Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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At­tes­ten ge­ar­bei­tet, die den Va­ter als einen al­ters­schwa­chen Mann schil­der­ten, er hat­te ge­bet­telt und ge­droht, er war za­ckig und de­mü­tig auf­ge­tre­ten, er hat­te auch den Ein­bruch, bei dem das Geld wie­der ge­stoh­len war, weid­lich aus­ge­beu­tet – und schließ­lich hat­te es der ge­treues­te Sohn des Hau­ses wirk­lich er­reicht, dass die gan­ze fau­le Kis­te ohne Sang und Klang bei­ge­legt wur­de. Nicht ein­mal aus der Woh­nung hat­te er et­was ver­kau­fen müs­sen – der Fehl­be­trag war als ge­stoh­len aus­ge­bucht. Aber nicht etwa vom al­ten Per­si­cke ge­stoh­len – o nein, o nein! Son­dern von Bark­hau­sen und Ge­nos­sen ge­stoh­len, so wur­de ein Schuh dar­aus, so blieb der Ehren­schild der Per­sickes rein.

      Und wäh­rend die Her­ge­sells mit Schlä­gen und dem Tode be­droht wur­den für ein Ver­bre­chen, das sie nicht be­gan­gen hat­ten, wur­de das Par­tei­mit­glied Per­si­cke für ein be­gan­ge­nes Ver­bre­chen ent­sühnt.

      Also die­ses al­les hat­te Bal­dur Per­si­cke bes­tens er­le­digt, wie es ja auch gar nicht an­ders von ihm zu er­war­ten war. Er hät­te ab­rei­sen kön­nen auf sei­ne Na­po­la, aber vor­her will er doch noch eine An­stands­pflicht er­fül­len, er will sei­nen Va­ter in der Trin­ker­heil­stät­te be­su­chen. Au­ßer­dem möch­te er ja ger­ne ei­ner Wie­der­ho­lung sol­cher Er­eig­nis­se vor­beu­gen und die ängst­li­che Mut­ter in der Woh­nung si­cher­stel­len.

      Da er Bal­dur Per­si­cke ist, be­kommt er auch so­fort Be­suchs­er­laub­nis, und er darf den Va­ter so­gar al­lein spre­chen, ohne Arzt- und Pfle­gerauf­sicht.

      Bal­dur fin­det, dass der Alte mäch­tig her­un­ter­ge­kom­men aus­sieht, er ist zu­sam­men­ge­fal­len wie ein Gum­mi­tier, in das man mit ei­ner Na­del ge­piekt hat.

      Ja, die gu­ten Tage des ver­krach­ten Bu­di­kers sind vor­über, er ist nur noch ein Ge­s­penst, aber ein Ge­s­penst, das nicht frei von Ge­lüs­ten ist. Der Va­ter bet­telt den Sohn um et­was Rauch­ba­res an, und nach­dem der Sohn sich ein paar­mal ge­wei­gert hat (»Das hast du al­ter Ver­bre­cher gar nicht ver­dient«), schenkt er dem Al­ten schließ­lich doch eine Zi­ga­ret­te. Als aber der alte Per­si­cke dar­um bet­telt, der Sohn möge dem Va­ter doch nur ein ein­zi­ges Mal eine Fla­sche Schnaps ein­schmug­geln, da lacht Bal­dur bloß. Er schlägt dem Va­ter auf die dürr ge­wor­de­nen, zitt­ri­gen Knie und sagt: »Das mach dir man ab, Va­ter! Schnaps kriegst du nie mehr in dei­nem Le­ben zu sau­fen, da­mit hast du mir viel zu viel Dumm­hei­ten ge­macht!«

      Und wäh­rend der Va­ter böse starrt, be­rich­tet der Sohn selbst­ge­fäl­lig von all der Mühe, die ihm die Bei­le­gung die­ser Dumm­hei­ten ge­macht hat.

      Der alte Per­si­cke ist nie ein großer Di­plo­mat ge­we­sen, er hat im­mer sei­ne Mei­nung ge­ra­de­her­aus ge­pol­tert und nie dar­an ge­dacht, was der an­de­re fühlt. So sagt er denn auch jetzt: »Du bist im­mer ein Prahl­hans ge­we­sen, Bal­dur! Das habe ich doch ge­wusst, dass mir von der Par­tei aus nie was pas­sie­ren wür­de, wo ich doch schon fünf­zehn Jah­re in dem Hit­ler sei­nen La­den bin! Nein, wenn’s dich Mühe ge­kos­tet hat, ist nur dei­ne ei­ge­ne Blöd­heit dar­an schuld. Ich hät­t’s mit ein paar Sät­zen er­le­digt, wenn ich erst drau­ßen bin!«

      Der Va­ter ist dumm. Hät­te er dem Soh­ne ein biss­chen ge­schmei­chelt, ihm ge­dankt und ihn ge­lobt, so wäre Bal­dur Per­si­cke wohl gnä­di­ger ge­stimmt ge­we­sen. Aber jetzt ist er tief in sei­ner Ei­tel­keit ver­letzt, und er sagt nur kurz: »Ja, wenn du erst drau­ßen bist, Va­ter! Aber du kommst nicht wie­der raus aus die­ser Klaps­müh­le, nie in dei­nem Le­ben!«

