Die Schmuggler-Braut. Barbara Cartland

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Die Schmuggler-Braut - Barbara Cartland


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der von einer hohen Mauer umgeben war.

      Die Mauer war in einem traurigen Zustand. Das schmiedeeiserne Tor, das einst von zwei Steinpfeilern getragen worden war, hing schief in den verrosteten Angeln. Von den beiden Löwen, welche die Pfeiler geziert hatten, fehlte einer; der andere war von Efeu überwachsen.

      Lord Cheriton ritt über die moosbewachsene Einfahrt. Die alten Eichen zu beiden Seiten hätten ausgeschnitten werden müssen.

      In der Ferne sah man ein Haus, ein Backsteinbau, der sich wie ein roter Fleck von dem grünen Hintergrund abhob.

      Lord Cheriton mußte daran denken, wie er sich an einem nebligen Morgen von hier weggeschlichen hatte. Die Schmerzen in seinem Rücken waren schier unerträglich gewesen. Am Abend zuvor war er ausgepeitscht worden, alte Wunden waren aufgerissen, und als er aus dem Fenster seines Zimmers geklettert und an der Dachrinne heruntergerutscht war, hatten sie wieder zu bluten angefangen.

      Aber in jenem Moment war nur die Flucht wichtig gewesen, sonst hatte nichts gezählt. Er hatte der Situation entkommen müssen, die so grauenvoll gewesen war, daß er sie nicht mehr hatte ertragen können.

      Er hatte sich geschworen, nie wieder hierher zurückzukommen. Doch nun ritt er auf das Haus zu, das er gehaßt hatte, auch noch, als er Indien erreicht hatte und dann zwei Kontinente zwischen Lord Cheriton und seinem Vater lagen.

      Voll Genugtuung stellte Cheriton nun fest, daß das Dach Löcher hatte und viele Fensterscheiben fehlten.

      1805 war er mit seinem Regiment nach England zurückgekehrt und konnte sich noch so genau daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. General Arthur Wellesley war auf demselben Schiff, der Trident, zurückgekommen.

      Wie seltsam dem Lord England nach einem Aufenthalt von neun Jahren in Indien vorgekommen war.

      Fünfzehn war er gewesen, als er von zu Hause weggelaufen war, noch ein Junge, der nichts vom Leben gewußt hatte. Aber er hatte seine Erfahrungen gemacht, schwere, bittere Erfahrungen.

      Im dichten Dschungel von Mallabelly, in den von Kugeln durchlöcherten Forts von Scringapatam und in der Hitze und dem Fieber von Mysore war er zum Mann geworden.

      Er hatte sich oft gefragt, wie er diese Jahre überhaupt überlebt hatte. Um in die Armee aufgenommen zu werden, hatte er sich für älter ausgegeben und war mit Männern zusammen gewesen, die so rauh gewesen waren, daß er sie oft mehr gefürchtet hatte als den Feind.

      Aber jeder einzelne von diesen Männern war ihm lieber gewesen als sein grausamer, tyrannischer Vater.

      Auf seltsame Weise hatte er in dem Leben, das er sich selbst ausgesucht hatte, im Laufe der Jahre eine Zufriedenheit gefunden, die jeder Mensch kennt, der sein eigener Herr wird.

      Und als er dann fünfundzwanzig Jahre alt gewesen war, hatte er sich gesagt, daß die Vergangenheit endlich Vergangenheit bleiben sollte und außer Stuart Bradleigh, wie er sich beim Militär genannt hatte, für ihn niemand existiere.

      Eines Tages jedoch, es war in Deal gewesen, wo Sir Arthur auf den Befehl gewartet hatte, nach England zurückzukehren, war Cheriton zu dem General gerufen worden.

      Wie alle, die in Indien gewesen waren, hatte Sir Arthur an einen Kriegsschauplatz geschickt werden wollen, und alle, die zu seinem Stab gehört hatten, waren überzeugt davon gewesen, daß er sie mitnehmen würde.

      „Sergeant Bradleigh“, hatte Sir Arthur gesagt, als Cheriton sein Büro betreten hatte und stillgestanden war.

      „Sir!“

      „Stimmt es, daß Sie unter falschem Namen in die Armee eingetreten sind?“

      Damit hatte Lord Cheriton gerechnet. Er war im ersten Moment unfähig gewesen, etwas zu sagen.

