Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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Sie kön­nen sa­gen, was Sie wol­len, Sie kön­nen mich tot­schla­gen: ich rede nichts mehr!«

      »Set­zen Sie sich nur ru­hig wie­der hin«, sag­te der Kom­missar Laub und ver­setz­te der Verzwei­fel­ten ein paar Schlä­ge. »Wann Sie auf­ste­hen dür­fen, be­stim­me ich. Und wann das Ver­hör zu Ende ist, das be­stim­me ich auch. Jetzt wol­len wir erst mal die Sa­che mit der Tru­del Bau­mann zu Ende be­quat­schen. Nach­dem Sie mir eben ge­stan­den ha­ben, dass sie Hoch­ver­rat be­gan­gen hat …«

      »Das habe ich nicht ge­stan­den!«, rief die ge­quäl­te, ver­zwei­fel­te Frau.

      »Sie ha­ben ge­sagt, Sie wol­len die Tru­del nicht ver­ra­ten«, sag­te der Kom­missar gleich­mü­tig. »Und nun lass ich nicht eher nach, bis Sie mir ge­sagt ha­ben, was es da zu ver­ra­ten gibt.«

      »Nie sage ich das, nie!«

      »Na also! Se­hen Sie, Frau Quan­gel, Sie sind dumm. Sie müs­sen sich doch selbst sa­gen, dass ich das, was ich wis­sen will, mor­gen in fünf Mi­nu­ten der Tru­del Bau­mann glatt und be­quem aus der Nase zie­he. So ’ne schwan­ge­re Frau, die hält doch solch Ver­hör nicht lan­ge aus. Wenn ich der ein paar run­ter­haue …«

      »Sie dür­fen die Tru­del nicht schla­gen! Sie dür­fen das nicht! Oh, lie­ber Gott, hät­te ich doch nie ih­ren Na­men ge­nannt!«

      »Sie ha­ben ihn aber ge­nannt! Und Sie ma­chen es Ih­rer Tru­del viel leich­ter, wenn Sie al­les ge­ste­hen! Nun, wie ist es, Frau Quan­gel? Was hat die Tru­del zu den Kar­ten ge­sagt?«

      Und spä­ter: »Ich könnt’s von der Tru­del er­fah­ren, aber gra­de will ich, dass Sie es mir jetzt sa­gen. Ich lass nicht eher nach! Sie sol­len’s ler­nen, dass Sie ein­fach ein Dreck sind vor mir. Sie sol­len’s ler­nen, dass alle Ihre Vor­sät­ze, den Mund zu hal­ten, Mist sind vor mir. Sie sol­len ler­nen, dass Sie gar nichts wert sind, Sie mit all Ihrem Ge­re­de von Treue und Nicht­ver­ra­ten­wol­len. Nichts sind Sie! Nun, Frau Quan­gel, wet­ten, dass ich zwi­schen jetzt und ei­ner Stun­de aus Ihrem Mun­de höre, was die Tru­del mit den Post­kar­ten zu tun hat?! Wet­ten?«

      »Nein! Nein! Nie!«

      Aber na­tür­lich er­fuhr es der Kom­missar Laub, und es dau­er­te nicht mal eine Stun­de.

      53. Die betrübten Hergesells

      Her­ge­sells mach­ten ih­ren ers­ten Spa­zier­gang nach Tru­dels Fehl­ge­burt. Sie gin­gen die Stra­ße nach Grün­hei­de hin­aus, bo­gen dann aber links in den Fran­ken­weg ein und wan­der­ten am Ufer des Fla­ken­sees auf Wol­ters­dor­fer Schleu­se zu.

      Sie gin­gen sehr lang­sam, ab und zu warf Karl einen ra­schen Blick auf Tru­del, die mit ge­senk­tem Blick ne­ben ihm ging.

      »Es ist schön im Wal­de«, sag­te er.

      »Ja, es ist schön«, ant­wor­te­te sie.

      Ein we­nig spä­ter rief er: »Sieh dort die Schwä­ne auf dem See!«

      »Ja«, ant­wor­te­te sie. »Schwä­ne …« Und nichts mehr.

      »Tru­del«, sag­te er be­sorgt, »warum sprichst du nicht? Wa­rum freut dich nichts mehr?«

      »Ich muss im­mer an mein to­tes Kind den­ken«, flüs­ter­te sie.

