le­ben ent­schei­dend wur­de. Er schi­en für nichts Sinn zu ha­ben, als dass er der Co­ril­la ge­fal­le, und er wuss­te sie so da­von zu über­zeu­gen, dass sie sich bei die­sem ers­ten Zu­sam­men­tref­fen al­les Erns­tes in ihn ver­lieb­te.

      Graf Zus­ti­nia­ni war ih­ret­we­gen nicht be­son­ders ei­fer­süch­tig und viel­leicht hat­te er sei­ne Grün­de, sie nicht sehr zu be­en­gen. Au­ßer­dem lag ihm der Ruhm und Glanz sei­nes Thea­ters mehr am Her­zen als ir­gend et­was auf der Welt, nicht weil er geld­be­gie­rig ge­we­sen wäre, son­dern weil er wirk­lich für die so­ge­nann­ten »schö­nen Küns­te« schwärm­te. Die­ser Aus­druck be­zeich­net, wie mich dünkt, einen ge­wis­sen nie­dern Hang, der echt ita­lie­nisch ist, und also eine so ziem­lich geist­lo­se Lei­den­schaft. Un­ter dem »Cul­tus der Kunst« – ein neue­rer Aus­druck, der vor hun­dert Jah­ren noch nicht üb­lich war, – ist et­was ganz an­de­res zu ver­ste­hen als das, was man »Ge­schmack für die schö­nen Küns­te« nann­te. Der Graf war in der Tat ein »Mann von Ge­schmack« im da­ma­li­gen Ver­stan­de, ein ama­teur, nichts wei­ter. Al­lein die Be­frie­di­gung die­ses Ge­schmackes war die größ­te An­ge­le­gen­heit sei­nes Le­bens. Er lieb­te es, sich mit dem Pub­li­kum zu be­schäf­ti­gen und das Pub­li­kum mit sich, die Künst­ler zu be­su­chen, die Mode zu be­herr­schen, von sei­nem Thea­ter, sei­ner Pracht, sei­ner Lie­bens­wür­dig­keit, sei­nem ver­schwen­de­ri­schen Auf­wand re­den zu ma­chen. Er hat­te, mit ei­nem Wor­te, die ge­wöhn­li­che Pas­si­on der vor­neh­men Her­ren in der Pro­vinz – zu glän­zen. Be­sitz und Di­rek­ti­on ei­nes Thea­ters war das bes­te Mit­tel, um die gan­ze Stadt zu­frie­den und ver­gnügt zu ma­chen. Noch glück­li­cher hät­te er sich ge­fühlt, wenn er ein­mal die ge­sam­te Re­pu­blik an sei­ner Ta­fel hät­te be­wir­ten kön­nen! Wenn Frem­de sich bei dem Pro­fes­sor Por­po­ra nach dem Gra­fen Zus­ti­nia­ni er­kun­dig­ten, so pfleg­te die­ser zu ant­wor­ten: Es ist ein Mann, der ger­ne den Wirt macht und Mu­sik auf sei­nem Thea­ter, wie Fa­sa­nen auf sei­ner Ta­fel auf­tischt.

      Es war Ein Uhr mor­gens, als man sich trenn­te.

      – An­zo­lo, sag­te Co­ril­la, die sich mit ihm al­lein in ei­ner Ni­sche des Bal­kons be­fand, wo wohnst du?

      Bei die­ser un­er­war­te­ten Fra­ge fühl­te An­zo­le­to, dass er rot und bleich fast in ei­nem Zuge wur­de; denn wie soll­te er die­ser präch­ti­gen und rei­chen Schö­nen es be­ken­nen, dass er ohne Dach und Fach war, wie die Vö­gel un­ter dem Him­mel? Und leich­ter noch wäre dies letz­te­re Be­kennt­nis ge­we­sen, als die Er­wäh­nung je­ner jäm­mer­li­chen Höh­le, wo er Zuf­lucht fand, so oft er sei­ne Näch­te aus Nei­gung oder Not nicht un­ter dem frei­en Him­mel zu­brin­gen woll­te.

      – Nun! was hat mei­ne Fra­ge so Au­ßer­or­dent­li­ches? rief die Co­ril­la über sei­ne Ver­wir­rung la­chend.

      – Ich frag­te mich selbst, ent­geg­ne­te An­zo­le­to mit vie­ler Geis­tes­ge­gen­wart, wel­cher Kö­nigs- oder Feen­pal­last wohl wür­dig wäre, den stol­zen Sterb­li­chen zu be­her­ber­gen, der mit hin­ein näh­me die Erin­ne­rung ei­nes Lie­bes­blickes von Co­ril­la.

      – Und was will die­se Schmei­che­lei sa­gen? ent­geg­ne­te sie, in­dem sie ihm den glü­hends­ten Blick zu­warf, den sie nur aus dem Zeug­hau­se ih­rer Teu­fels­küns­te her­vor­ho­len konn­te.

