Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott

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Letzte Fahrt - Robert Falcon  Scott


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darauf griff er wieder zu seiner Zigarre. »Nicht gut!«, klagte er Rittmeister Oates, indem er sich den Magen rieb. Ein tapferer kleiner Kerl!

      Die vier übrigen Ponys stehen außerhalb der Back auf der Leeseite der Vorluke in einem starken hölzernen Bau. Unter ihrem wasserdichten Segeltuchdach haben sie es jedenfalls besser als ihre fünfzehn Kameraden.

      Unmittelbar hinter dem Schott der Back ist die kleine Achterluke, bei schlechtem Wetter der einzige Zugang zur Mannschaftsmesse. Dann kommt der Fockmast, und zwischen ihm und der Vorluke die Kombüse und der Kran. Hinter der Vorluke ist das Eishaus, das drei Tonnen Eis, 162 geschlachtete Hammel und drei Rinder nebst einigen Büchsen Kalbsmilch und Nieren enthält. Die geschlachteten Tiere sind lagenweise, mit Holzlatten zwischen den einzelnen Lagen, verstaut – ein Triumph guter Verpackung, und ich denke, dass uns den Winter hindurch frisches Hammelfleisch verbürgt ist.

      Unmittelbar hinter dem Eishaus und zu beiden Seiten der Großluke stehen zwei ungeheure Packkisten, die sich mehrere Zentimeter hoch über dem Deck erheben und schrecklich viel Platz wegnehmen, jede mehr als 9 Kubikmeter; sie enthalten zwei Motorschlitten. Der dritte ruht quer über der Hinterdecköffnung, da, wo bisher die Achterwinde war. Die Kisten sind mit kräftigem Segeltuch überdeckt und mit schweren Ketten und Tauen festgemacht, damit sie unter allen Umständen sicher sind. Das Petroleum zu diesen Schlitten enthalten Blechkannen und -fässer, die in starke Holzkisten verpackt sind, im Ganzen 2 ½ Tonnen Öl, das den Raum unmittelbar vor dem Hinterdeck und den Motorschlitten gegenüber arg beeinträchtigt. Der Rest der Behälter mit Petroleum, Paraffinöl und Alkohol steht zwischen der Großluke und dem Fockmast und längs der beiden Kühlgänge.

      Um diese Packkisten herum, von der Kombüse nach vorn bis an das Steuerbord achteraus, steht das Deck voll aufgestapelter Kohlensäcke, die aber bald verschwinden werden, denn die »Terra Nova« frisst entsetzlich viel Kohlen: wie mir schon gestern gemeldet wurde, acht Tonnen am Tag!

      Die Wasserbehälter sind mit Pressheu gefüllt, bis auf einen, der 12 Tonnen Süßwasser enthält; genug hoffentlich, bis wir das Eis erreichen. Ich hatte ursprünglich nur 30 Tonnen gepresstes Haferstroh bestellt, aber Oates überzeugte mich, dass dies zu wenig sei, und unser Ponyfutter macht daher jetzt im Ganzen gegen 50 Tonnen aus. Das Extrafutter besteht aus 5 Tonnen Heu, 5 bis 6 Tonnen Ölkuchen, 4 bis 5 Tonnen Kleie und etwas Haferschrot. Korn nehmen wir nicht mit.

      Die anscheinende Verwirrung auf Deck vervollständigen unsere dreiunddreißig Hunde; sie sind, zwei ausgenommen, sibirischen Ursprungs; Meares hat sie ausgesucht und mithilfe des Hundeführers Dimitri Gerof quer durch Sibirien nach Wladiwostok getrieben, von wo er sie per Dampfer nach Sydney und von da nach Lyttelton brachte. Sie sind, was bei der Wildheit der Tiere unbedingt nötig ist, zwischen den Motorschlitten an den Pfosten und Riegeln des Eishauses und der Großluke angekettet und haben allen Schutz, der sich auf Deck bieten lässt, aber ihre Lage ist nicht beneidenswert. Die Wellen brechen sich unaufhörlich an der Wetterseite des Schiffes und das Spritzwasser regnet auf alles, was sich auf das Mitteldeck wagt, in dichten Wolken herunter. Die Schwänze diesem Regen zugekehrt, sitzen die Hunde trübselig umher, ihre Decken triefen und ab und zu lässt eins der Tiere ein wehmütiges Winseln hören. Ihre Nahrung, ungefähr 5 Tonnen Hundekuchen, haben wir in die Lücken zwischen dem Gepäck eingekeilt; Meares ist nicht dafür, die Hunde mit Seehundfleisch zu füttern, während ich das, im Winter wenigstens, für besser halte.

      Wie wir es fertigbringen, an unserem Kajütentisch für vierundzwanzig Offiziere Platz zu finden, ist mir noch unerklärlich. Meist sind zwar einer oder zwei auf Wache, was die Sache erleichtert, aber es ist trotzdem ein heilloses Gedränge.

      Die »Terra Nova« ist mit Matrosen so gut besetzt, dass jede Wache ihrer neun zählt, und Meares und Oates haben ihre Gehilfen zur Beaufsichtigung der Hunde und der Ponys. Die Seekrankheit zeigt sich am stärksten bei dem Geologen Priestley, aber auch unser Fotograf Ponting will vom Essen nichts sehen, sondern bleibt bei seiner Arbeit; gestern sah ich ihn beim Entwickeln seiner Platten, die Schüssel zum Entwickeln in der rechten Hand – ein anderes Gefäß in der linken.