      »Ach, Tru­del«, sag­te er. »Wir wer­den noch vie­le Kin­der ha­ben!«

      Sie schüt­tel­te den Kopf. »Ich wer­de nie mehr ein Kind ha­ben.«

      Er frag­te ängst­lich: »Hat der Dok­tor dir das ge­sagt?«

      »Nein, nicht der Dok­tor. Aber ich füh­le es.«

      »Nein«, sag­te er. »So darfst du nicht den­ken, Tru­del. Wir sind doch jung, wir kön­nen noch so vie­le Kin­der ha­ben.«

      Wie­der schüt­tel­te sie den Kopf. »Ich den­ke manch­mal, das jetzt war mei­ne Stra­fe.«

      »Eine Stra­fe! Wo­für denn, Tru­del? Was ha­ben wir denn ver­bro­chen, dass wir so ge­straft wer­den? Nein, es war ein Zu­fall, bloß ein blin­der, ge­mei­ner Zu­fall!«

      »Es war kein Zu­fall, es war eine Stra­fe«, sag­te sie hart­nä­ckig. »Wir sol­len kein Kind ha­ben. Ich muss im­mer dar­an den­ken, was aus dem Klaus ge­wor­den wäre, wenn er äl­ter ge­wor­den wäre. Jung­volk und HJ, SA oder SS …«

      »Aber, Tru­del!«, rief er, ganz ver­blüfft von den schwar­zen Ge­dan­ken, mit de­nen sei­ne Frau sich plag­te, »wenn der Klaus grö­ßer ge­wor­den wäre, dann wäre es ja längst mit der gan­zen Hit­le­rei vor­bei ge­we­sen. Die dau­ert nicht mehr lan­ge, ver­lass dich drauf!«

      »Ja«, sag­te sie, »und was ha­ben wir dazu ge­tan, dass die Zu­kunft bes­ser wird? Gar nichts! Schlim­mer als nichts: wir ha­ben die gute Sa­che ver­las­sen. Ich muss jetzt so viel an Gri­go­leit und den Säug­ling den­ken … des­we­gen sind wir be­straft …«

      »Ach, die­ser elen­de Gri­go­leit!«, sag­te er är­ger­lich.

      Er hat­te einen schwe­ren Zorn auf Gri­go­leit, der im­mer noch nicht sei­nen Kof­fer ge­holt hat­te.

      Schon ein paar­mal hat­te Her­ge­sell den Ein­lie­fe­rungs­schein er­neu­ern müs­sen.

      »Ich den­ke«, sag­te er, »der Gri­go­leit sitzt längst. Man hät­te sonst wohl wie­der et­was von ihm ge­hört.«

      »Wenn er sitzt«, be­harr­te sie, »sind wir mit dar­an schuld. Wir ha­ben ihn im Stich ge­las­sen.«

      »Tru­del!«, rief er är­ger­lich. »Ich ver­bie­te dir, solch einen Un­sinn auch nur zu den­ken! Wir ha­ben nicht das Zeug zu Ver­schwö­rern. Für uns war es das ein­zig Rich­ti­ge, da­mit auf­zu­hö­ren.«

      »Ja«, sag­te sie bit­ter, »aber wir ha­ben das Zeug zu Drücke­ber­gern, zu Feig­lin­gen! Du sagst, der Klaus hät­te nicht mehr in die HJ ge­musst. Aber wenn er es nicht ge­musst hät­te, wenn er sei­ne El­tern hät­te ach­ten und lie­ben dür­fen – was ha­ben wir dazu ge­tan? Was ha­ben wir für eine bes­se­re Zu­kunft ge­tan? Nichts!«

      »Es kön­nen nicht alle Ver­schwö­rer spie­len, Tru­del!«

      »Nein. Aber man hät­te an­de­res tun kön­nen. Wenn so­gar ein Mann wie mein frü­he­rer Schwie­ger­va­ter, der Otto Quan­gel …« Sie brach ab.

      »Nun, was ist mit dem Quan­gel? Was weißt du von ihm?«

      »Nein, ich sage dir das lie­ber nicht. Ich habe es ihm auch ver­spro­chen. Aber wenn so­gar ein al­ter Mann wie der Otto Quan­gel ge­gen die­sen Staat ar­bei­tet, so fin­de ich es schmäh­lich, dass wir die Hän­de in den Schoß le­gen!«

      »Aber was kön­nen wir denn tun, Tru­del? Nichts! Denk an alle Macht, die der Hit­ler hat, und wir bei­de sind rei­ne gar nichts! Nichts kön­nen wir tun!«

      »Wenn alle so däch­ten wie du, wür­de Hit­ler ewig die Macht be­hal­ten. Ei­ner muss ge­gen ihn zu kämp­fen an­fan­gen.«

      »Aber was kön­nen wir tun?«

      »Was? Al­les! Wir könn­ten Auf­ru­fe schrei­ben und an die Bäu­me hän­gen! Du ar­bei­test in der che­mi­schen Fa­brik, kommst als Elek­tri­ker in je­den Wer­kraum. Du brauchst nur einen Hahn an­ders zu stel­len, die Schrau­be an ei­ner Ma­schi­ne zu lo­ckern, und das Er­geb­nis von vie­len Ta­ge­wer­ken ist ka­putt. Wenn du so was tust, und noch ein paar hun­dert an­de­re, der Hit­ler wür­de sich schön um­se­hen, wo sein Kriegs­ma­te­ri­al bleibt.«


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