Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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über sei­ne dunklen, schar­fen Au­gen zog es wie ein Schlei­er.

      »Sie se­hen mich in der größ­ten Ver­le­gen­heit, Herr Ober­grup­pen­füh­rer! Ich bin ver­zwei­felt, wie konn­te mir das nur ge­sche­hen? Ach ja, ich habe mich ver­rannt. Ich habe im­mer nur an die­se Bahn­hö­fe von der Elek­tri­schen ge­dacht, ich war so stolz auf die­se Ent­de­ckung. Zu stolz …«

      Der Ober­grup­pen­füh­rer sah mit bö­sen Au­gen auf die­ses Männ­chen, das in ehr­li­cher Be­küm­mer­nis, aber ohne Krie­che­rei sei­ne Sün­den be­kann­te.

      Der Ober­grup­pen­füh­rer Prall zit­ter­te vor Zorn, aber der trau­ri­ge Ernst, mit dem Kri­mi­nal­rat Zott sprach, und sei­ne völ­li­ge Un­be­küm­mert­heit um das ei­ge­ne Schick­sal hiel­ten ihn noch im Zaum.

      »Und wie den­ken Sie sich die Fort­set­zung der Sa­che, Herr?«, frag­te er kalt.

      »Ich bit­te Sie, Herr Ober­grup­pen­füh­rer«, bat Zott mit fle­hend er­ho­be­nen Hän­den, »ich bit­te Sie, ent­bin­den Sie mich! Ent­bin­den Sie mich von die­sem Dienst, dem ich in kei­ner Wei­se ge­wach­sen bin! Ho­len Sie den Kom­missar Esche­rich wie­der aus sei­nem Kel­ler, er wird es bes­ser ma­chen als ich …«

      »Ich hof­fe«, sag­te Prall und schi­en al­les eben Ge­sag­te nicht ge­hört zu ha­ben, »ich hof­fe, Sie ha­ben we­nigs­tens die An­schrif­ten der bei­den in­haf­tiert Ge­we­se­nen no­tiert?«

      »Ich habe es nicht! Ich habe mit sträf­li­chem Leicht­sinn ge­han­delt, von mei­ner Lieb­lings­idee ver­führt. Aber ich wer­de mich mit dem Re­vier ver­bin­den las­sen, man wird mir die Adres­sen ge­ben, wir wer­den se­hen …«

      »Also las­sen Sie sich ver­bin­den!«

      Das Ge­spräch war nur sehr kurz. Der Kri­mi­nal­rat sag­te zu dem Ober­grup­pen­füh­rer: »Auch dort hat man die Adres­sen nicht no­tiert.« Und auf eine zor­ni­ge Be­we­gung sei­nes Vor­ge­setz­ten: »Ich bin schuld, ich ganz al­lein! Nach dem Te­le­fon­ge­spräch mit mir muss­te man dort die An­ge­le­gen­heit für end­gül­tig er­le­digt an­se­hen. Ich al­lein bin schuld, dass nicht ein­mal eine Ak­ten­no­tiz ge­macht wur­de!«

      »So­dass wir jetzt kei­ner­lei Spur mehr ha­ben?«

      »Kei­ner­lei Spur!«

      »Und wie den­ken Sie über Ihr Ver­hal­ten?«

      »Bit­te, Herrn Kom­missar Esche­rich aus dem Kel­ler zu ho­len und mich an sei­ner Stel­le fest­zu­set­zen!«

      Ober­grup­pen­füh­rer Prall sah den klei­nen Mann eine Wei­le sprach­los an. Dann sag­te er, zit­ternd vor Wut: »Wis­sen Sie, dass ich Sie in ein KZ schi­cken wer­de? Sie wa­gen, mir einen sol­chen Vor­schlag ins Ge­sicht hin­ein zu ma­chen, und Sie zit­tern und heu­len nicht vor Angst? Aus dem Zeug, wie Sie sind, sind auch die Ro­ten, die Bol­sche­wi­ken, ge­macht! Sie be­ken­nen Ihre Schuld, aber Sie schei­nen noch stolz dar­auf!«

      »Ich bin nicht stolz auf mei­ne Schuld. Aber ich bin be­reit, die Fol­gen zu tra­gen. Und ich hof­fe, ich wer­de es ohne Zit­tern und Heu­len tun!«

      Ober­grup­pen­füh­rer Prall lä­chel­te ver­ächt­lich zu die­sen Wor­ten. Er hat­te un­ter den Schlä­gen der SS-Män­ner schon viel Wür­de zer­fal­len ge­se­hen. Aber er hat­te auch den Blick in den Au­gen man­cher Ge­mar­ter­ten ge­se­hen, die­sen Blick, der in al­ler Qual von ei­ner küh­len, fast spöt­ti­schen Über­le­gen­heit sprach. Und die Erin­ne­rung an die­sen Blick mach­te es, dass er, statt zu schrei­en und zu schla­gen, nur sag­te: »Sie hal­ten sich in die­sem Zim­mer zu mei­ner Ver­fü­gung. Ich muss erst Be­richt er­stat­ten.«

      Kri­mi­nal­rat Zott neig­te zu­stim­mend den Kopf, und der Ober­grup­pen­füh­rer Prall ging.