      Heute haben wir 350 Kilometer zurückgelegt, ein guter Anfang.

      Freitag, 2. Dezember. Ein großer Unglückstag! Um 4 Uhr nachts frischte der Wind mit großer Heftigkeit auf, und wir waren bald nur noch unter Mars-, Klüver- und Stagsegel. Die See ging plötzlich hoch, das Schiff stampfte schwer und nahm über die Reling viel Wasser ein. Petroleumbehälter und Futterkisten begannen sich auf dem oberen Deck zu lösen, die Kohlensäcke wurden von den Sturzseen hochgehoben, gegen die angeseilten Kisten geworfen und drohten sie zu zertrümmern. Alle Säcke mussten woanders verstaut werden, was eine ungeheure Arbeit machte. Von Stunde zu Stunde wurden Seegang und Wind stärker und das Schiff stampfte immer wütender; wir minderten die Segel bis auf das große Marssegel und das Stagsegel, stoppten die Maschinen und drehten bei, aber nichts half. Oates und unser Arzt Atkinson hatten die ganze Nacht zu tun, die Ponys auf den Beinen zu halten oder wieder aufzurichten.

      Das Schlimmste aber sollte noch kommen: die Meldung aus dem Maschinenraum, dass die Pumpen verstopft seien und das Wasser schon über den Feuerungsrost steige! Von diesem Augenblick an war der Maschinenraum der Mittelpunkt der allgemeinen Aufregung. Lashly stand bis an den Hals in strömendem Wasser und arbeitete unverdrossen und heiter, um die Ansauger der Pumpen zu reinigen. Aber das Wasser stieg immer höher, und wenn auch hin und wieder die Pumpen ansogen, in fünf Minuten waren sie wieder verstopft. Höher und höher kroch das Wasser, zuletzt kam es mit dem Kessel in Berührung, wurde wärmer und wärmer und dann so heiß, dass keiner mehr an den Ansaugern arbeiten konnte und nichts übrig blieb, als das Feuer ausgehen zu lassen.

      Die See ging höher als je; wie viel Wasser wir einnahmen, war gar nicht festzustellen, ein grüner Strom rollte über Reling und Achterdeck und ein großes Stück des Geländers wurde von den Sturzwellen fortgerissen. Die Petroleumfässer trieben auf dem Deck umher und einige wurden über Bord geschwemmt. Die Sodpumpe, die von der Hauptmaschine unabhängig ist, half uns auch nicht, denn vorn, wo sie stand, fegten immer die schwersten Sturzseen über die Reling und rauschten hoch über das Achterdeck hinweg; einmal stand ich bis unter die Arme im Wasser. Die Szene auf Deck wurde immer düsterer und im Maschinenraum strömte das Wasser beängstigend. Und mitten hinein in diese Verwirrung plötzlich der furchtbare Ruf, dass durch die Ritzen des Achterraums Rauch emporsteige! Der Achterraum war mit Kohlen angefüllt und lag unmittelbar neben dem Maschinenraum, und das auf Deck stehende Wasser machte ein Öffnen der Luke zum Herauslassen sich entwickelnder Gase unmöglich. Und doch wäre, um das Feuer zu unterdrücken, keine andere Hilfe gewesen, als die Luken zu öffnen, die Sturzseen hineinfluten zu lassen und so das Schiff zum Sinken zu bringen. Es waren furchtbare Augenblicke, ehe wir die Gewissheit hatten, dass der Rauch in Wirklichkeit nur Dampf war von dem im Maschinenraum befindlichen Schlagwasser, das bis in die erhitzten Kohlen gestiegen war.

      Die vierundzwanzig Mann Achterwache bildeten zwei Reihen und begannen nun mit den Schöpfeimern zu arbeiten, während die Matrosen an den verstopften Handpumpen beschäftigt waren. Wenn wir auf diese Weise nicht Herr des Wassers wurden, waren das Schiff und wir alle verloren! So sonderbar es erscheinen mag, wir mussten versuchen, es auszuschöpfen. Und unsere Anstrengung blieb nicht ganz fruchtlos. Vier Stunden lang gingen die Schöpfeimer von Hand zu Hand, vom untersten Feuerraum auf kleinen Eisenleitern nach dem obersten Deck hinauf, zusammen mit dem Tröpfeln der Pumpen, und wenn das Wasser auch nicht sank, so stieg es doch nur noch sehr wenig.

      Unterdes kommen wir auf ein Mittel, um an das Saugwerk der Pumpen zu gelangen: Wir schlagen ein Loch in das Schott des Maschinenraumes, die Kohlen zwischen diesem und dem Wasserschacht der Pumpen werden entfernt und ein Loch in den Schacht gebrochen. Den Lukendeckel über dem Schacht können wir nicht öffnen, da zu viel Wasser an Bord kommt. Wir sind zwar noch nicht über den Berg, aber ich fasse wieder Mut, wenn auch unsere Rettung ein halbes Wunder sein wird. Offiziere und Matrosen arbeiten verzweifelt, aber sie singen dabei Matrosenlieder und keiner hat den Mut verloren.

      Ein Hund ist ertrunken, ein Pony ist tot und zwei andere werden auch nicht mehr lange mitmachen. Der Sturm fordert schweren Tribut von uns, aber wenn wir nur des Wassers Herr werden, wird schon alles gut. Noch ein Hund, höre ich, ist eben über Bord geschwemmt worden – o weh!

      Gott sei Dank, der Sturm nimmt ab! Die See geht zwar noch bergehoch,


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