      – Dass ich die­ser Glück­li­che nicht bin, ver­setz­te der Jüng­ling; dass ich je­doch, wenn ich es wäre, mich stolz ge­nug dün­ken wür­de, um nur zwi­schen Him­mel und Meer wie die Ster­ne zu woh­nen.

      – Oder wie die Cuc­cu­li! rief die Sän­ge­rin, in­dem sie laut auf­lach­te. (Die un­ge­schick­te Schwer­fäl­lig­keit die­ser Mö­ven­art ist näm­lich in Ve­ne­dig sprich­wört­lich ge­wor­den, wie in Frank­reich die der Mai­kä­fer: étour­di com­me un han­ne­ton.)

      – Spot­ten Sie über mich, ver­ach­ten Sie mich, er­wi­der­te An­zo­le­to, ich glau­be, dass ich das eher lei­den mag, als wenn Sie sich gar nicht mit mir be­schäf­tig­ten.

      – Gut, da du mir nur in Me­ta­phern ant­wor­ten willst, ent­geg­ne­te sie, so will ich dich in mei­ner Gon­del mit­neh­men, auf die Ge­fahr, dich von dei­ner Woh­nung zu ent­fer­nen, statt dich in ihre Nähe zu brin­gen. Wenn ich dir die­sen Streich spie­len soll­te, so ist es dei­ne ei­ge­ne Schuld.

      – war dies die Ab­sicht, als Sie mich frag­ten, Si­gno­ra? In die­sem Fal­le ist mei­ne Ant­wort sehr kurz und klar: ich woh­ne auf den Stu­fen Ihres Pal­las­tes.

      – So er­war­te mich denn an den Stu­fen des­je­ni­gen, in wel­chem wir uns be­fin­den, sag­te Co­ril­la mit lei­se­rer Stim­me, denn Zus­ti­nia­ni könn­te böse wer­den, dass ich dei­ne Fa­dai­sen so ge­dul­dig an­hö­re.

      Auf den ers­ten An­trieb sei­ner Ei­tel­keit stahl sich An­zo­le­to hin­aus und sprang von der An­län­de des Pal­las­tes auf das Vor­der­teil von Co­ril­la’s Gon­del: er zähl­te die Se­kun­den nach den ra­schen Schlä­gen sei­nes be­rausch­ten Her­zens. Aber noch ehe sie auf den Stu­fen des Pal­las­tes er­schi­en, dräng­ten sich man­cher­lei Be­trach­tun­gen in dem ar­bei­ten­den und ehr­gei­zi­gen Kop­fe des De­bü­tan­ten. Die Co­ril­la ist all­mäch­tig, sag­te er zu sich; aber wenn ich, ge­ra­de weil ich ihr ge­fie­le, das Miss­fal­len des Gra­fen er­reg­te? Oder wenn ich durch mei­nen all­zu leich­ten Sieg ihm eine so flat­ter­haf­te Ge­lieb­te ganz ver­lei­de­te und sie so um die Macht bräch­te, wel­che sie nur von ihm hat?

      In die­ser Ver­le­gen­heit maß An­zo­le­to mit den Au­gen die Trep­pe, wel­che er noch wie­der hin­auf­stei­gen konn­te, und war im Be­griff, sein Ent­kom­men zu be­werk­stel­li­gen, als die Ker­zen un­ter dem Tor­we­ge her­vor­leuch­te­ten, und die schö­ne Co­ril­la, in ihre Her­me­lin­man­til­le gehüllt, auf der obers­ten Stu­fe er­schi­en, in der Mit­te ei­ner Grup­pe von Her­ren, wel­che sich be­ei­fer­ten ih­ren run­den Ell­bo­gen mit der hoh­len Hand zu stüt­zen und ihr beim Hin­ab­stei­gen be­hilf­lich zu sein, wie es in Ve­ne­dig Sit­te ist.

      – He! rief der Gon­do­lier der Pri­ma Don­na dem be­stürz­ten An­zo­le­to zu, was macht ihr da? Ge­schwind in die Gon­del, wenn ihr dazu Er­laub­nis habt, oder fort, und lau­fet an der Riva hin, denn der Herr Graf ist bei der Si­gno­ra.

      An­zo­le­to warf sich in die Gon­del, ohne zu wis­sen was er tat. Er hat­te den Kopf ver­lo­ren. Kaum war er drin­nen, als ihm das Stau­nen und der Zorn des Gra­fen vor die See­le trat, wenn die­ser etwa sei­ne Maitres­se bis in die Gon­del ge­lei­te­te und dort sei­nen un­ver­schäm­ten Schütz­ling fän­de. Die Angst pei­nig­te ihn umso schreck­li­cher, da sie um mehr als fünf Mi­nu­ten ver­län­gert wur­de.


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