Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott

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Letzte Fahrt - Robert Falcon  Scott


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den südlichen Horizont; der Nordhimmel flammte in prachtvollem Rosa und spiegelte sich in der ruhigen See zwischen dem Eis wider, während das Eis in allen Farben spielte. Eisberge und Packeis zeigten nach Norden hin einen blassen, grünlichen Farbton mit tiefen, purpurroten Schatten, während die Farbe des Himmels zwischen safrangelb und blassgrün wechselte.

      Der heutige Morgen fand uns so ziemlich am Ende des offenen Wassers und wir schafften von einem Eisfeld acht Tonnen Eis herauf. Leutnant Rennick lotete 3585 Meter Tiefe und das Lot brachte zwei Stückchen vulkanischer Lava herauf. Unser Biologe Nelson fing mit einem vertikalen Schleppnetz einige Krustentiere und anderes und nahm eine Wasserprobe und Temperaturen aus 400 Metern Tiefe. Wilson schoss antarktische Sturmvögel und schneeweiße Sturmschwalben.

       Eisberg

      Gegen ½ 2 kamen wir durch leichtes Packeis, dann aber tiefer in alte, dicke Felder hinein, die sich um einen großen Eisberg gruppierten. Wir machten schleunigst kehrt, um einen anderen Weg einzuschlagen, aber je weiter wir nach Süden vordrangen, desto dicker wurde das Packeis.

      Um 3 Uhr stoppten wir und schossen vier Krabbenfresserrobben, deren Leber zum Abendessen vorzüglich schmeckte.

      Heute Nacht stecken wir in dichtem Packeis, es lohnt sich kaum der Mühe, weiter vorzudringen! Zwar lässt ein bogenförmiges Stück klaren Himmels, das sich den ganzen Tag im Süden zeigte, auf offenes Wasser in jener Richtung schließen. Vielleicht ist das offene Wasser nur 40 Kilometer entfernt – aber 40 Kilometer wollen in unserer augenblicklichen Lage sehr viel besagen!

      Im Packeis gefangen

      Sonntag, 11. Dezember 1910. Das Eis schloss sich während der Nacht enger zusammen und um 6 Uhr erschien jeder Versuch, vorwärts zu kommen, aussichtslos; wir ließen also das Feuer ausgehen. Die Eisfelder sind fast einen Meter dick, sehr fest und eng aneinandergedrängt. Die Fläche, die dieses Eis jetzt einnimmt, ist viel größer als zu der Zeit, wo es noch eine einzige Tafel bildete. Wenn also das Ross-Meer im Frühling ganz zugefroren ist, muss die Masse des aus ihm stammenden Packeises im Norden ungeheuer sein. Jedenfalls kommt das Eis um uns aus dem Ross-Meer, nur ist das Fehlen von Pressungen unerklärlich.

      Am Abend liefen die Matrosen auf Schneeschuhen übers Eis und genossen diese herrliche Körperbewegung ausgiebig.

      Montag, 12. Dezember. Das Packeis war heute Morgen etwas lockerer und eine lang gezogene Dünung deutlich bemerkbar. Oates, Bowers und Gran begaben sich auf Schneeschuhen nach einer angeblichen Insel, die sich aber, wie ich gleich vermutet hatte, als ein seltsam kuppenförmiger Eisberg mit niedrigen Klippen ringsum herausstellte.

      Um Mittag haben wir wieder angeheizt und machen gute, aber ungleichmäßige Fortschritte. Bald dünne Eisfelder, die sich leicht zerbrechen lassen, bald ältere, die uns völlig lahmlegen; hin und wieder auch ein massiger aufgepresster Eisberg. Trotzdem sind wir 27 Kilometer südwestwärts getrieben, wenn auch sehr langsam.

      Wir probieren heute Atkinsons Speckofen mit gutem Erfolg. Das Innere enthält ein Rohr mit nur einer Windung, die an der Unterseite durchlöchert ist, und aus diesen Löchern tropft der Tran auf einen Asbestbrenner. Der Speck befindet sich in einem den Schornstein umgebenden Behälter, und ein Hahn reguliert das Einfließen des Trans in das Zufuhrrohr. Sehr einfach, aber wirkungsvoll; der Ofen heizt sehr gut, allerdings riecht er auch etwas nach Tran. Aber man würde mit solchen Öfen weder warmes Essen noch eine warme Hütte unten im Süden zu entbehren brauchen.

      Ich sprach heute mit Wright, einem unserer Geologen, über die merkwürdige Erscheinung, die für Reisen im Eismeer von großer Wichtigkeit ist: Wenn das Meereis zu Hügeln emporgepresst ist, scheiden diese Eishügel, falls sie vom Seewasser nicht mehr erreichbar sind und nicht wieder davon durchtränkt werden können, ihr Salz vollständig aus; durch Schmelzen kann aus ihnen Süßwasser gewonnen werden, das zum Trinken, zum Füllen der Dampfkessel usw. durchaus brauchbar ist.