      Der Va­ter be­kommt bei die­sen er­bar­mungs­lo­sen Wor­ten erst einen sol­chen Schreck, dass er am gan­zen Lei­be zit­tert. Aber er fasst sich wie­der und sagt: »Den möcht ich se­hen, der mich hier hal­ten könn­te! Vor­läu­fig bin ich noch ein frei­er Mensch, und Ober­arzt Dr. Mar­tens hat mir sel­ber ge­sagt, wenn ich noch sechs Wo­chen hier wei­ter die Kur ma­che, kann ich raus. Dann bin ich ge­heilt.«

      »Du wirst nie ge­heilt, Va­ter«, sagt Bal­dur spöt­tisch. »Du fängst doch im­mer wie­der mit dei­nen Sau­fe­rei­en an. Das habe ich nun oft ge­nug er­lebt. Ich wer­de das nach­her dem Ober­arzt auch sa­gen und da­für sor­gen, dass du ent­mün­digt wirst!«

      »Das tut er nicht! Dr. Mar­tens mag mich mäch­tig ger­ne; er hat ge­sagt, so schö­ne Schwei­ne­rei­en wie ich weiß kei­ner! Der tut mir das nicht an. Und au­ßer­dem hat er mir fest ver­spro­chen, dass ich in sechs Wo­chen ent­las­sen wer­de!«

      »Wenn ich ihm aber er­zäh­le, dass du mich eben erst hast über­re­den wol­len, dir eine Fla­sche ein­zu­schmug­geln, wird er an­ders über dei­ne Hei­lung den­ken!«

      »Das tust du nicht, Bal­dur! Du bist doch mein Sohn, und ich bin dein Va­ter …«

      »Was ist denn da wei­ter bei? Von ir­gend­wem muss ich doch der Sohn sein, und ich fin­de, ich habe ge­ra­de einen von den schä­bigs­ten Vä­tern ab­be­kom­men.«

      Er sah sei­nen Va­ter ab­schät­zig an. Und dann setz­te er hin­zu: »Nee, nee, Va­ter, das mach dir man ab, an den Ge­dan­ken ge­wöhn du dich nur: du bleibst hier. Du bla­mierst drau­ßen ja doch nur die gan­ze In­nung!«

      Der Alte ist ver­zwei­felt. Er sagt: »Die Mut­ter wird das nie zu­ge­ben, das mit der Ent­mün­di­gung, und dass ich ewig hier­blei­be!«

      »Na, so ewig wird’s gar nicht wer­den, wie du jetzt aus­siehst!« Bal­dur lacht und schlägt die Bei­ne mit den schön ge­beu­tel­ten Reit­ho­sen über­ein­an­der. Zufrie­den be­trach­tet er den – von der Mut­ter er­zeug­ten – Glanz sei­ner Stie­fel. »Und Mut­ter hat sol­che Angst vor dir, die wei­gert sich ja so­gar, dich zu be­su­chen. Denkst du, Mut­ter hat ver­ges­sen, wie du sie beim Hal­se ge­habt und ge­würgt hast? Das ver­gisst dir Mut­ter nie!«

      »Dann schrei­be ich an den Füh­rer!«, rief der alte Per­si­cke auf­ge­bracht. »Der Füh­rer lässt einen al­ten Kämp­fer nicht im Stich!«

      »Was bist du denn dem Füh­rer noch nut­ze? Der Füh­rer schert sich einen Dreck um dich, der wirft nicht einen Blick auf dein Ge­klaue! Au­ßer­dem kannst du mit dei­nen al­ten, zitt­ri­gen Säufer­hän­den gar nicht mehr schrei­ben, und au­ßer­dem las­sen die hier gar kei­nen Brief von dir raus, da­für wer­de ich sor­gen! Scha­de um das Pa­pier!«

      »Bal­dur, habe doch Er­bar­men mit mir! Du bist doch mal ein klei­ner Jun­ge ge­we­sen! Ich bin doch sonn­tags mit dir spa­zie­ren ge­gan­gen. Weißt du noch, wie wir mal auf dem Kreuz­berg wa­ren, und das Was­ser lief so schön rosa und blau? Ich hab dir im­mer Würst­chen und Bon­bons ge­kauft, und als du da­mals mit elf Jah­ren die Ge­schich­te mit dem klei­nen Kind an­ge­stellt hat­test, da habe ich da­für ge­sorgt, dass du nicht von der Schu­le flogst und in Zwangs­er­zie­hung kamst! Was wärst du ohne dei­nen ol­len Va­ter, Bal­dur? Und nun darfs­te mich auch nicht in die­ser Klaps­müh­le ste­cken las­sen!«

      Bal­dur hat­te sich die­sen lan­gen Er­guss, ohne eine Mie­ne zu ver­zie­hen, an­ge­hört. Nun sag­te er: »Also jetzt willst du auf die Ge­fühl­stu­be drücken, Va­ter? Fin­de ich ganz tüch­tig von dir. Bloß so was wirkt bei mir nicht, das müss­test du doch wis­sen, dass ich mir aus Ge­füh­len nichts ma­che! Ge­füh­le – eine rich­ti­ge Schin­ken­stul­le ist mir lie­ber als alle Ge­füh­le! Aber ich will nicht so sein, ich will dir noch ’ne Zi­ga­ret­te schen­ken – al­lez hopp!«

      Aber der Alte war zu auf­ge­regt, um jetzt an Rau­chen zu den­ken. Die Zi­ga­ret­te


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