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      46. Kommissar Escherich wieder frei

      Der Kom­missar Esche­rich ist wie­der im Amt. Der Tot­ge­glaub­te ist aus den Kel­lern der Ge­sta­po wie­der zum Le­ben auf­er­stan­den. Ein we­nig be­schä­digt und zer­knit­tert, sitzt er doch wie­der an sei­nem Schreib­tisch, und sei­ne Kol­le­gen be­ei­len sich, ihn ih­rer Sym­pa­thie zu ver­si­chern. Sie hät­ten im­mer an ihn ge­glaubt. Sie hät­ten al­les ger­ne für ihn ge­tan, was in ih­rer Macht stand. »Nur, weißt du, wenn erst die hö­he­re Füh­rung je­man­den in Ver­schiss tut, kann un­serei­ner nichts mehr ma­chen. Da ver­brennt man sich nur die Pfo­ten. Nun, das weißt du ja al­les selbst, das ver­stehst du ja, Esche­rich.«

      Esche­rich ver­si­chert, dass er al­les ver­steht. Er ver­zieht den Mund zu ei­nem Lä­cheln, das ein we­nig un­glück­lich aus­sieht, ver­mut­lich weil Esche­rich noch nicht ge­lernt hat, mit ei­ni­gen Zahn­lücken im Mun­de zu lä­cheln.

      Nur zwei Re­den ha­ben auf ihn bei sei­nem Dien­stein­tritt Ein­druck ge­macht. Die eine kam vom Kri­mi­nal­rat Zott.

      »Kol­le­ge Esche­rich«, hat­te der ge­sagt. »Ich wer­de nicht statt Ih­rer in den Bun­ker ge­sandt, ob­wohl ich es zehn­mal mehr als Sie ver­dient hät­te. Nicht nur we­gen der Feh­ler, die ich ge­macht habe, son­dern weil ich mich wie ein Schwein Ih­nen ge­gen­über be­nom­men habe. Mei­ne ein­zi­ge Ent­schul­di­gung ist: ich glaub­te, Sie hät­ten schlecht ge­ar­bei­tet …«

      »Nun re­den Sie nicht mehr da­von«, hat­te Esche­rich mit sei­nem zahn­lücki­gen Lä­cheln ge­sagt. »Im Fall Kla­bau­ter­mann ha­ben bis­her alle schlecht ge­ar­bei­tet, Sie, ich, alle. Es ist ko­misch, ich bin wirk­lich ge­spannt dar­auf, die­sen Mann ken­nen­zu­ler­nen, der so viel Un­glück mit sei­nen Kar­ten über sei­ne Mit­menschen ge­bracht hat. Es muss ein selt­sa­mer Vo­gel sein …«

      Er sah den Kri­mi­nal­rat ge­dan­ken­voll an.

      Der gab ihm sei­ne klei­ne ak­ten­gel­be Hand. »Den­ken Sie nicht zu böse von mir, Kol­le­ge Esche­rich«, sag­te er lei­se. »Und noch eins: ich habe da so eine neue Theo­rie auf­ge­stellt, dass der Tä­ter ir­gen­det­was mit der Stra­ßen­bahn zu tun hat. Sie wer­den es bei den Ak­ten fin­den. Bit­te ver­lie­ren Sie die­se Theo­rie bei Ihren Er­mitt­lun­gen nicht ganz aus dem Auge. Ich wäre sehr glück­lich, wenn we­nigs­tens die­ser Punkt mei­ner Er­wä­gun­gen sich als wahr er­wie­se! Ich bit­te Sie dar­um!«

      Und da­mit ent­schwand der Kri­mi­nal­rat Zott auf sein ab­ge­le­ge­nes, stil­les Zim­mer, nur noch sei­nen Theo­ri­en hin­ge­ge­ben.

      Die zwei­te denk­wür­di­ge An­spra­che hielt na­tür­lich der Ober­grup­pen­füh­rer Prall. »Esche­rich«,


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