      Dienstag, 13. Dezember. Ich war fast die ganze Nacht auf den Beinen und habe eine so schnelle, immerwährende Veränderung aller Aussichten noch nie erlebt. Frisch gebildeter Eisschlamm, in dem das Schiff unter vollen Segeln 7 bis 9 Kilometer in der Stunde machte, wechselte mit festem Eis, gegen das aller Kampf vergeblich war. Dann kamen offene Kanäle und leicht überfrorene Rinnen, die uns guten Raum gaben, aber mit einem Mal saßen wir wieder in mächtigen Feldern mit höckrigem Buchteis fest, das zwei bis drei Meter über dem Wasser emporragte und sehr tief hinabreichte, uns aber wenigstens Gelegenheit bot, das Schiff mit Wasser zu versorgen. Schließlich konnten wir nicht mehr von der Stelle und mussten die Feuer ausgehen lassen. Gerade solchem Eis begegneten wir vor neun Jahren mit der »Discovery« bei König-Eduard-Land und es fragt sich immer wieder, ob es auch richtig war, so weit im Osten südwärts zu gehen. Was soll unter diesen Umständen aus unseren Kohlenvorräten werden? Während der letzten Tage sind wir nach Osten abgedrängt worden. Ist das die normale Stromrichtung hier oder die Wirkung vorherrschender Westwinde? Vielleicht ist diese Tatsache für den Zeitpunkt unserer Befreiung von größter Wichtigkeit. Jedenfalls aber ist nichts nervenaufregender und anspannender als dieser stündliche Wechsel aller Möglichkeiten.

      Einstweilen können wir nicht vorwärts und nicht rückwärts, und die großen Eisfelder scheinen sich aneinanderschließen zu wollen. Geduld! Inzwischen können wir Lotungen und manche biologische Arbeit ausführen.

      Mittwoch, 14. Dezember. Vom »Krähennest« (der Ausgucktonne) aus ist an mehreren Seiten offenes Wasser zu sehen, im Übrigen aber ist die Szene unverändert: ödes, hügeliges Packeis. Das Schiff dreht sich mit dem Wind und die Eisfelder ringsum sind in ständiger Bewegung; sie wechseln ihre Lage in langsamer, verstohlener, schleichender Weise. Die Lufttemperatur ist 2 Grad Celsius über null, die des Wassers ungefähr 1 Grad unter null.

      Das Packeis ist in der Regel ein sonnenloser Ort; nach einigen Stunden Sonnenschein gestern Morgen bewölkte sich der Himmel und es schneite trostlos. In solchen Stunden vergegenwärtigt man sich die entsetzliche Eintönigkeit langer Gefangenschaft im Packeis, wie Nansen und andere sie kennengelernt haben, und die Fantasie dehnt solche Tage zu endlosen Monaten und Jahren aus. Heute aber haben wir prächtigsten Sonnenschein, und wir waren alle mit Schneeschuhen auf dem Eisfeld, an dem wir uns heute Morgen verankerten. Es war so heiß, dass ein Kleidungsstück nach dem anderen abgelegt wurde und Oates und Atkinson einige Zeit nackt bis zum Gürtel umherliefen.

      Wenn unsere Gefangenschaft nicht zu lange dauert, ist sie uns ganz willkommen; sie übt uns in der Anwendung unserer Tiefseeausrüstung und wir brennen alle darauf, von dem Norweger Gran Schneeschuhlaufen zu lernen. Von Ungeduld ist daher noch nichts zu spüren. Die Dünung ist heute bedeutend stärker geworden, aber aus welcher Richtung sie kommt, ist unbestimmt.

      Donnerstag, 15. Dezember. Meares brachte heute zweimal sieben Hunde mit einem Schlitten auf das Eis, und zwar die, die am schlechtesten aussahen. Sie atmeten schwer und es ist ganz unverständlich, wie sie so fett werden konnten, denn sie bekommen täglich höchstens zweieinhalb Hundekuchen.

      Wir treiben beständig nordwärts, was recht ärgerlich ist, aber doch wenigstens nicht nach Osten. Unsere Beobachtungen ergaben bisher, dass die Eisfelder bei Nordwest- und Westwind sich zusammendrängen und bei Windstille auseinandergehen. Wir hoffen nun, dass sie sich bei Ost- oder Südostwind öffnen werden. Rennick lotete heute 3370 Meter Tiefe.

      Sonnabend, 17. Dezember. Gestern Morgen setzte der Wind aus Nordosten ein und brachte Schnee, leichten Hagel und Regen, der bis heute Morgen währte. Es ist, glaube ich, das erste Mal, dass ich jenseits des Südpolarkreises Regen erlebe. Das Eisfeld, auf dem wir Schneeschuh liefen, hat sich zerteilt; wir zogen daher gestern die Eisanker wieder ein, und mithilfe der Segel drängte sich das Schiff langsam durch die umfangreichen Eisfelder. Im Ganzen kamen wir etwa 6 Kilometer vorwärts, mussten aber schließlich wieder an einem ungeheueren Eisfeld anlegen, wo das Schiff unter Segel nicht durchkam, und heute haben wir uns den ganzen Tag kaum von der Stelle gerührt. Aber Eisberge, die uns im Lauf der Woche schon alte Freunde wurden, setzen sich in Bewegung; einer hat sich genähert und uns fast umkreist. Sie bewegen sich sehr unregelmäßig, müssen


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