      Er war so an seinen neuen Namen gewöhnt gewesen, daß er seinen wirklichen eigentlich fast vergessen hatte.

      „Ja, Sir“, hatte er schließlich zugegeben.

      „Demnach ist Ihr wirklicher Name John Heywood?“

      „Ja, Sir.“

      „Dann muß ich Ihnen mitteilen, Sergeant, daß Ihr Vater tot ist.“

      Lord Cheriton hatte nichts zu erwidern gewußt. Zu sagen, daß es ihn freue und er schon lange keine so gute Nachricht erhalten habe, wäre äußerst taktlos gewesen, wenn es auch der Wahrheit entsprach.

      „Und das bedeutet“, hatte der General hinzugesetzt, „daß Sie Lord Cheriton sind, wenn ich nicht irre.“

      Lord Cheriton hatte nie an den Titel gedacht.

      „Lord Cheriton?“ hatte er erstaunt wiederholt.

      „Wünschen Sie unter den gegebenen Umständen Ihren Abschied zu nehmen?“ hatte Sir Arthur gefragt.

      „Nein, Sir. Natürlich nicht, Sir.“

      „Wie ich höre, erben Sie einen beachtlichen Besitz.“

      Lord Cheriton hatte geschwiegen.

      „Der Anwalt Ihres Vaters ist hier, Sergeant, und Sie bekommen natürlich frei, wenn Sie wollen.“

      „Vielen Dank, Sir.“

      Sir Arthur hatte einen Moment überlegt.

      „Unter den gegebenen Umständen“, hatte er schließlich hinzugefügt, „wäre es wohl ratsam, wenn Sie sich das Offizierspatent kaufen würden, Sergeant. Ich werde Sie in jeder Weise unterstützen. Daß Sie mit meinen uneingeschränkten Empfehlungen rechnen können, sei nur am Rande bemerkt.“

      Es war Lord Cheriton nichts anders eingefallen, als zu salutieren und einige unverständliche Dankesworte zu murmeln.

      „Ich werde Sie in meinen Stab berufen.“

      Noch heute erinnerte sich Lord Cheriton genau daran, welches Gefühl des Stolzes sich seiner bemächtigt hatte.

      Irgendwie hatte er instinktiv gespürt, daß er das Vertrauen eines Mannes genießen würde, der als Herzog von Wellington noch Geschichte machen sollte.

      Der Anwalt des Vaters von Lord Cheriton hatte in einem Nebenraum auf ihn gewartet.

      „Ich hatte größte Schwierigkeiten, Sie ausfindig zu machen, Mylord“, hatte ihn der grauhaarige Mann mit leicht vorwurfsvollem Ton begrüßt.

      „War das denn so wichtig?“ hatte Lord Cheriton gefragt.

      Der Anwalt hatte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen angesehen.

      „Äußerst wichtig sogar“, hatte er erklärt. „Hier ist eine Liste der Besitzungen Ihres Vaters, einschließlich der auf der Bank deponierten Wertpapiere. Sie werden feststellen, Mylord, daß Sie ein beachtliches Vermögen geerbt haben.“

      Es war Lord Cheriton plötzlich klar gewesen, daß er mit dem Tod seines Vaters zu einem sehr reichen Mann geworden war, aber im Moment hatte ihn diese Tatsache weder beeindruckt noch sonderlich gefreut.

      Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er von seinem Vater nichts angenommen, nicht einmal den Adelstitel, aber er wußte natürlich, daß dies nicht möglich war.

      Das Leben hatte ihn zu einem scharfsinnigen Menschen gemacht, zu einem Menschen von schnellem Entschluß.

      So beauftragte er den Anwalt, sich um den Grundbesitz in London zu kümmern und die Mieten einzunehmen.

      Weiterhin sollte das Cheriton House am Berkeley Square abgeschlossen und in tadellosem Zustand gehalten werden, bis er selbst es benötige.

      Die Pächter der kleinen Bauernhöfe in der Grafschaft Sussex sollten gefragt werden, ob sie kaufen wollen. Wenn sie ablehnten, sollten ihnen Gebäude und Grund weiterhin zum bisherigen Pachtpreis überlassen werden.

      „Und das Haus?“ hatte der Anwalt gefragt. „Was soll mit Larks Hall geschehen?“

      Lord Cheriton antwortete spontan und ohne zu überlegen.

      „Es soll zerfallen“, hatte er mit seltsam


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